Das Ende der europäischen Roaming-Gebühren ist erst der Anfang: Auf dem Weg zu einem grenzenlosen Europa.

Von Felix Huber (Nordeuropachef von Stripe)

Der 15. Juni 2017 war ein wichtiges Datum für Europa: Die Abschaffung der internationalen Roaming-Gebühren ist für alle Europäer endgültig in Kraft getreten. Das sind gute Nachrichten für europäische Mobilfunknutzer, die ihre Smartphones nun uneingeschränkt und ohne versteckte Kosten unterwegs nutzen können. Gleichzeitig ist dies auch eine enorme Chance für europäische Digitalunternehmen, deren Spielfeld erheblich erweitert wird.

Lebensmittelpunkt Smartphone

Seit seiner Einführung vor zehn Jahren ist das Smartphone zu einem unverzichtbaren Element des Alltags geworden, egal ob für Kommunikation, Information, Transport, Essen, Reisen, Freizeit oder andere Dinge: Das Smartphone ist ein ständiger Begleiter geworden. Im Durchschnitt schaut der mobile Nutzer 200 Mal am Tag auf sein Smartphone und nutzt ein Dutzend Anwendungen, die ihm bei den unterschiedlichsten Tätigkeiten unterstützend zur Seite stehen.

Diese Routine wurde bisher gestört, sobald man die eigenen Landesgrenzen überquerte, da eine Internetverbindung bis dato nur gegen hohe Roaming-Gebühren verfügbar war. Die beliebtesten Mobilfunkdienste sind jedoch auf eine intakte Internetverbindung angewiesen und waren daher international nur gegen Gebühren verfügbar. Der Nutzer musste seine Internetnutzung den Gegebenheiten anpassen, um exorbitante Kosten zu vermeiden. Einen Hotspot oder ein Café mit kostenlosem Wlan in der Nähe zu finden, gehörte zu den selbstverständlichen Tätigkeiten eines jeden Reisenden.

Erster Schritt in die richtige Richtung

Mit dem 15. Juni wurde in Europa diese erhebliche Hürde für die Verbraucher erfreulicherweise aufgehoben. Aber auch wenn die Aufhebung der Roamingkosten der erste Schritt in die richtige Richtung war, gibt es noch viel Luft nach oben, was Nutzerfreundlichkeit und Nahtlosigkeit der Internetnutzung in Europa betrifft. Um sich in den europäischen Hauptstädten als Tourist bzw. Besucher zurechtfinden zu können, ist es noch immer notwendig, eine Vielzahl unterschiedlicher lokaler Apps mit Karten- oder standortbezogenen Diensten zu nutzen.

Bis Nutzer eine Anwendung nutzen können, bedarf es aber eines gewissen Aufwands: Die Reisenden müssen die App erst einmal herunterladen, sich ein Nutzerkonto erstellen und persönliche Informationen, oft einschließlich ihrer Bank- oder Kreditkartendaten, hinterlegen. Und all das ohne die Garantie zu haben, dass die Anwendung bzw. der Service auch wirklich zuverlässig ist und die Qualität hält, die sie verspricht.

Lösungsorientierte Startup-Welt

Einige europäische Startups haben dieses Problem erkannt und bieten ihren Kunden länderübergreifende Lösungen an. Unternehmen wie Deliveroo (Lieferservice), Drivy (Autovermietung), Nextbike (Fahrrad-Sharing) oder Musement (Buchung von kulturellen Aktivitäten) passen sich den Gewohnheiten ihrer Verbraucher an und bieten ihre Dienste auch auf Reisen an.

Ein Deutscher Tourist, der nach Madrid reist, wird nicht mehr als dreißig Sekunden benötigen, um mit seinem Smartphone Bocadillos über Deliveroo zu bestellen oder sich einen Seat Ibiza bei Drivy zu mieten. Das ist ein beachtlicher Schritt hin zu einem grenzenlosen Europa und ein Trend, der sich in den nächsten Jahren noch beschleunigen wird.

Lokalisierung als Herausforderung

Nicht nur für Startups, sondern auch für jedes etablierte Unternehmen in Europa ist die Anpassung seiner Dienste an die Anforderungen der Konsumenten in den unterschiedlichen EU-Ländern entscheidend. Das ist nicht immer einfach, aber eine notwendige Voraussetzung für Erfolg. Sprache ist hierbei natürlich ein entscheidendes Element: Schon kleine Übersetzungsfehler wirken hochgradig unprofessionell und können dramatische Auswirkungen auf den Erfolg haben.

Aber Lokalisierung bedeutet mehr als nur sprachliche Anpassung. Wer weiß zum Beispiel, dass Europa fast so viele unterschiedliche Zahlungsmethoden hat wie gesprochene Sprachen? Jedes Land hat beim Thema Online-Zahlungen unterschiedliche Anforderungen und kulturelle Besonderheiten. Die Holländer und die Deutschen nutzen die Kreditkarte beispielsweise eher selten bis gar nicht für Online-Einkäufe, sondern setzen auf Dienste wie iDEAL und SOFORT. Einen neuen Markt zu betreten, ohne entsprechende alternative Zahlungsmittel anzubieten, die kulturell fest verankert sind, kann die ganze Expansion in diesen Markt gefährden.

Für ambitionierte Unternehmen ist es daher notwendiger denn je, sich auch bei der Internationalisierung auf das zu konzentrieren, was sie einzigartig macht: User Experience, Design und Servicequalität – und zwar in allen Ländern gleichermaßen. Sich auf flexible Partner und internationale technologische Infrastruktur verlassen zu können, ist dafür ein entscheidender Faktor.

Der europäische Markt ist es wert: Mehr als 300 Millionen Europäer kaufen heutzutage online oder über das Smartphone – eine Zahl, die jedes Jahr noch deutlich ansteigt. Und das Potenzial bleibt weiterhin gigantisch: Laut einer aktuellen ARCEP-Studie macht der grenzüberschreitende Handel im Jahr 2017, 25 Jahre nach der Gründung des europäischen Binnenmarktes, nur 16 Prozent des E-Commerce in Europa aus.

Es ist an der Zeit, einen wahrhaft grenzenlosen europäischen Markt Wirklichkeit werden zu lassen. Technologie ist dafür ein entscheidender Treiber.

Über den Autor

Felix Huber leitet seit Mai 2014 die Region Nordeuropa bei der Technologieplattform Stripe. Zuvor war er als Engagement Manager bei McKinsey & Company tätig, wo er zahlreiche Projekte in den Bereichen Telekommunikation und Hightech betreute. Auch bei Google und fotocommunity, der führenden Plattform für Fotografie in Europa, machte er Station. Felix absolvierte ein Studium in Management Science & Engineering an der Stanford University, USA.

 

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