Ab sofort beleuchtet einmal monatlich ein Experte von Starcom, der Agentur für Conntected Human Experiences, für uns digitale und mobile Trends aus Sicht einer der weltweit renommiertesten Media- und Kommunikationsagenturen.
von unserem Gastautor Boris Meixner
Kommt nach dem Content-Marketing-Hype jetzt der Live-Streaming-Hype? Zumindest zeichnet sich ein Trend ab, dem sich Marken nicht per se verschließen sollten. Werbungtreibende Marken sehen sich einer Vielzahl an neuen, digitalen Kanälen gegenüber, für die jeweils eigene Strategien und Formate entwickelt werden müssen. Gleichzeitig bieten diese Kanäle Chancen, Zielgruppen anders – und somit aufmerksamkeitsstärker – anzusprechen, wenn man die speziellen Anforderungen kennt und berücksichtigt. Es ist ein wenig, wie eine neue Sprache zu lernen: Ich komme in den meisten Ländern mit Englisch recht weit, aber ich kann einfach besser kommunizieren, wenn ich die Landessprache beherrsche. Ähnlich verhält es sich mit den neuen Kanälen, die jeweils ihre Strategien und Formate benötigen. Eine Print-Anzeige in ein Display-Banner umzuwandeln hat schon nicht funktioniert. Einen TV-Werbeclip auf eine Video-Plattform hochzuladen oder ihn als Pre-Roll zu verwenden, funktioniert ebenso wenig. Live Video ist zwar technisch auch Video, funktioniert aber anders. Das gilt auch für Formate und Inhalte.
Im privaten Bereich haben Facebook, Snapchat, Periscope etc. sehr einfach zu verwendende, technisch stabile und userfreundliche Technologien entwickelt, die im Grunde jeden zum Anchorman der eigenen TV-Show machen. Aber genauso wenig, wie jemand automatisch ein guter Journalist ist, der in einem Blog Texte veröffentlicht, ist jemand, der ein Handy halbwegs ruhig halten und auf den Aufnahmeknopf drücken kann, bereits ein Produzent von hochwertigem Live Content. Wir alle kennen verwackelte Bilder, übersteuerten Ton und belanglose Inhalte, die allenfalls nur kurz fesseln. Wobei solche Inhalte in sehr jungen Usergruppen bestens funktionieren, wie etwa bei Snapchat oder dem nun eingestellte Vine. Interessant sind die momentan noch deutlich höheren Engagement-Raten bei Live-Videos, z.B. die Zahl der Kommentare etc. Vielleicht ist das ein ähnliches Phänomen wie bei den Twitter-Hashtags, die bei Live-Ereignissen die gemeinsame Klammer für eine hohe Kommentarfrequenz bilden. Es kann bezweifelt werden, ob diese weiter hoch bleiben, wenn die Inhalte unbedeutend sind.
Denken wie ein Fernsehsender
Im Bereich Live sollte man darum dann auch konsequent wie ein Fernsehsender denken, um die entsprechende Qualität und Skalierbarkeit und damit die Reichweite zu generieren. Die Nutzung von linearem TV nimmt weiter ab, vor allem in jungen Altersgruppen verliert es an Zustimmung. Trotzdem wird in Summe mehr Bewegtbild konsumiert, nur eben auf anderen Kanälen. Mediatheken der Sender (noch vor zwei Jahren als winzige Nischen bezeichnet) verzeichnen steigende Abrufe und insbesondere Streaming-Anbieter freuen sich über einen massiven Zulauf und stark steigende Nutzerzahlen. Nebenbei bemerkt: Viele davon sieht man im TV für ihre Angebote werben.
Wir werden neue Player auf dem Markt sehen, die wie ein Fernsehsender arbeiten, aber ausschließlich digital „ausstrahlen“ (z.B. den für 2017 angekündigten TV-Channel Viceland.) Auch bei Native und Content gibt es derzeit Bestrebungen, sich stärker auf Bewegtbild (speziell für Mobile) einzulassen, um hochwertige Inhalte zu erstellen und zu distribuieren. Aktuell positionieren sich Anbieter aus dem Umfeld von Publishern, Verlagen und Aggregatoren, die bei der Kreation ein gewichtiges Wort mitreden wollen. Das ist ein ganz klarer Weckruf an Kreativagenturen. Marken werden sich künftig mit hochwertigen Anbietern beschäftigen, die mit Live und einem überzeugenden Content-Angebot mit skalierbarer Reichweite die passenden Umfelder schaffen können. Privates Live-Video wird hier kaum eine Rolle spielen. Man könnte höchstens über die Bündelung nachdenken, also Plattformen, die privates Livestreaming im Longtail nutzbar machen.
