Mit Smartphone-Tracking gegen Covid-19.

In China und Südkorea wurden Smartphones und Apps dazu eingesetzt, mit Covid-19 infizierte Personen zu überwachen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat Anfang des Monats die Idee laut ausgesprochen und bekam ein geteiltes Echo als Antwort. Öffnet die aktuelle Lage gerade Tür und Tor zum „Überwachungsstaat“ und sollte der Datenschutz hinten anstehen oder geht auch beides? Würde das wirklich etwas bringen? Immerhin wurde gerade in Bayern der Katastrophenfall ausgerufen.

Auch in den USA gibt es Überlegungen, dass Smartphone-Tracking zur Corona-Bekämpfung einzusetzen. Die Entwickler der App „FluPhone“, Jon Crowcroft und Eiko Yoneki, glauben, dass eine App wie die ihre dazu beitragen könnte, das Coronavirus zu bekämpfen. Im Jahr 2011 entwickelten die beiden Wissenschaftler der Universität Cambridge in Großbritannien eine Methode zur Messung der Ausbreitung der Grippe und bauten eine App, die per Bluetooth und anderer drahtloser Signale ein Treffen zwischen Menschen registriert und die Nutzer aufforderte, grippeähnliche Symptome zu melden. Erkrankt zum Beispiel der Partner eines Geschäftsessens, wird man durch die App darüber im Nachhinein informiert. Trotz Berichterstattung bei der BBC meldeten sich allerdings weniger als ein Prozent der Cambridger bei der App an. Crowcroft ist nach wie vor vom Ansatz der App überzeugt: „Die Gesundheitsbehörden könnten damit anonymisierte Kartendaten einpflegen, was dazu beitragen könnte, die Übertragung zu reduzieren.“ Die App würde den Forschern auch dabei helfen zu erfahren, wie lange das Virus auf einer Oberfläche überlebt, welcher Anteil der Bevölkerung asymptomatische Träger sind und wo man kritische medizinische Ressourcen ins Visier nehmen sollte.

Ein offener Brief, der am Dienstag von mehreren Dutzend prominenter Technologen, Führungskräften und Medizinern unterzeichnet wurde, forderte die Technologiebranche auf, mehr gegen das Coronavirus zu tun. Unter anderem empfahl die Gruppe, dass Apple und Google ihre Smartphone-Software aktualisieren sollte, um die Verfolgung von Kontakten zwischen Personen zu ermöglichen, sofern die Nutzer ihre Erlaubnis dazu erteilen. Beide Unternehmen haben bisher nicht darauf reagiert.

„Da hilft das Handy-Tracking nicht“

Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte Gérard Krause, der am Helmholtzzentrum für Infektionsforschung die Abteilung Epidemiologie leitet, dass Handy-Tracking nicht helfen wird. Er sieht durchaus die Gefahr zu hoher Erwartungen und unerwünschte Nebenwirkungen. Auch die Nützlichkeit stellt er in Frage, weil alleine eine räumliche Ortung noch keine Aussage darüber treffen könne, ob jemand betroffen ist oder nicht. Das Infektionsrisiko lässt sich nicht in Metern messen, sondern andere Faktoren wie enge Kontakte, Schmierinfektionen etc. seien entscheidend. Außerdem würde man auch erhebliche Ressourcen in Form von Personal, Zeit und Geld investieren müssen, die an anderer Stelle wieder fehlten. Und letztlich steht halt die Frage im Raum, ob man, nur weil etwas technisch möglich ist, dafür hart erkämpfte Bürgerrechte wie den Datenschutz über Bord werfen sollte.

In Shenzhen mit WeChat-Tracking gegen das Virus

Die 13-Millionen-Metropole Shenzhen gilt als Chinas innovativste Stadt und war bisher vor allem als Heimat der Produktpiraterie bekannt. 97 Prozent der Bewohner sind aus allen Teilen des Landes zugezogen, ein echter Melting Pot. Im aktuellen Zeit-Wissen-Podcast erzählt ein Medizinstudent, wie dort Smartphones im Rahmen der Covid-19-Bekämpfung eingesetzt wurden. Als täglich 20 bis 60 neue Fälle in der Stadt registriert wurden, ging auch er ins Homeoffice. Eine Ausgangssperre gab es nicht, aber wer seine Wohnung verlies, musste eine Atemschutzmaske tragen. An jedem Bus, jeder U-Bahn und jedem Gebäude gab es zudem einen QR-Code, der mit einer kleinen App, die mit dem Messenger WeChat zusammenarbeitet, gescannt wird. Die App weiß damit wo man wohnt und arbeitet und kann so auch die zurückgelegten Wege durch die Stadt verfolgen. Die Folge: saß man zum Beispiel in einem Bus, in dem auch ein Corona-Infizierter saß, wurde man per WeChat darüber informiert und musste 14 Tage zuhause in Quarantäne bleiben. Das wurde wohl auch sporadisch durch Behörden überprüft, aber vor allem achtete die Gesellschaft insgesamt, also auch Nachbarn und Kollegen, darauf, dass man sich an die verhängten Regeln hielt. Fraglich, ob dies zum Beispiel auch in Deutschland passieren würde.

Inzwischen gibt es in Shenzhen nur noch drei Neuinfizierte pro Tag, womit am Ende auch aus staatlicher Sicht das Smartphone-Tracking gerechtfertigt erscheint.

Bleibt am Ende die Frage, ob dies eventuell auch in Deutschland möglich wäre. Sicherlich ist es für die Politik im Moment nicht leicht auf Maßnahmen zu verzichten, die nach Meinung einiger Experten hilfreich wären. Die von anderen vorgetragenen  und nachvollziehbaren Zweifel an der Wirksamkeit wiegen aber ebenfalls schwer und müssen in die Erwägungen einbezogen werden. In einem Wertesystem wie unseren bleibt zudem abzuwägen, ob eventuelle kurzfristige Erfolge in einer Krise nicht langfristig größere Schäden anrichten, etwa durch erhebliche Eingriffe in die Freiheitsrechte. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat dazu erklärt, dass der Datenschutz der Infektionsbekämpfung nicht im Weg steht, solange die Maßnahmen verhältnismäßig sind. Dazu gehört eine wo auch immer mögliche anonymisierte Datenerhebung.

 

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Eine Antwort zu “Mit Smartphone-Tracking gegen Covid-19.”

  1. Lieber auf dem Radar der Behörden und „Alive“ als anonym und tot !!
    Also , wo gibts die Blutooth App ? Endlich her damit und wer sich verfolgt vorkommt, den sollte man direkt auf seiner Toilette einsperren! Wann lernen die Verweigerer endlich, dass die Interessen von Einzelnen zu denen der Menschheit zurückstehen müssen ( Zitat Leonhardt Nimoy, alias Mr. Spock in „Star Treck 3“ und der Typ wusste Alles !).

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