Interview: Robert Wildner über alternative App Stores und OEM-Kampagnen in der User Acquisition.

Prominente Publisher wehren sich immer stärker gegen Provisionen und Zahlungssysteme von Apple und Google, wie z.B. Epic Games, die Match Group oder Spotify. Was bedeutet das für die App-Wirtschaft? Und welche Rolle kommt alternativen App Stores anderer Betreiber zu? Darüber haben wir mit Robert Wildner gesprochen. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Berliner Firma AVOW, die sich auf die App-Vermarktung in alternativen App Stores und in den Werbenetzwerken von Smartphone-Herstellern (OEMs) spezialisiert hat. Interessant: Das Thema spielt in Europa bislang noch eine untergeordnete Rolle, ist aber für den App-Erfolg in Ländern wie Indien, Indonesien, Philippinen, Malaysia und Thailand absolut wichtig.

mobilbranche.de: Ihre Firma AVOW hat sich auf alternative App Stores spezialisiert. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

Robert Wildner: Als junges Unternehmen, das sich auf internationale Sales und Services im Bereich mobile User Acquisition spezialisiert hatte, wussten wir von Anfang an, dass wir eine USP brauchen, um uns nachhaltig am Markt zu etablieren.

Als im Mai 2019 Donald Trump das Huawei-Dekret erließ und es zu einem zwanghaften Bruch mit Google kam, war klar, dass Huawei sein eigenes App Ecosystem aufbauen musste und entsprechend Hilfe brauchte Entwickler zu überzeugen, ihre Apps auf AppGallery zur Verfügung zu stellen. Allerdings starten wir erst jetzt mit Huawei durch, da natürlich viel im Adtech-Bereich erst entwickelt werden musste, aber wir haben in der Zwischenzeit bei den anderen OEMs angefragt (Xiaomi, OPPO, Vivo) und auch relativ schnell Umsätze erzielen können. Diese hatten natürlich nicht den harten Bruch mit Google, so war es einfacher für Entwickler auf den entsprechenden Stores Reichweite zu bekommen.

mobilbranche.de: In welchen Weltregionen sind alternative App Stores eigentlich relevant? In Deutschland wohl eher weniger, aber dafür anderswo stärker?

Robert Wildner: Südostasien ist naturgemäß näher an China und lag entsprechend schnell im Fokus chinesischer Mobiltelefonhersteller. Sprich: Indien, Indonesien, Philippinen, Malaysia und Thailand sind die 5 großen Märkte auf denen OEMs relativ schnell Stores eröffnet haben. Xiaomi, die bis dato nur in Indien, Indonesien und Russland GetApps gelaunched haben, expandieren auch aktuell in alle anderen südostasiatischen Märkte.

Xiaomi hatte bereits vor Jahren GetApps auch in Spanien gestartet, aber dies aus kommerziellen Gründen wieder eingestellet. Aus OEM-Sicht ist das Betreiben eines Marktplatzes vor allem eine wirtschaftliche Frage und braucht Fokus, damit es funktioniert. Entsprechend war Huaweis Projekt, AppGallery weltweit in relativ kurzer Zeit aus dem Boden zu stampfen, schon eine Herkulessaufgabe, die mittlerweile ganz gut umgesetzt werden konnten.

Aber die OEM-eigenen Markplätze sind ja nicht die einzigen Möglichkeiten für Entwickler Reichweite zu bekommen. OEMs liefern ihre Telefone ja mit Native Apps aus, wie den File Manager, Browser, Search oder im Launcher implementierte Werbeformate (-1 Screen). Diese Werbeflächen sind unabhängig von dem Roll Out der eigenen Marktplätze in den Ländern zugänglich.

mobilbranche.de: Für welche App-Macher sind alternative App Stores besonders spannend?

Robert Wildner: Grundsätzlich gibt es keine Kategorie, die sich besonders gut oder schlecht eignet. Im Allgemeinen kann man sagen, dass Entwickler, die auf verschiedenen Markplätzen unterwegs sind, einfach ihre Chancen erhöhen ggf. von den entsprechenden Redaktionen gefeatured zu werden (Organic downloads) oder ihr Risiko minimiren von Google aus dem Store geschmissen zu werden.

Im Zusammenhang mit bezahlten Werbekampagnen buchen wir gerne Kunden ein, die für spezielle Events extra Aufmerksamkeit erregen wollen. Z.B. haben wir kürzlich zur Einführung von K.G.F. Chapter 2 (dem neuen Blockbuster in Indien) auf Amazon Prime Road Blocks auf allen OEMs gebucht, um sicherzustellen, dass es zum Release genügend Aufmerkasmkeit gibt.

mobilbranche.de: Können Sie konkrekte Erfolgsbeispiele nennen von Publishern, die besonders von alternativen App Stores profitieren?

