Eric Seufert ist einer der führenden User-Acquisition-Experten der Mobilbranche: Er weiß, wie man Downloads für eine App generiert und wie man diese monetarisiert. Er war bei großen Mobile-Games-Publishern wie Rovio („Angry Birds“) und Wooga („Jelly Splash“) für Marketing und Nutzergewinnung verantwortlich, hat über das „Freemium“-Geschäftsmodell ein viel beachtetes Buch geschrieben und betreibt den Blog MobileDevMemo. Zuletzt gründete Eric Seufert die Mobile-Marketing-Agentur Heracles sowie eine Plattform für User Acquisition Analytics namens Agamemnon, die zur Zeit noch in der geschlossenen Betaphase ist. Im Vorfeld des Online Marketing Rockstars Festivals in Hamburg, auf dem Eric Seufert am 3. März über das Business mit Apps spricht, haben wir mit ihm über die aktuellen Herausforderungen im App Marketing geredet.
(Please find an English version of the interview here!)
mobilbranche.de: Beim Online Marketing Rockstars Festival wirst Du über den Zustand der App-Ökonomie sprechen. Kannst Du uns einen kurzen Ausblick darauf geben?
Eric Seufert: Ich denke, Entwickler haben eine Menge Dinge, um optimistisch zu sein im Jahr 2017. Vor ein paar Wochen schrieb ich einen Blog-Post namens The Mobile Gold Rush is Not Over, in dem ich einige der aktuellen Mobile-Trends ausgeführt habe, die wirklich ermutigend sein sollten für Entwickler, auch für kleine Entwickler: Die im Mobile-Bereich erwirtschafteten Umsätze klettern weiter (der App Store hatte seinen besten Tag am 1. Januar dieses Jahres mit 240 Millionen Dollar in Transaktionen. Sein vorheriger bester Tag war nur rund einen Monat früher), Reise-Buchungen werden immer häufiger via Mobile getätigt, Mobile hat jedes Jahr einen größeren Anteil am Online-Handel etc.
Für Entwickler mit einem überzeugenden Produkt, einem hoch qualifizierten Team und einer Strategie, die einige der wichtigsten digitalen Verschiebungen ausnutzt, von denen Mobile profitiert (z. B. Werbedollar, die von TV auf Mobile Video wandern), ist 2017 eine sehr aufregende Zeit.
mobilbranche.de: Was ist der beste Weg, um eine App heute zu promoten, mit rund 2 Millionen konkurrierenden Apps auf dem Markt?
Eric Seufert: Der beste Weg ist die langweiligste Art: eine robuste Analyseinfrastruktur aufzubauen, um den ROI zu messen und dann mit vielen Kanälen zu experimentieren, bis ein Set erstellt wird, das die App auf Millionen von täglich aktiven Nutzern skalieren kann. Natürlich geht dies auch davon aus, dass die Produkt- und Marketingteams ihre Bemühungen koordinieren, um Produkte zu bauen, die die Menschen tatsächlich nutzen wollen und Geld ausgeben können.
Das ist wirklich wichtig, und ich denke, es ist ein Punkt, der von vielen mobilen Entwicklern verpasst wird: Sie bauen ein Produkt, übergeben es ans Marketing und arbeiten dann in einer widersprüchlichen Beziehung zueinander, so dass die App nicht skaliert werden kann. Apps können nicht im Vakuum erstellt werden; wie Du gesagt hast, gibt es so viele kostenlose Apps, die um Aufmerksamkeit in der App-Ökonomie konkurrieren, und die App-Entdeckung (Discovery) ist so kurzsichtig begrenzt, dass das „Marketing“ eigentlich noch vor der App-Entwicklung ansetzen müsste. Das Marketingteam muss verstehen, wer die wichtigsten Benutzer des Produkts sind, wie groß der Markt ist und wie viel die Zielgruppe an Geld bereit ist auszugeben, noch bevor das Entwicklerteam eine einzige Zeile Code verfasst.
Es gibt einen grundlegenden Unterschied in der Entdeckung (App Discovery) und dem Vertrieb von Produkten im Desktop-Web und in der App-Ökonomie, und viele Entwickler ignorieren diesen Unterschied. Denn Du musst eine App erstellen, die innerhalb der Discovery-Parameter der App-Ökonomie arbeitet, um erfolgreich zu sein; Du kannst Dich nicht in der gleichen Weise abhängig von Suchmaschinen oder der organischen Discovery machen wie für Desktop-Web-Produkte. Der App-Download und die App-Store-Trichter haben einen massiven Einfluss, wie Apps angenommen werden, und dies sorgt für große Unterschiede zwischen der Entwicklung und dem Marketing für Desktop-Web-Produkte gegenüber Apps.
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mobilbranche.de: Viele Publisher konzentrieren sich immer noch auf Mobile-Advertising-Kampagnen, um App-Nutzer zu gewinnen. Welche Rolle spielen andere Möglichkeiten der Vermarktung wie Influencer Marketing, TV oder Out of Home in der User Acquisition for Apps?
