Als Journalist begleite ich seit rund 30 Jahren die Tech-Szene. Ich weiß, wie komplex es ist, eine Infrastruktur wie ein Mobilfunknetz am Laufen zu halten. Störungen und Probleme können immer mal wieder auftreten. Nur wie die Telekommunikationsunternehmen damit umgehen, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert.
„Das Problem sitzt vor dem Monitor, nicht dahinter“. Das war der beliebteste Spruch des IT-Administrators der Firma, in der ich in den 90er Jahren beschäftigt war. In Kurzform: Der Nutzer ist zu dämlich, die hervorragend konfigurierte IT zu benutzen. Fehler waren erst einmal grundsätzlich nicht bekannt. Oder das Problem konnte nicht reproduziert werden. „Tut mir leid, lieber Nutzer, aber finde dich damit ab. Du bist ein Einzelschicksal“.
30 Jahre später scheint das die gleiche Strategie zu sein, die verfolgt wird. In der vergangenen Woche häuften sich die Anfragen in der Facebook-Gruppe unseres Städtchens, wer denn gerade Probleme mit der Internetverbindung via Kabel bei Vodafone hätte. Binnen weniger Minuten gab es dann rund 30 bis 40 ähnliche Meldungen. Da die Beiträge aus gänzlich verschiedenen Regionen kamen, war offenbar das Vorwahlgebiet betroffen, was ebenfalls die Karte von Allestörungen nahelegte.
Ein kurzer Selbstcheck zeigte vergleichbare Symptome auch auf meiner Leitung. Jetzt bin ich in dieser Hinsicht vielleicht etwas gelassener und fehlertoleranter wie andere Nutzer. Zum einen empfinde ich 3 Totalausfälle in 3 Jahren nicht als übermäßig schlimm. Und weil ich beruflich das Internet vollschreibe, gönne ich mir den Luxus einer zusätzlichen DSL-Leitung über einen anderen Provider, kann also ausweichen.
Was ist so schlimm, eine größere Störung zuzugeben?
Als sich die Lage nach rund einer Stunde noch nicht gebessert hatte, kam ich auf den Gedanken, einmal im Vodafone-Kundencenter nachzusehen, wie lange sich denn voraussichtlich die Störung hinziehen würde. „In Deinem Anschlussgebiet ist uns keine Störung bekannt“. Mit anderen Worten: Alles super, alles läuft, Du bist ein Einzelschicksal.
Konnte es sein, dass noch niemand die Störung gemeldet hatte, sondern stattdessen auf Facebook lamentierten? Leider kann der geneigte Kunde nicht einfach direkt im Kundencenter einen Fehler melden. Er muss zunächst einen Check durchführen, der ein bisschen an Beschäftigungstherapie erinnert. Neben den Klassikern, wie die Kabel zu lösen und einfach zu warten, gipfelt die Routine dann in der Anweisung, den Router auf Werkseinstellungen zurückzusetzen.
Da aber andere Nutzer bereits auf Facebook schrieben, sie hätten von Vodafone die Rückmeldung erhalten, das Problem sei spätestens am frühen Abend gelöst, schien es sehr wohl in der Technik bekannt zu sein.
Auf meinen eher gut gemeinten Hinweis auf Twitter, dass es vielleicht zielführender wäre, die Störung dann auch publik zu machen, habe ich leider nur verspätet die Rückmeldung erhalten, dass meine Störung ja nicht bedeute, dass der gleiche Fehler beim Nachbarn auftritt.
Wohlgemerkt bei inzwischen 40-50 gleichlautenden Meldungen allein auf Facebook. Welche Überwindung kostet es Vodafone wohl, solche Probleme einfach zuzugeben? Schließlich würde eine rechtzeitige Information ja auch die Hotlines entlasten. Technisch könnte man bestimmt mit Schwellenwerten arbeiten: Bei 10 Anrufen aus der gleichen Region zum selben Thema, könnte man einen Status wie „möglicherweise Störung“ ausgeben. Bei 40 oder 50 Anrufen dann aber die Störung ruhig zugeben.
Ist es tatsächlich die Sorge, dass der Kunde sofort wutschnaubend das Haus verlässt, um im nächsten Shop der Telekom oder O2 einen anderen Zugang zu buchen?
Wieso nicht einfach geringe Bandbreiten einräumen?
Niemand ist unfehlbar, Tech-Unternehmen erst recht nicht. Und man kann eigene Unternehmensziele verfehlen. Nehmen wir nur mal das Thema Netzausbau. Wie an dieser Stelle in der vergangenen Woche berichtet, muss Telefónica damit rechnen, für das Unterschreiten der Ausbauquoten zur Kasse gebeten zu werden. Hier am Ort scheint es für O2 Luft nach oben zu geben. Zu den Klassikern in geschlossenen Räumen gehört oft die Frage, ob die anderen ebenfalls kein Netz hätten. Eher mitleidsvoll blicken dann die Telekom- und Vodafone-Nutzer den Fragenden an: „Du hast O2, oder? Tolle Werbung, tolle Marke, kannst nur nicht mit telefonieren“.
Wer aber bei O2 den Netzverfügbarkeitsstatus macht, der wird sich freuen. Alles super, alles läuft. Transparent und fair wäre ja, wie etwa bei DSL Anschlüssen, zumindest darauf hinzuweisen, dass es Regionen gibt, in denen eben nur ein Teil der Bandbreite zur Verfügung steht.
Die Etablierung einer zeitgemäßen Firmenkultur treibt viele (Groß-) Unternehmen um. Dazu gehören Transparenz und Fehlerkultur. Mitarbeiter sollen und dürfen Fehler begehen. Das gilt für Unternehmen aber auch nach außen. Und da haben die Telkos meiner Ansicht nach noch viel Potenzial.
– Anzeige –
Digital Identity, 2. April 2020, Telefonica BASECAMP, Berlin: Der Ruf nach eindeutigen und sicheren digitalen Identitäten für rechtssichere Kommunikation und Geschäfte wird lauter! Der Experten-Roundtable der deutschen ict + medienakademie bietet Ihnen aus verschiedenen Blickwinkeln eine Analyse und Einschätzung zukünftiger Optionen.
Jetzt Anmelden!
Eine Antwort zu “Telcos und die Schwierigkeit, Fehler einzugestehen.”
Das Geschriebene gilt gleichsam für die Deutsche Telekom und für 1&1. Beide Unternehmen tun nichts, um Störungen zeitnah zu kommunizieren. Besonders ärgerlich, wenn der „Festnetz“-Anschluss der Telekom auch per VoIP läuft, dann geht nämlich garnichts mehr. Bei uns im Dorf geschehen solche Ausfälle öfter und Informationen dazu sind nicht zu finden.
Bei 1&1 ist es ärgerlich, dass Server oder Mailaccounts nicht erreichbar sind und man als Admin dann von einem Einzelschicksal auszugehen bereit ist, weil man die Info nicht hat und nicht bekommt, dass zum Beispiel Wartungsarbeiten an der Anbindung der Serverfarm durchgeführt werden. Hier wäre eine Warn-Mail rechtzeitig vor Aufnahme der Bauarbeiten hilfreich.