Wenige Tage bevor die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland beginnt, haben wir uns mit Andreas Westhoff getroffen. Der CEO von Smart Mobile Labs gab uns Einblicke in die moderne Möglichkeit der Many-to-many-Echtzeitübertragung bei Sport-Events. Dabei kann der Nutzer über eine App jederzeit selbst entscheiden, welche Perspektive er verfolgen möchte.
„Eigenregie und individualisiertes Erleben stehen im Vordergrund.“
mobilbranche.de: Seit Jahrzehnten schauen Menschen auf der ganzen Welt die Fußball-Weltmeisterschaften. Die meisten verfolgen die Spiele im Fernsehen oder live im Stadion. Entspricht die Art, wie wir Fußball schauen noch dem (mobilen) Zeitgeist?
Andreas Westhoff: Technologie hat so viele Dinge in unserem Alltag verändert. Unsere Möglichkeiten, uns selbst die täglichen Routinen zu erleichtern und Dinge nach unserem eigenen Bedarf anzupassen, wachsen kontinuierlich. Das gilt neben alltäglichen Dingen wie Online Shopping auch für die Entertainment-Kultur. Wir geben uns beispielsweise nicht mehr nur mit einer Handvoll Radiosendern zufrieden, die dem Massengeschmack entsprechen, sondern streamen unsere Wunschmusik auf Spotify. Wir individualisieren.
Gerade auf mobilen Devices ist das der Fall und dort auch besonders einfach. Beim Schauen von Videos ist das ähnlich. Wir suchen unsere eigenen Clips auf YouTube oder selektieren Serien auf Netflix. Eigenregie und individualisiertes Erleben stehen im Vordergrund. Da ist es nur logisch, darüber nachzudenken, wie man das Konzept erweitern und es auch bei Sportveranstaltungen wie der Fußball-WM umsetzen kann.
„Ganz in Eigenregie entscheidet jeder Nutzer, welchen Sportler er genauer betrachten möchte.“
mobilbranche.de: Ihr Startup bietet nach eigener Aussage als derzeit einziges Unternehmen weltweit
sogenannte Many-to-many-Videoübertragungen an. Was bedeutet das genau? Ilustrieren Sie es mit ein paar praktischen Beispielen.
Andreas Westhoff: Was unsere Technologie ermöglicht, ist im Grunde einfach zu verstehen. Es geht um die sichere, dynamische und hochwertige Verbreitung von Video-, Audio- und Datenstreams über das Mobilfunknetz. Komplexer wird es, weil das in Echtzeit, mit der geringstmöglichen Latenz (maximal 300 Millisekunden) und many-to-many funktionieren soll.
Das setzt voraus, dass wir die Streams von prinzipiell unendlich vielen Sendern und Empfängern orchestrieren können. Soll heißen: Wir stellen in Echtzeit sicher, dass ein Video von einem Sender auch bei dem richtigen Empfänger ankommt – in bester Qualität.
Es ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, in denen diese Technologie von Bedeutung ist – egal, ob beim Thema Connected Cars, wo der Fahrer mit Hilfe von Videos quasi durch Hindernisse hindurchsieht, bei Konzerten oder eben bei Sport-Events. Dabei verwendet man sein eigenes Mobile Device und springt von einer Perspektive zur anderen. Ganz in Eigenregie entscheidet jeder Nutzer, welchen Musiker oder Sportler er beispielsweise genauer betrachten möchte.
Bei Events ist meist eine Media-Produktions-Technik vor Ort, die vom Veranstalter beauftragt wird. Je nach Konzept werden Kameras positioniert und die Signale laufen zentral zusammen. Wir können die Signale entweder direkt von der Kamera mobil oder aber zentral beim Ü-Wagen übernehmen und in den Edge Video Orchestrator (EVO) einspeisen. Die Ausspielung erfolgt dann über die Multi-View-App beim End-Nutzer.
Parallel lassen sich zu den klassischen Kamerapositionen 360-Grad-Kameras in außergewöhnlichen Positionen zum Beispiel auf der Bühne oder beim Fußballspiel neben der Trainerbank integrieren. Diese neuen Perspektiven schaffen ein neues, noch emotionaleres Fan-Erlebnis.
