Technologischer Fortschritt und ethische Fragen: Virtuelle Influencer erobern die Werbewelt

Collage mit den virtuellen Instagram-Models Shudu Gram und Noonoouri

Noonoouri ist 19 Jahre alt, kommt aus München und hat auf Instagram 412.000 Follower. Sie ist Influencerin, arbeitet mit Gucci und Versace zusammen, äußert sich zum Krieg in Israel und trällert auf youtube mit „Alle Farben“ den Hit Dominoes. So weit, so schön, nur – Noonoouri gibt es nicht wirklich. Sie ist eine von vielen aufstrebenden Virtuellen Influencern (VI). Seit Jahren gibt es virtuelle Figuren, aber die technischen Möglichkeiten sind inzwischen ganz andere geworden – Midjourney & Co. lassen grüßen.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und generierten Bildern ermöglicht die Schaffung von Influencern, die über Profile bei Instagram, Twitter, TikTok, Twitch und YouTube verfügen und Tausende von Followern ansprechen. Die Qualität und Verfügbarkeit generierter Bilder haben ein Phänomen geschaffen, bei dem die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen.

VI Model Kyra auf Instagram macht Werbung für ein realme-Smartphone

Die Virtuellen Influencer von heute unterscheiden sich von früheren Versuchen durch ihre perfekte Integration in die Ästhetik der Social-Media-Welt, wie Netzpolitik.org feststellt. Die Trainingsdaten der Bildgeneratoren spiegeln die Gleichförmigkeit der Instagram-Ästhetik wider.

Mittlerweile gibt es VIs weltweit. Shudu Gram zum Beispiel bezeichnet sich als „The World’s First Digital Supermodel“ und hatte in den australischen und arabischen Ausgaben der Vogue bereits eigene Fotostrecken. Anders als die meisten VIs sieht sie am ehesten wie ein Mensch aus und ist nicht gleich als virtuelle Komposition zu erkennen.

Kyra, Shudu und Noonoouri zeigen, dass virtuelle Persönlichkeiten reales Geld durch Werbung generieren können. Die Werbebranche freut es jedenfalls und sieht in diesem Trend eine Chance mit zweistelligen jährlichen Wachstumsraten.

Auch virtuell heißt es: Sex sells

Homepage von VI Model Milla Sofia (Screenshot)

Sagen wir mal vorsichtig „Erotik“ oder auch einfach nur viel Haut, hilft auch bei den VIs, mehr Aufmerksamkeit und mehr Umsatz zu erzeugen. Die VI-Models Milla Sofia und Natalia Novak etwa poussieren recht freizügig auf ihren Accounts. Natalia bietet gegen Geld auf ihrem Patreon-Account sogar an, die Hüllen gänzlich fallen zu lassen. Den männlichen Fans scheint es dabei egal zu sein, dass sie kein echter Mensch ist. In den Kommentarspalten überschütten sie ihren Schwarm mit Komplimenten. Realität und virtuelle Welt vermischen sich.

Netzpolitig.org sieht die Gefahr, dass die Trennschärfe zwischen Realität und Fiktion immer kleiner wird. Und es ist kein großer Schritt mehr von der Deepfake-Porno-Szene mit gefakten Promigesichtern in Pornovideos bis hin zu 100-Prozent virtuellen Pornostars, die täuschend echt aussehen.

Ein bisschen ist es wie bei den Anfängen des Internets: es herrscht Wild-West-Stimmung und irgendwie scheint alles möglich zu sein. Die Frage nach der Verantwortung, Moral oder Ethik wird vermutlich ähnlich ausgehen, denn es gibt so gut wie keine weltweiten Regulierungsmöglichkeiten jenseits der Strafgesetzbücher eines jeden Landes. Vermutlich werden sich auch im Bereich der VI die Maßnahmen auf Selbstverpflichtungen der großen Player beschränken.

Vielleicht ist es ja auch ein Vorteil, wenn Pornos in Zukunft nicht mehr mit echten Menschen gedreht werden. Schließlich soll es ja ein harter Job sein und die Frage nach Menschenwürde und Moral stellt sich seit jeher. Und ist es am Ende nicht auch egal, ob in der Werbung ein VI oder ein echter Mensch ein Smartphone, ein Putzmittel oder was auch immer empfiehlt? Denn „echt“ ist die Werbung mit dem Schauspieler oder Promi ja nun auch nicht.

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