Robert Wildner: Byjus (Lern-App Indien), Kumu (Social-App Philippinen) aber auch Joom (eCommerce ganz Europa) liefern wir in der Regel mehr als 100k neue potentielle Kunden (AppInstalls) pro Monat.

mobilbranche.de: Was sind die Hürden, um alternative App Stores zu benutzen?

Robert Wildner: Eine der größten Hürden für Entwickler ist die vermeintliche Komplexität, Informationsbeschaffung über die Anforderung der verschiedenen Stores und der damit verbundenen Ressourcen. Jetzt lässt sich Huawei nicht mit OPPO, Vivo und Xiaomi aufgrund des US Dekrets/Google block vergleichen, insofern muss man differenziert betrachten, welches das Ziel des Entwicklers ist.

Aber ja, wenn man auf allen Stores unterwegs sein möchte (ohne z.B. unsere Expertise), muss man sich entsprechend mit allen Plattformen vertraut machen und die Zeit investieren.

Es gab Anfang 2020 die Initiative Global Developer Service Alliance (GDSA) der vier großen Chinesischen OEM (Xiaomi, OPPO (realme/oneplus) Vivo und Huawei eine Plattform zu entwickeln, über die Entwickler einfach auf allen Stores gleichzeitig publishen können, aber die ist im Sand verlaufen.

mobilbranche.de: Ist man bei alternativen App Stores nicht auch wieder den Bedingungen der Betreiber ausgeliefert?

Robert Wildner: Vollkommen richtig. OEMs sind keine Charity-Unternehmen, sie verfolgen auch ein wirtschaftliches Interesse. Die Frage aus meiner Sicht, ist die der Risiko-Diversifizierung. Aus Entwicklersicht ist mein ganzes Geschäftsmodell in Gefahr, wenn Google Play den Daumen senkt und dich aus dem Store schmeißt. Hier breiter aufgestellt zu sein, ist sicherlich ratsam.

Darüber hinaus sind Preisabsprachen zwischen mehreren Teilnehmener in einem eher geöffneten Wettbewerb immer schwieriger als das, was wir gerade sehen bezüglich Apple und Google

mobilbranche.de: Welche Relevanz haben bei alternativen App Stores Dinge wie App-Vorinstallationen auf neuen Smartphones oder App-Werbekampagnen?

Robert Wildner: Für uns als Agentur, die auf „Mobile OEM on-device user acquisition“ spezialisiert ist, sind Werbekampagnen natürlich unser Hauptanliegen. OEMs verfolgen natürlich monetäre Ziele mit der Einführung von alternativen Appstores und den Aufbau von Adtech. Wir sehen, dass mittlerweile alle chinesischen OEMs (und auch Samsung) im Bereicht Adtech investieren, um mittelfristig zu den etablierten Werbeplattformen von Google, Facebook etc. in Konkurrenz zu treten.

Dabei spielen in Appstore-Platzierungen (Südostasien), In-App Advertising (weltweit) aber auch Preload-Kampagnen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht neue Zielgruppen anzusprechen und Wachstum zu generieren.

mobilbranche.de: Aktuell baut Russland einen alternativen App Store auf, nachdem es im Zuge des Ukraine-Kriegs zu Sanktionen gekommen ist und bei Google Play keine kostenpflichtigen Apps mehr erhältlich sind. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Robert Wildner: Ich denke, das kann man von zwei Seiten betrachten. Durch das bestehende Duopol (Apple/Google) greifen Sanktionsmechanismen unmittelbar. Insofern man ein Freund dieser Sanktionen ist, könnte man dem Duopol entsprechend Gutes abgewinnen. Aus Sicht der russischen Appentwickler ist dieser Schritt natürlich katastrophal und ein eigener Russischer Markplatz natürlich überlebenswichtig. Ich bezweifle allerdings, dass ein Staat im Allgemeinen die richtige Adresse ist, ein „innovatives“ Projekt in kurzer Zeit aus dem Boden zu stampfen.

Wir haben jetzt schon beobachtet, dass sich viele russische App-Entwickler international umorientiert haben. Entsprechend wird sich das lokale App-Angebot in Russland auf absehbare Zeit nur schwer von diesem Schritt erholen können. Für den Fall, dass die Sanktionen langfristig weiter aufrecht erhalten werden, steigert das natürlich die Komplexität für internationale Entwickler einen weiteren AppStore zu bespielen, und sie werden diesen Schritt wahrscheinlich eher nicht gehen.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

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