32. Mobilisten-Talk: Deutsche lieben Bargeld, weil sie oft keine Wahl haben.

Ulrich Binnebößel, Juliane Schmitz-Engels, Thomas Rausch, Ralf Gladis, Florian Treiß und Markus Petzold beim 32. Mobilisten-Talk

Nur Bares ist Wahres: Mythos oder Wahrheit? Das war eine der Leitfragen bei unserem 32. Mobilisten-Talk gestern Abend im BASECAMP in Berlin. Unter dem Motto „Cash vs. Cashless“ diskutierten Experten von DKB, Mastercard, dem Handelsverband HDE, Computop und GLORY die Zukunftsperspektiven rund ums Bezahlen im Handel.

Oft fehlt die Wahlmöglichkeit beim Bezahlen

Der Trend geht auch in Deutschland klar zur bargeldlosen Zahlung, auch wenn sich hierzulande die Zahl der Bargeld- und bargeldlosen Umsätze noch die Waage halten. Auf Transaktionen bezogen, werden sogar noch drei Viertel aller Einkäufe bar bezahlt. Die flächendeckende Einführung kontaktloser Bezahlterminals hat die Grundlage für Mobile Payment und kontaktlose Kartenzahlung geschaffen. Doch die Deutschen bezahlen im internationalen Vergleich noch deutlich häufiger bar als beispielsweise in Schweden, wo mittlerweile über 80 Prozent aller Transaktionen bargeldlos – also per Karte, Online-Bezahlung oder Handy-App – abgewickelt werden.

Juliane Schmitz-Engels von Mastercard

Die oft zu lesende Schlagzeile „die Deutschen lieben ihr Bargeld“ sei aber Quatsch. Es fehle oft schlicht die Alternative und die Wahlfreiheit, so Mastercard-Expertin Juliane Schmitz-Engels. Sie sieht das Handy als Geldbörse der Zukunft: „Die Menschen haben das Handy öfter in der Hand als ihr Portemonnaie. Ein deutlicher Wandel zum mobilen Bezahlen ist überall spürbar.“ Doch Bargeld hat auch Vorteile: Beispielsweise in Sachen Datenschutz oder als Backup für den Ausfall bargeldloser Systeme, ist aber auch anfällig für Fälschungen, fördert kriminelle Geschäfte oder Diebstahl im Handel. Thomas Rausch vom Bargeld-Spezialisten GLORY meinte dazu: „Man muss sich vom Bild des ‚klassischen‘ Barzahlers oder Nichtbarzahlers verabschieden – viel wichtiger ist es, dass der Einkauf convenient für den ist.“

Deutsche Banken hören (neuerdings) auf ihre Kunden

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Auch Ralf Gladis vom Bezahldienstleister Computop zweifelt an der Liebe der Deutschen zum Bargeld. Schlechte Kartenprodukte der deutschen Banken seien Mitschuld am Status quo, so Gladis. Die Banken hätten es lange verschlafen, bargeldloses Bezahlen im Laden für Kunden komfortabel zu machen. Nun würden neben US-Lösungen wie Google Pay und Apple Pay auch chinesische Firmen wie Alipay und WeChat auf den europäischen Markt drängen und könnten deutschen Banken das Wasser abgraben. Den Banken bleibt da oft nur noch die Rolle des Mitläufers. Zu den umtriebigeren Banken zählt sicher auch die DKB, deren Innovationschef Markus Petzold ein paar Einblicke in die oft für Ideenarmut kritisierte Bankenwelt gab. So unterstützt die DKB wie einige anderen deutschen Banken mit etwas Verzögerung nun auch Apple Pay. Das mobile Bezahlsystem des iPhone-Bauers wurde laut Petzold kundenseitig vehement („tausende Nutzeranfragen, explodierende Suchanfragen“) eingefordert und wohl weniger aus Überzeugung und Innovationsfreude unterstützt. Schließlich muss sich die DKB die ohnehin geringe Transaktionsgebühr dabei mit Apple teilen. Die DKB hat zudem ein gespaltenes Verhältnis zum Bargeld. Einerseits ist das kostenlose Abheben von Bargeld Verkaufsargument für die eigene Kreditkarte, andererseits hat die DKB eine bundesweite Kampagne gestartet, um mit Barzahlungsmythen zu brechen.

