Expertenumfrage: Wie funktioniert Mobile Marketing mit den neuen IDFA-Regeln?

Apple macht Ernst mit seiner Ankündigung, dass App-Anbieter bald eine explizite Einwilligung jedes einzelnen App-Nutzers zum Tracking einholen müssen. Erst danach können Daten in Verbindung mit der Werbe-ID IDFA erhoben und genutzt werden, was zuvor immer möglich war, solange sich der User nicht selbst in den Systemeinstellungen aktiv um das Opt-out gekümmert hat. Vor kurzem beleuchtete bei uns Pubmatic bereits im Partnerbeitrag die Frage: Ist die Branche bereit für die Zukunft nach IDFA? Nun haben wir weitere Stimmen dazu eingeholt, wie Mobile Marketing mit den neuen IDFA-Regeln funktionieren wird.

Ben Jeger, Managing Director – Central Europe bei AppsFlyer

Probabilistische Daten für die nächste Ära des Mobile Marketings

Die Veränderungen rund um die IDFA bringen neue Herausforderungen und Chancen für die gesamte Branche mit sich und wirken sich darauf aus, wie Marketers mobile Werbekampagnen genau messen und attribuieren. Infolgedessen werden sich Marketingverantwortliche anpassen und innovativ sein müssen, um zu gewährleisten, dass die eingesetzten Lösungen mit iOS und den Datenschutzanforderungen der Endnutzer konform sind. Auch wenn dies für Marketers auf den ersten Blick entmutigend erscheinen mag, so stehen die Veränderungen von Apple im Einklang mit einer Entwicklung, die den Datenschutz der Verbraucher in den Mittelpunkt rückt und zum Teil von Verordnungen wie der DSGVO in Europa und der CCPA in den USA befördert wird. Änderungen rund um den IDFA werden dazu beitragen, dass sich eine neue Denkweise durchsetzt: Aggregierte Daten müssen bevorzugt werden, wenn Daten auf Userebene nicht erforderlich oder ohne ausdrückliche Zustimmung des Nutzers nicht zulässig sind.

Eine kürzlich in Zusammenarbeit mit der Mobile Marketing Association weltweit durchgeführte Umfrage zu den Reaktionen auf die IDFA-Änderungen ergab, dass Marketingexperten übereinstimmend davon ausgehen, dass probabilistische Daten ein größeres Gewicht erhalten werden als Lösung für die nächste Ära des Mobile Marketings.

Mustafa Mussa, Geschäftsführer bam! interactive

Apple eliminiert die IDFA – neue Herausforderungen für eine valide Kampagnen-Aussteuerung

Valide Daten für eine vernünftige Aussteuerung unserer Kampagnen sind unerlässlich, um die Zielgruppe mit wenig Streuverlust begeistern zu können.

Optionen über Optin / Optout halte ich für richtig und wichtig – leider aber wird dies auf konventionelle non-incentive Wege nicht funktionieren. Wir sehen schon aktuell, wie gering die Akzeptanz im ganzen Land die Cookie-Einwilligung für personalisierte Daten ist. Daher werden wir in der Branche sicher technisch- und rechtlich einwandfreie Technologien etablieren, die mindestens der Targeting-Qualität von GAFA entspricht. Es keine Probleme nur Herausforderungen.

Francois Roloff, CEO Madvertise

Die IDFA und die Entwicklung des Mobile Marktes 2021

Mit dem angekündigten Tod der IDFA setzt Apple das gesamte Mobile-Marketing-Ökosystem unter Druck: Third-Party-Tracker treten aktuell in einem Wettlauf gegeneinander an, um ähnlich effiziente Lösungen wie die IDFA möglichst bald auf den Markt zu bringen und so den Ansprüchen ihrer werbetreibenden Kunden zu genügen. Wir dürfen gespannt sein, ob es zu einem Revival von Fingerprinting-Technologien kommt. DSPs müssen nun schauen, dass ihre Algorithmen soweit optimiert sind, damit sie auch ohne Device IDs bzw. Netzwerk IDs das am besten für sie funktionierende Inventar identifizieren und darauf bieten können. Vermutlich wird Google zunächst als großer Profiteur hervorgehen, zumindest für die Dauer, in der weder eine Alternative bei Apple verfügbar ist, noch Google seinen eigenen Identifier GAID ebenfalls aus dem Spiel nimmt. Für Publisher heißt es kreativ zu werden und Nutzer zum aktiven Opt-In zu ermutigen. Freigegebene, personalisierte Daten wie Alter, Geschlecht und Standort werden zukünftig das verfügbare Werbeinventar, speziell für den programmatischen Handel von Werbeplätzen, aufwerten. Fakt ist: Je mehr Daten ein Publisher übergibt, desto eher können die DMPs der Marktakteure zuverlässige Audience Segmente und Targeting Segmentierungen in der Post-IDFA Ära aufbauen. Die genaue Angabe dieser Informationen in den AdRequests macht das verfügbare Inventar auch ohne die IDFA attraktiver.