Live-Sendungen: Hoher Aufwand, schwere Kontrolle
Ähnlich wie das steigende Interesse an der Zusammenarbeit mit Influencern auf YouTube, Twitter, Instagram oder Snapchat könnten solche Modelle hier auch forciert werden, um nicht nur mit wenigen einzelnen Influencer-Stars und ihren Millionen Followern zu arbeiten, sondern gleich mit mehreren, die gebündelt noch einmal viel größere Reichweiten haben. Apropos Ads für Live-Video bei Twitter & Co. Skipable Pre-Rolls bei Twitter? Werden getestet. Oder das bezahlte erste Video in jeder Twitter Timeline? Voila: „First View“ als Erweiterung zu einem Sponsored Trend. Instagram führt Live-Stories ein, die im Prinzip eine weitere Kopie einer Funktionalität von Snapchat darstellen. Facebook testet Realtime-Ads für Live-Video. Bisher konnte man ein Live-Video nur vorher werblich oder organisch ankündigen oder nach Beendigung bewerben – bald kann man es pushen, während es ausgestrahlt wird.
Und nun steigt ein weiteres Schwergewicht stärker in das Thema Live ein: Amazon verhandelt in den USA über Live-Übertragungsrechte mit den drei großen Sportligen NBA, NFL und NHL. In Deutschland hat Amazon sich bereits die Live-Audio-Übertragungsrechte ab 2017/18 für die 1. und 2. Bundesliga sowie für den Supercup gesichert. Nur: Live ist Live. Inhalte, besser Sendungen, sind nur mit erhöhtem Aufwand herzustellen und noch schwerer zu kontrollieren. Beispiel: McDonalds und sein 12-Stunden-Livestream, der trotz großer Zahlen differenziert betrachtet werden sollte, wie Anja Stockhausen, Managing Director Publicis Media, betont.
Über kurz oder lang werden sich die größeren Marken daher dem Thema Video und Live Video annehmen, nachdem sie gerade erst das Thema Content Marketing verdaut haben. Bei der Produktion von wertigen Live-Inhalten ist wiederum der technische Aufwand erheblich größer, verschiedene Signale über eine Regie in Realtime zusammenzumischen oder mit einem guten Script eine durchgängige Story zu erzählen, guten Sound zu haben etc. Diese Herausforderung ist deutlich größer, als stundenlange „Postproduction-Frickelei“ am Laptop, um ein fertiges Video auf YouTube hochzuladen. Damit sind wir erneut bei der Arbeitsweise eines Senders.
Empfehlung für Marken:
Keine Angst vor Experimenten
Vor nicht allzu langer Zeit mussten Marken anfangen, sich mit Social Media, Community Management und Content zu beschäftigen. Nun kommt ein weiteres Spielfeld hinzu, auf dem Brands Erfahrungen sammeln müssen. Kein Baby kann von Anfang an laufen.
Unterhaltsamen Mehrwert bieten
Warum sollte man einen bestimmten Live-Inhalt ansehen? Genau – weil er mich gerade jetzt interessiert. Was sich trivial anhört, ist in der Umsetzung mit kreativer Herangehensweise und inhaltlicher Planung verbunden. Im Idealfall kann die Marke ihren Kern auf unterhaltsame Weise präsentieren.
Wie ein digitaler TV-Sender denken
Wie kommuniziere ich neue Inhalte und wie erreiche ich die gewünschte Zielgruppe? Wann gehe ich mitwelchen Inhalten wie lange auf Sendung? Wie erfahren die User davon? Das Gedankenmodell „Jede Sendung ist eine kleine Kampagne“ sollte in den 3 Phasen (vor, während und nach dem Stream) gut anwendbar sein. Und Werbemittel, die das alles automatisch vereinen, finden wir ganz großartig.
Über den Autor:
Boris Meixner ist Client Service Director Digital bei der zur Publicis Media gehörenden Media- und Kommunikationsagentur Starcom Germany.
Eine Antwort zu “Live Streaming killed the Video Star – Starcom Monthly #3”
[…] Live Streaming killed the Video Star. Unser Gastautor Boris Meixner erklärt im dritten Teil unserer Serie den Aufstieg von Live Video und gibt Empfehlungen, wie Unternehmen und Marken das Beste daraus machen können. weiterlesen auf mobilbranche.de […]