Ende des Hypes – wir müssen nicht mit, sondern über Alexa, Siri & Co reden.

Als Journalist, der sich in viel mit Technik beschäftigt, stehen in meinem Haushalt gleich zwei Echos von Amazon. Und die werden intensiv genutzt. Statt einen Termin erst irgendwo eintippen zu müssen, ist es schon super praktisch, die nächste Verabredung einfach zu diktieren. Klar frage ich Alexa auch mal nach dem aktuellen Wetter. Spaßig ist es, wenn ich auch Siri die gleiche Frage stelle. Dann suche ich mir die beste Prognose aus. Natürlich hat es sich beim ersten Mal ein bisschen dekadent angefühlt, den smarten Lautsprecher zu bitten, das Licht im Wohnzimmer einzuschalten oder die Heizung runterzudrehen. Praktisch und bequem ist das aber allemal.

Bloß: Eingekauft habe ich damit noch nicht. Oder besser. Ich habe es mal versucht, aber nachdem sich der Skill des Supermarktes meines Vertrauens beharrlich weigerte, das Wort „H-Milch“ in das entsprechende Produkt umzuwandeln und auch ein „Haltbare Milch“ alles andere als den schlichten Alltagsartikel in den Warenkorb legt, habe ich das wieder aufgegeben.

Ich habe sogar schon einmal ein Taxi mit dem Echo bestellt. Aber ich kaufe damit nicht ein.

Damit befinde ich mich wohl in bester Gesellschaft. Darauf deutet jedenfalls eine Infografik von Statista hin. Demnach setzen die meisten Nutzer smarte Lautsprecher genauso wie ich ein.

Wie will der Handel damit Geld verdienen?

Nur passt da etwas nicht zusammen. Die Liste von Händlern und Marken, die auf Spracherkennung und Sprachsuche setzen, um den Kunden über diesen Kanal Produkte anzubieten, wird immer länger. Conversational Commerce lautet das Zauberwort. Und es erinnert ein bisschen an den Kaiser aus dem Märchen, der eigentlich ziemlich nackt dasteht. Denn bisher gibt es keine einzige belastbare Zahl, dass die Unternehmen, die in den Hype eingestiegen sind, auch tatsächlich damit Geld verdienen. Nicht Umsatz machen oder etwas verkaufen, sondern Gewinn daraus erzielen.

Das dürfte sich in absehbarer Zeit wohl auch nicht ändern.

Ich will jetzt gar nicht auf rechtlichen Fragestellungen herumreiten, die eher den Händler als den Kunden interessieren. Im Streitfall wird es für den Anbieter nur schwierig, nachzuweisen, dass eine gültige Willenserklärung vorliegt, wenn ein technisches Device mal eben den Nachschub an Spülmaschinentabs bestellt hat. Es geht viel eher um die Praxis.

Willkommen in der realen Welt

Bei Convenience-Produkten dürften die Fähigkeiten der digitalen Assistenten ausreichen. Das Produkt („Alexa, bestelle Toilettenpapier“) ist so simpel, dass mit wenigen Schritten der Artikel im Warenkorb liegt. Nur ist die Marge bei diesen Artikeln sehr klein. Die Konkurrenz riesig. Wie will der Handel damit Geld verdienen? Schon bei etwas komplexeren Produkten wird es dann schwach. Der Mensch würde am liebsten sagen: „Ich brauche Glühbirnen, die kleinen, für die Stehlampe.“ Nur leider weiß damit kein Assistent etwas anzufangen. Um dieses Wissen zu vergrößern, müssten Unternehmen massiv in die Skills investieren. Und das wohlgemerkt bei Artikeln, deren Gewinnspanne im Centbereich liegt.

Das sieht bei komplizierten Artikeln nicht besser aus. Selbst ein noch relativ einfaches Produkt wie eine externe Festplatte oder eine Espressomaschine umfasst dermaßen viele Dimensionen und Entscheidungsparameter, dass Bots und Spracherkennung überfordert sind. Beispiel Espressomaschine: Siebträger, Halb- oder Vollautomat? Boiler oder Kessel? Ein oder zwei Heizkreise? Integriertes Mahlwerk oder nicht? Gewünschter Dampf- und Brühdruck? Und neben den Innereien gäbe es dann noch das Material des Gehäuses, die Farbe oder die Frage, ob das Ding auch eine gewerbliche Zulassung haben sollte.

Mag die Entwicklung von Skills für Convenience-Produkte vielleicht betriebswirtschaftlich eine Herausforderung und möglicherweise lösbar sein, bei komplexen Artikeln steigt der Aufwand exponentiell an. Und am Ende muss ich als Kunde bei einer Investition von mehreren hundert Euro dann noch davon ausgehen, dass der Bot bzw. Assistent dann auch das perfekte Produkt für mich auswählt.

Wir sollten realistisch bleiben

Wo Sprachsysteme derzeit ziemlich akkurat funktionieren, ist der Bereich digitale Dienstleistungen. Wer sich damit anfreunden kann, den Namen seiner Lieblinsgruppe etwas anders als gewohnt auszusprechen, kann sich wenige Augenblicke später Titel im Stream anhören, einen Film bestellen oder ein Hörbuch abrufen. Aber hier kommen Händler und Drittanbieter kaum rein. Da hat jeder Hersteller sein eigenes Ökosystem aufgebaut.

Und nun Klappe zu und fertig? Mit Sicherheit nicht. Auch für Händler ist es wichtig, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Indes sollten wir anfangen, die gesamte Technologie realistischer einzuschätzen. Im Bereich Buchungen, Supportanfragen und gerade auch der lokalen Suche (Siri, wo ist die nächste Filiale eines Schlüsseldienstes) wird Sprachtechnologie langfristig viel verändern.

Die Betonung liegt allerdings auch hier auf langfristig. Vor übersteigerten Erwartungen sollten sich Unternehmen hüten. Sonst wird die Enttäuschung groß. Wie bei meinem Versuch, H-Milch zu bestellen.

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2 Antworten zu “Ende des Hypes – wir müssen nicht mit, sondern über Alexa, Siri & Co reden.”

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