Matthias Postel, CEO von iCompetence

2021 werden Daten kostbar(er)

2021 wird für das Mobile Marketing radikale Einschnitte bringen. Anfang des Jahres erwarten wir das Ende des einfachen Multichanneltrackings über iPhones, denn mit den Änderungen der App-Einstellungen durch Apple und der Notwendigkeit der User-Zustimmung für das App-Tracking werden auf fast zwanzig Prozent der mobilen Endgeräte – dem aktuellen Anteil der Apple-Endgeräte auf dem Mobilfunkmarkt – Kunden in Zukunft das Senden der IDFA in der Regel ablehnen.

Marketeers müssen sich nach zusätzlichen Identifikationsparametern umsehen. Deshalb wird semantisches / kontextuelles Targeting aktuell viel diskutiert, aber der Pragmatismus wird viele Analysten zunächst zum prognostischen Targeting führen. Schließlich verwenden achtzig Prozent der Nutzer andere Fabrikate und sind daher von den Einschränkungen aktuell noch (!) nicht betroffen. Sorgfältig angelegt kann aus diesen Daten Rückschlüsse auf die unsichtbaren Apple-Kunden gezogen werden. Jeder Datensatz zählt und wird 2021 zum kostbaren Gut.
Langfristig muss die Branche noch kreativer werden, wenn weitere Hersteller mit Apple gleichziehen. Dann muss vielleicht über eine Einwilligungs-Allianz nachgedacht werden: Offline sind viele User bereit, komplexe Daten für Belohnungssysteme wie Payback zur Verfügung zu stellen. Warum nicht User mit Gutscheinen für Ihre Daten belohnen?

Eugen Martin, VP Strategy bei Remerge

Die Post-IDFA-Ära birgt für innovationsfreudige Marktteilnehmer gewaltige Chancen

Nahezu das gesamte App-Ökosystem nutzt bisher die IDFA, um Marketers beim Wachstum ihres App-Businesses durch mobile Werbung zu unterstützen. Ein IDFA-basierter Werbemechanismus übertraf fast immer einen Nicht-IDFA-Ansatz – es machte also für den Markt bis dato keinen Sinn, Tools zu entwickeln, die sich nicht auf die IDFA stützen. Ohne IDFA als Input für die Optimierung des ROI der Werbetreibenden muss das gesamte Ökosystem diesen Ansatz überdenken. Wie wird sich dies auf unsere Branche auswirken, welche Konsequenzen ziehen Ad Networks, DSPs, Attribution Provider und andere Player? Ich bin davon überzeugt, dass es schon immer ein Trugschluss war, die Reichweite und den Erfolg von Kampagnen allein anhand von einfacher ID-basierter Attribution zu messen. Statt die Apokalypse auszurufen sollten wir Apples Schritt als Chance begreifen, denn Datenschutz fördert Innovation. Ohne IDFA-basierte Daten können sich Werbetreibende nicht länger auf branchenübliche Lösungen verlassen. Neue Modelle, die der Last-Click-Attribution folgen, werden in der Post-IDFA Ära aufgrund der künftigen Beschränkungen ungenauer sein. Die Innovationen bei der Datenerhebung müssen jetzt auf der Prioritätenliste von Nice-to-have zum Must-have aufsteigen – und wer die innovativste Lösung anbieten kann, ist gefragt am Markt. Angesichts der Limitierung von Apples SKAdNetwork, Attribution auf wiederkehrende User anzuwenden und stattdessen nur neue Installs messbar macht, sind wissenschaftliche Lösungen essentiell, die mehr Transparenz liefern können. Werbetreibende brauchen auch weiterhin ein klares Bild ihres ROI: Für das kommende Jahr werden Incrementality-Tests an enormer Bedeutung gewinnen, da sie die Performance-Messung in der Post-IDFA-Ära auf das nächste Level heben.

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