„Smart Mobile Labs stellt seinen B2B-Kunden eine White-Label-Lösung zur Verfügung.“
mobilbranche.de: Benötigt der Nutzer eine spezielle App, um Many-to-many-Videoübertragungen
nutzen zu können?
Andreas Westhoff: Wer sich die Multi-Streams anzeigen lassen und zwischen den verschiedenen Perspektiven hin- und herwechseln möchte, benötigt eine spezielle App. Smart Mobile Labs stellt seinen B2B-Kunden dazu eine White-Label-Lösung zur Verfügung, die mit einem eigenen Branding versehen werden kann. Oder der Kunde verwendet unser SDK zur Integration in eine eigene App.
Wir stellen in unserem B2B-Geschäftsmodell kein Endkunden-Produkt bereit. Das heißt, es gibt keine App von Smart Mobile Labs mit unserem Branding, die in einem App Store zu finden wäre. Wie die Kosten für den Endnutzer gestaltet sind hängt vom B2B-Kunden ab. Entweder er bietet sie den Nutzern kostenfrei mit ROI durch Ad-Promotion, als Teil eines Eventpaketes für die eigene Markenbildung oder aber er macht den Download der Applikation kostenpflichtig. Das bleibt jedem unserer Kunden selbst überlassen.
mobilbranche.de: Auf welchen Geräten ist die Nutzung möglich? Bestehen bestimmte
Mindestvoraussetzungen in der Geräte-Performance?
Andreas Westhoff: Unsere Anwendungen und SDKs funktioniert generell für Android- und IOS-Geräte der verschiedenen Hersteller. Im Allgemeinen werden also alle Devices vom iPhone 5 und iPad Air für Apple sowie alle Geräte ab Android 4.4 und hardwareseitig ab Samsung Galaxy 5 oder
Vergleichbarem unterstützt.
Wichtiger als die reine Hardware-Konfiguration ist aber das mobile Datennetz. Es muss eine schnelle Übertragung garantieren, damit die Echtzeit-Performance auch garantiert ist. Das heißt also, dass entweder lückenloses WiFi mit hoher Bandbreite vorhanden sein muss oder aber bestenfalls 5G genutzt werden kann. Mit 4G-LTE-Übertragung ist das Ergebnis schon gut. Mit 5G bekommt dieses Thema aber noch eine viel größere Dynamik.
„Wir haben bewusst Raum für Werbeanzeigen geschaffen.“
mobilbranche.de: Existieren Werbemöglichkeiten in Zusammenhang mit einer solchen Anwendung, die für Mobile Marketer interessant sein könnten?
Andreas Westhoff: Das ist wiederum abhängig vom B2B-Kunden und seinem individuellen Geschäftsmodell. Produktseitig haben wir bewusst die Integration von Grafiken – und somit auch Raum für Werbeanzeigen – geschaffen. Hierzu arbeiten wir mit Systempartner zusammen. Wir möchten den Kunden die Freiheit geben, selbst darüber zu entscheiden wie sie die Applikation am Ende nutzen und wie beziehungsweise ob, sie diese monetarisieren.
mobilbranche.de: Planen sie perspektivisch eine Weiterentwicklung? Sind auch andere
Anwendungsbereiche (außer Sport-Events) möglich?
Andreas Westhoff: Die Möglichkeiten für andere Anwendungsbereiche sind schier unbegrenzt. Insbesondere, wenn man an 5G denkt, das in den nächsten Jahren unweigerlich kommen wird. Wir haben uns allerdings auf die bereiche Public Security und Connected Cars fokussiert und arbeiten dabei schon in konkreten Projekten.
Die Erfahrungen daraus fließen in die Weiterentwicklung unserer Produkte und treiben uns als Team an. Wir haben die Bereiche ausgewählt, weil wir dort den größten Bedarf und die besten Wachstumschancen sehen. Die Verantwortung ist allerdings enorm: Die Zuverlässigkeit der Technik entscheidet im Zweifel
über Menschenleben.
mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview.