Das Zeitalter der Privatsphäre: Herausforderungen und Chancen für Mobile Attribution.

Von Ben Jeger (AppsFlyer)

Mobile Attribution im Zeitalter des Datenschutzes ist die Kunst, aus fragmentierten und begrenzten Daten ein vollständiges Bild der Customer Journey zu generieren. Nur so können Werbetreibende wissen, welche Mobile-Web-Kampagnen funktionieren und welche nicht. Damit das gelingt, müssen App Marketers innovativ sein. Aber: Es gibt bereits einige Lösungen, die dabei helfen können, die entstehenden Datenlücken zu schließen.

Apples Ankündigung, mit dem Launch von iOS 14 App Tracking Transparancy (ATT) zu implementieren, hat die Werbebranche final wachgerüttelt. Dabei ist Apples Vorhaben die logische Konsequenz einer jahrelangen Entwicklung zu mehr Datenschutz. Bereits 2012 ersetzte das Unternehmen erstmals seinen Unique Device Identifier (UDID) durch die ID for Apple (IDFA). Vier Jahre später wurde das Limited Ad Tracking (LAT) eingeführt, das Apple-Nutzern die Freiheit gab, die Messung auf ihren Geräten auszuschalten. Bis Anfang 2021 hatten schon 30 Prozent von dieser Option Gebrauch gemacht. 2018 wurde der Verbraucherschutz auch gesetzlich reguliert: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der California Consumer Privacy Act (CCPA) sollen den Schutz von Nutzerdaten und persönlichen Informationen sicherstellen. Und seit vergangenem Frühjahr verabschiedet sich Google sukzessive und ersatzlos von Cookies.

Aber erst mit Apples Ankündigung von ATT und den Updates für SKAdNetwork wird sich die mobile Attribution wirklich verändern. Denn künftig wird der Zugriff auf den Identifier for Advertisers (IDFA) für Apps aus dem Store bei Apple-Produkten deaktiviert sein und muss vom Nutzer proaktiv eingeschaltet werden. Prognosen gehen davon aus, dass maximal 20 Prozent der iOS-Nutzer einen solchen Opt-in durchführen werden. Das Problem: App Marketing wird deutlich komplizierter, weil IDFA seit seiner Einführung 2012 der Industrie-Standard zur Messung von entsprechenden Kampagnen war. App Marketers müssen sich deshalb umstellen und auf aggregierte Messungen wie SKAdNetwork und zusätzliche Tools ausweichen.

Koexistenz verschiedener Messmethoden

App Marketers bieten sich verschiedene Möglichkeiten, auch weiterhin ihre Marketingaktivitäten zu messen. Zum einen gibt es die deterministische Attribution auf Benutzerebene: Mehrere Identifikatoren, darunter Geräte-IDs (Apples IDFA, sofern eingeschaltet, und Googles GAID), Google Play Referrer und Kundenidentifikatoren (z. B. gehashte E-Mail-Adressen, Kundenkartennummern) helfen, Nutzer genau zu erkennen und ihre Aktivitäten zu ermitteln, beispielsweise den Klick auf eine Anzeige, eine Installation oder ein In-App-Ereignis.

Zum anderen gibt es das datenschutzfreundliche Framework SKAdNetwork. Der deterministische Attributionsmechanismus von Apple zielt darauf ab, App-Installationen und Kampagnenleistung aggregiert und ohne Daten auf Benutzerebene zu messen. Durch die Verwendung eines 6-Bit-Systems, das eine Einstufung der Nutzer mit einem „Conversion Value” zwischen Null und 63 ermöglicht, erhalten Werbetreibende einen gewissen Einblick in die Qualität der Nutzer, die sie konvertieren.

Einschränkungen in SKAdNetwork

Das Problem bei SKAdNetwork: Verschiedene Einschränkungen reduzieren die Granularität der Daten zu sehr, um fundierte Marketing-Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise werden Postbacks verzögert und anonymisiert, sodass es für Werbetreibende unmöglich ist, App-Nutzer gezielt anzusprechen.


