Neue Mobilitätsdienste haben bislang leider noch nicht viel dazu beigetragen, dass die Mobilität wirklich effizienter und nachhaltiger geworden ist. Die Zahl der Autos auf den Straßen steigt und auch autonomes Fahren wird diese Entwicklung nicht sofort stoppen können, so der Tenor bei unserem 29. Mobilisten-Talk „Mobile & Mobilität” am Donnerstagabend im Telefónica BASECAMP in Berlin. Wie nachhaltige, zukunftsträchtige Mobilitätskonzepte aussehen können und müssen, war eine der zentralen Fragen, die mobilbranche.de-Gründer Florian Treiß mit Experten von Deutsche Bahn, Continental, door2door und CAR2AD diskutierte. Die ganze Diskussion können Sie hier als Podcast nachhören oder unseren Nachbericht weiterlesen.
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Verschiedene Konzeptvorschläge zur Finanzierung von Mobilität für Privatleute
„Mobilität wird in Zukunft effizienter, nachhaltiger und vermutlich auch günstiger“, sagte Door2Door-Manager Benedikt Lahme und schlug eine Gebührenfinanzierung nach Vorbild des Rundfunks auch für Mobilität vor. Valentin Jahn, Gründer und CEO von CAR2AD, präferiert von Berufswegen eher ein werbefinanziertes Modell, bei dem Mobilitätsdienste für alle Menschen umsonst sind, indem sie durch Werbung in und an Auto, Bus und Bahn finanziert werden. Auch die Politik sei gefragt und müsse mit Regulierungsmaßnahmen Nutzer zum Umdenken in Sachen Mobilität zwingen und Autos aus Innenstädten verbannen, so Jahn. Diese Forderung kam freilich vor allem im Publikum nicht überall gut an.
Politik und Daseinsvorsorge als Hemmschuh für Mobilität auf dem Land
Kein gutes Haar ließ Benedikt Lahme an der seiner Meinung nach zum Teil völlig am Fahrgast vorbei geplanten Gestaltung des regionalen, zum Teil staatlich geförderten ÖPNV auf dem Land: Leere Busse, die starr nach Zeitplan fahren, ohne sich an den Bedürfnissen der Fahrgäste zu orientieren, seien reine Steuergeldverschwendung. Lahme wünscht sich einen ÖPNV, der weniger in „Beförderungsfällen“ denkt, sondern bedarfsorientierte Mobilitätsdienste anbietet. Der öffentliche Nahverkehr sei lange stiefmütterlich behandelt worden. Nun sei er plötzlich ein Teil der Mobilitätslösung und damit nachvollziehbar überfordert. Daher ÖPNV brauche daher kreative Unterstützung von Politik und Wirtschaft, müsse sich aber auch intern umstrukturieren, so Lahme.
Große Konzerne wollen Mobilitätsplattform werden
Die Flut neuer Mobilitätslösungen setzt auch traditionelle Konzerne wie die Deutsche Bahn oder den weltweit zweitgrößten Autozulieferer Continental unter Druck. “Wir wollen eine lebensbegleitende Rolle in der Mobilität der Zukunft spielen und sehen uns als Mobilitätsplattform und Kundenschnittstelle”, so Bahn-Managerin Patricia Schurich im Hinblick auf die neue Konkurrenz. Mit Clevershuttle hat der Bahnkonzern erst kürzlich einen Ridepooling-Dienst übernommen. eine Einbindung in die App “DB Navigator” werde zwar vorangetrieben, einen Termin wollte Schurich auf Nachfrage aber noch nicht nennen. Rund 300 Verbesserungen (z.B. die kürzlich gelaunchten Siri Shortcuts in der DB Navigator App) pro Jahr sollen agile Teams bei der Deutschen Bahn auf den Weg bringen, der Benchmark dabei sei keine konkrete App sondern immer der Kunde, so Schurich, die gleichzeitig aber auch die Erwartungshaltung dämpfte in dem sie sagte: “Die Big Bangs wird es nicht mehr geben.”
Continental ist auch in Bewegung sieht das eigene Geschäftsmodell aber durch Ridesharing, autonomes Fahren und Co noch nicht direkt gefährdet: Zwar könne es hier und da Verschiebungen bei den Margen geben, aber Autos und damit auch Fahrzeugkomponenten würden auch zukünftig gebraucht, so Stefan Bader, Leiter Smart Parking Services bei Continental und Mitbegründer des Startups Parkpocket, welches im September 2017 vom Hannoveraner Konzern akquiriert wurde. Sein Vision: Vallet Parking mit autonomen Autos, die ihre Fahrgäste zunächst am Zielort absetzen und sich danach selbstständig einen Parkplatz suchen – und genau hierfür will Continental mit Hilfe der Parkpocket-Technologie die passenden Daten liefern.
Datengold als Treiber
Daten sind auch sonst ein wichtiges Stichwort, auf die es die Konzerne, aber auch alle anderen Mobilitätsunternehmen abgesehen haben. In ihrer Keynote zeigte Cécile Schneider, wie Telefónica NEXT schon heute Mobilfunkdaten anonymisiert sammelt, auswertet und in den Mobilitätskontext stellt. Mit Hilfe der Daten können wertvolle Rückschlüsse zu Auslastungen verschiedener Verkehrsangebote, Bedarfsanalysen von Mobilität und vieles mehr gezogen werden. Ein spannendes Beispiel ist die Shuttle-Plattform Flinc, die mit den Daten von Telefónica NEXT den Mobilitätsmarkt in Hamburg analysiert und herausgefunden hat, dass man mit einem haltestellenbasierten Shuttledienst mit 22.000 Shuttle-Autos stolze 700.000 PKWs ersetzen könnte, die Zahl der Autos also um 97 Prozent reduzieren könnte. So zumindest die Theorie. In der Praxis wächst die Zahl der Autos in Deutschland erst einmal kräftig weiter – auch oder vor allem bedingt durch Carsharing und Co.
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