Eric Seufert: Out of Home-, TV- und Einfluß-Marketing-Kanäle gibt es schon immer für App-Entwickler – was sich verändert ist, dass diese Anbieter Wege finden, diese Kanäle in irgendeiner Form analytisch messbar machen, um sie wettbewerbsfähig mit Direct-Response-Anzeigen zu machen.
Als Marketer bin ich keinem Format oder Kampagnen-Mix gegenüber voreingenommen – wenn TV besser funktioniert als Direct Response, dann sei es so. Das Problem ist, dass die nicht direkten Antwortkanäle generell nicht zielgerichtet sind: Sie sind das Äquivalent von laufenden Kampagnen auf Facebook ohne Targeting. Es gibt keine Möglichkeit für die Verkäufer, die die meisten Non-Direct-Response-Werbe-Inventar verkaufen, um diese Kampagnen gegen eine Art von Erfolgsmetrik für Apps (wie Installationen oder App-Umsätze) zu optimieren. Für Direct-Response-Anzeigen kann ich aber die Werbenetzewerke mit In-App-Ereignissen anpingen, die dabei helfen, ihre Targeting-Parameter zu verbessern in Hinblick auf die Nutzer, die tatsächlich Geld ausgeben.
Das gleiche kann für Non-Direct-Response-Marketing getan werden, aber die Last liegt auf den Anbietern, um diese Funktionalität zu bauen. Manche tun das schon: Einige Unternehmen bauen wahrscheinlichkeitstheoretische Modelle, um ihre Kampagnen tatsächlich an Leistung zu binden, so dass diese Kampagnen dann wirklich optimiert werden können. Das ist eine positive Entwicklung, die ich in dieser Seite der Marketing-Landschaft sehe: Einige der Leute im nicht-direkten Bereich des Marketings erkennen, dass sie nicht mein Geld bekommen werden, wenn sie mir nicht etwas bieten, das auf Performance-Basis zumindest vergleichbar ist mit dem, was ich an Zahlen sehr leicht von den Direct-Response-Kanälen erhalten kann.
mobilbranche.de: Was ist die größte Herausforderung für App Publisher im Jahr 2017: Ist es noch User Acquisition? Oder ist es ASO oder Retention / Engagement? Oder noch etwas anderes?
Eric Seufert: Ich denke, es ist wahrscheinlich gutes Personal. Wenn ein Entwickler eine App hat, die funktioniert – das heißt, die App ist relevant und interessant für ein großes Publikum und monetarisiert effektiv – dann ist es nicht wirklich so schwer für Entwickler, hunderttausende von Dollar pro Monat in Direct-Response-Werbung zu stecken für diese App, dabei profitabel zu sein, und nur ein oder zwei Personen im User-Acquisition-Team zu haben.
Das Problem besteht darin, dass Skalierung über diese Schwelle hinaus – wir reden von etwa 500.000 Dollar pro Monat – sehr viel manuelle Anstrengungen erfordert, um Kampagnen ständig zu optimieren, neue Anzeigencreatives in den Umlauf zu bringen, neue Werbenetzwerke auszuprobieren und Reportings zu erstellen (Reporting, Reporting, Reporting, Reporting!). Die Tools, um eine Menge dieses Zeugs zu automatisieren, gibt es noch nicht, und so erfordert die Skalierung des Umsatzes auch die Skalierung der Mitarbeiterzahl. Und es ist ziemlich hart, Menschen mit Mobile-Marketing-Erfahrung zu finden, vor allem außerhalb der großen Tech-Hubs.
mobilbranche.de: Aufgrund des Booms von Chatbots, Sprachassistenten und Künstlicher Intelligenz sagen einige Professionals bereits, dass Apps bald tot sein werden. Was denkst Du?
Eric Seufert: Ich denke, diese Idee ist, ehrlich gesagt, lächerlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Apps nicht auch in den kommenden Jahren die häufigste Art sein werden, wie Menschen Inhalte konsumieren und mit ihren Smartphones interagieren. Ich bin nicht davon überzeugt, dass wir Leute sehen werden, die laut in der Öffentlichkeit in ihre Telefone sprechen, um Inhalte zu konsumieren.
Auch ist der Begriff „Künstliche Intelligenz“ mittlerweile bis zu dem Punkt abstrahiert worden, dass er bedeutungslos geworden ist. Künstliche Intelligenz bzw. Machine Learning – das heißt, algorithmisches Analysieren von Daten in einer Weise, die den Menschen nachahmt – kann genauso einfach in eine App als Sprachassistent integriert werden. Ich bin weiß echt nicht, warum jemand lieber in sein Telefon schreien würde, um ein nahe gelegenes Restaurant zu finden, das zu seinen Vorlieben und vergangenem Verhalten passt, als einfach auf dem Smartphone eine App anzutippen.
mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview, Eric, und viel Spaß beim Online Marketing Rockstars Festival!
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Eine Antwort zu “Interview: Eric Seufert über den Stand der App-Ökonomie 2017.”
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