„Die Plastikkarte wird verschwinden“

Biometrie wird beim Payment immer wichtiger – Folie aus der Präsentation von Ralf Gladis

Der Bezahlvorgang verschwindet vordergründig zukünftig komplett, ist sich Ralf Gladis indes sicher: „Die Plastikkarte wird verschwinden.“ Das letzte Überbleibsel des Bezahlvorgangs sei dann die Authentisierung durch Biometrie oder Passwort. Schon heute gäbe es genügend Beispiele: In der Londoner U-Bahn kann man kontaktlos und mobil per NFC zahlen. Die Karte ist dort der Fahrschein, der automatisch beim Betreten und Verlassen des Bahnsteigs gelöst wird und automatisch das günstigste Ticket berechnet. Das gab es in ähnlicher Form auch in Deutschland schon als mittlerweile eingestellte Touch&Travel-App der Deutschen Bahn.

Handel fordert einheitlichen, europäischen Bezahlstandard

Payment-Experte Ulrich Binnebößel vom HDE

Vom Bargeld will sich auch Ulrich Binnebößel, der seit 2006 den Bereich „Zahlungsverkehr“ im Handelsverband HDE verantwortet, nicht verabschieden. Für Händler ist Bargeld zwar in Sachen Hygiene, Beschaffung, Sicherheit usw. oft mit Nachteilen verbunden. Doch viele Händler bieten mittlerweile auch die Abhebung von Bargeld bei Erreichen eines Mindestumsatzes an, was in Zeiten des Bankfillialsterbens durchaus einen Mehrwert für Kunden bieten kann.

Im Handel sei die Akzeptanz durch den nahezu flächendeckenden Ausbau kontaktloser Bezahlterminals zwar hoch, dennoch müsse man Kunden die Wahlfreiheit lassen, wie sie ihre Waren bezahlen. Durch die Flut verschiedener Zahlungsmittel seien Kunden aber auch überfordert und Händler unter Druck, verschiedene Zahlungsstandards anzubieten. Das bedeutet für Händler oft: etliche Verträge, zum Teil unterschiedliche Zahlungsterminals. Deshalb fordert Binnebößel einen zentralen europäischen Bezahlstandard auf Basis der SEPA-Überweisung, den auch alle Bezahlanbieter nutzen könnten und der auf einen Schlag eine breite Akzeptanz aller gängigen Bezahloptionen im stationären Handel möglich machen würde. Das Fehlen einheitlicher Standards stellt Händler auch vor Probleme bei der Authentisierung der Kunden beim Bezahlvorgang, die bisher in der Regel von den Banken durchgeführt wird. Das führt dazu, dass die Händler zunehmend die Kundenauthentifizierung selbst machen und sich so die Kontrolle über User Experience im Onlineshop zurückholen.

Zukunftsszenario digitales Bargeld?

Binnebößel wünscht sich eine Zahlart, die die Vorteile beider Welten kombiniert, etwa eine Art digitales Bargeld. Eine staatlich ausgegebene Kryptowährung wie die in Schweden kürzlich testweise eingeführte E-Krone sei eine Möglichkeit. Ansätze, die Bargeld und digitalen Handel verbinden, gibt es bereits seit Jahren: Mit Barzahlen.de, das kurz vor der Übernahme durch GLORY steht (einem japanischen Hersteller für Bargeld-Recyclingmaschinen, die u.a. bei Edeka eingesetzt werden), können Online-Rechnungen im stationären Handel bar bezahlt werden. Eines ist zumindest in Berlin sicher: Ohne Schmotte in der Potte geht’s (noch) nicht.

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Lesetipp

Im Whitepaper „Bargeld hat Zukunft“ zeigt unser Schwesterportal Location Insider gemeinsam mit GLORY, wie Händler das Bargeld-Handling digitalisieren können und welche Vorteile sich daraus ergeben. Denn kommen automatische Systeme fürs Cash Recyling zum Einsetzen, können Händler z.B. Cash-Back-Services einfacher realisieren, also die Bargeldabhebung direkt an der Supermarktkasse. Auch ergeben sich durch solche Systeme z.B. Vorteile in Bereichen wie Zahlungsgeschwindigkeit, Hygiene, Kassenabschluss und Werttransporte.

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