Zudem verfügt SKAdNetwork über einen 24-Stunden-Timer-Mechanismus, der in der Regel mit dem ersten Aufruf der SK-Funktion beginnt. Läuft dieser Timer ab, wird das Postback an die Netzwerke gesendet. Werbetreibende benötigen aber in der Regel mehr als 24 Stunden, um die Benutzeraktivität nach der Installation zu verstehen und daraus den Wert der User abzuleiten. Zwar gibt es Workarounds, wie z. B. Timer-Erweiterungen, aber auch diese gehen mit Einschränkungen einher. Damit befinden sich App-Vermarkter in einem Dilemma: Wenn sie das Timer-Limit auf 24 Stunden beschränken, verlieren sie potenziell wertvolle Post-Installationsdaten. Verlängern sie jedoch den Timer, verlieren sie ihre Reaktionsfähigkeit und schränken ihre Möglichkeiten ein, Kampagnen effektiv zu optimieren.

Wege in die Zukunft

Es gibt aber bereits einige Lösungen, die App Marketers helfen, die entstehenden Datenlücken zu schließen und das Dilemma aufzulösen:

Inkrementalität
Im SKAdNetwork beispielsweise kann Inkrementalität helfen, die Datenlücke zu füllen und den Erfolg einer Kampagne zu bestätigen, indem sie eine wichtige zusätzliche Informationsebene liefert. Ein Kontroll- und Testmechanismus unterstützt App Marketers dabei zu erkennen, welche Kohorte von Nutzern ohne Marketingmaßnahmen nicht konvertiert hätte.

First-Party-Daten
Die Nutzung von First-Party-Daten ist auch unter den neuen Datenschutzbestimmungen von Apple erlaubt, sofern sie transparent und mit voller Zustimmung des Nutzers erfolgt. Diese Daten werden in Zukunft umso bedeutsamer für Marketers und sind eine wichtige Quelle für eine direkte Kundenbindung. Zum Beispiel könnte eine Liefer-App eine Push-Benachrichtigung mit Vorschlägen oder Werbeaktionen für das Abendessen senden, die auf früheren Bestellungen basieren.

Maschinelles Lernen und Predictive Analytics
Durch den Einsatz von Algorithmen des maschinellen Lernens sind digitale Vermarkter in der Lage, Trends und Nutzerverhalten zu verstehen und damit Vorhersagen zu treffen, wie wertvoll ein Nutzer im Laufe der Zeit werden könnte. Da SKAdNetwork die Datenmengen begrenzt, haben Vermarkter nicht den Faktor Zeit auf ihrer Seite, um die Wirksamkeit einer Kampagne zu bewerten. Wer den Erfolg einer Kampagne frühzeitig vorhersagen und entsprechend optimieren kann, ist also entscheidend im Vorteil.

Web-zu-App-Flows
Web-zu-App-Flows führen den Nutzer von einer Webseite zu einer entsprechenden App. Das mobile Web ist ein wichtiger erster Touchpoint, wenn potenzielle Kunden über eine Marke recherchieren und erfahren, was diese ihnen bieten kann. Die Möglichkeit, diesen Touchpoint zu nutzen und Nutzer zu einer App zu leiten, hilft dabei, ein positives und einfaches Onboarding-Erlebnis für App-Nutzer zu schaffen. Für die Messungen bei Web-zu-App-Flows ist die IDFA irrelevant – das gilt sowohl für Paid-Kanäle als auch für eigene Websites. Aus diesem Grund können sie im Marketing an Bedeutung gewinnen.

Fazit

Die Entwicklung zu mehr Datenschutz ist weder neu noch überraschend. Aber erst durch Apples Ankündigung von ATT und den Updates für SKAdNetwork ändert sich die mobile Attribution tatsächlich. App Marketing im Zeitalter des Datenschutzes wird damit komplizierter und anspruchsvoller. App Marketer müssen innovativ werden, um Nutzer zum Opt-in zu bewegen. Aber: Alternative Messlösungen, die ein ganzheitliches Bild bieten, gibt es bereits heute.

Über den Autor:

Ben Jeger leitet seit 2016 als Managing Director die DACH-Geschäfte von AppsFlyer. Vom Standort Berlin erschließt er mit seinem Team zudem die nordeuropäischen Märkte für die Plattform für Attribution mobiler Werbung und Marketing-Analytics.

AppsFlyer befähigt Marketer auf Basis von aussagekräftigen Messungen und Analyselösungen, ihr Mobilgeschäft auszubauen und innovativer zu sein. Jeger studierte European Business Management an der Universität Manchester und stieg dann bei D&P Data Systems in die IT-Branche ein. Mit seinem Wechsel zu Fyber im Jahr 2011 spezialisierte er sich auf Mobile Marketing und Ad Tech. Er ist zudem Executive Committee Member bei der Mobile Marketing Association (MMA) Germany.

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