iOS und Android: Apps, respektiert eure Plattform!

Einhändige Bedienbarkeit einer App steigert die User Experience

Von Manuel Raimund

Die User Experience einer App wird bei so vielen Projekten stiefmütterlich behandelt. Sicher auch deshalb, weil sie nicht auf den ersten Blick sichtbar ist und von keinem Nutzer explizit eingefordert wird. Dabei ist sie doch hauptverantwortlich für den immensen Erfolg des Smartphones. Man könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, was User Experience ist.

Knapper formuliert geht es darum, das Benutzen einer App so angenehm, kurzweilig und effizient wie möglich zu gestalten. Eine gute User Experience vermittelt das Gefühl, die App im Griff zu haben. Die Kür ist, wenn nicht nur die Inhalte, sondern die ganze App auch noch Spaß macht. Was die User Experience einer App ganz schnell in den Keller treiben kann, ist die Direktive, dass sich die iOS- und die Android-Version einer App so ähnlich wie möglich sehen sollten. Das ist grober Unfug und muss dringend ein Ende haben. Wir erklären, wieso.

Aus welchen Gründen auch immer haben sich Nutzer irgendwann einmal für iOS oder Android entschieden. Seitdem nutzen sie ihre Geräte tagtäglich intensiv. Ständig wird zwischen unterschiedlichsten Anwendungen gewechselt. Aufgaben werden unterwegs und nebenher erledigt. Gesten und Verhaltensweisen gehen dabei in Fleisch und Blut über.

Für Nutzer ist es wichtig, ihre smarten Devices im Griff zu haben. Sie wollen sich intuitiv zurechtfinden. Zuhause fühlen.

Kein Mensch will eine App lernen

Eine Analogie zum Einstieg:

Autos sind ein schöner Vergleich! Es gibt sie in hunderten von Farben, Größen, Formen. Und mit den unterschiedlichsten Zwecken: mit manchen fährt man Rennen, mit anderen transportiert man Baumstämme. Und trotzdem kann sich jeder mit einem Führerschein in irgendein beliebiges setzen und losfahren. Warum? Weil sich alle Autohersteller auf die Einhaltung gewisser Prinzipien geeignet haben, auf die sich jeder Fahrer verlassen können muss:

  • Anordnung: Gas rechts, Bremse links. Wäre schlimm, wenns anders wär.
  • Mechanismen: Drehen des Lenkrads im Uhrzeigersinn steuert nach rechts. Blinker nach unten drücken, blinkt links.
  • Ikonographie: Kein Mensch auf dieser Welt sollte darüber sinnieren müssen, was das Tankzeichen bedeutet.

Durch die Einhaltung dieser drei Prinzipien wird garantiert, dass ein Fahrer alle Autos dieser Welt fahren Kann. Nichts anderes bei den App-Plattformen. Niemand sollte die Hauptnavigation suchen müssen, das Navigieren lernen müssen oder eine neue Bildsprache verstehen müssen. Kein Mensch will eine App lernen! Egal, welchen spezifischen Zweck eine App hat, für wen sie da ist, was sie macht, wem sie hilft: Je weniger ein Nutzer die App lernen muss, je vertrauter sie ihm ist, desto schneller und komfortabler kann er sein neues Werkzeug nutzen. Das ist der Plan!

Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, dass sich eine App an die geltenden Regeln der jeweiligen Plattform hält. Und die unterscheiden sich teilweise enorm. So erwartet ein iOS-Nutzer bei einem Wischen vom linken Bildschirmrand beispielsweise eine Navigation zum vorherigen Screen, während der Android Nutzer erwartet, dass mit der selben Geste das Burger-Menü geöffnet wird.

Dieser Mechanismus ist nicht zufällig anders, sondern muss sich auf der jeweiligen Plattform genau so verhalten. Unter iOS gibt es nur einen Zurück Button. Dieser befindet sich links oben. Diesen Bereich können nur die wenigsten Nutzer einhändig erreichen. Deshalb ist es eine immense Erleichterung, dieses wichtige Bedienelement auch mit einer simplen Geste ausführen zu können.

Für den Android-Nutzer hingegen ist es einfach, mit dem omnipräsenten Back-Button links unten zurückzukommen. Da sich hingegen die Hauptnavigationspunkte in Android meist hinter dem Burger-Menü verbergen (das sich auch links oben befindet), hilft hingegen das Aufklappen dieser Navigationspunkte immens beim Springen zwischen den Hauptfunktionen. Wer seine Nutzer zwingt, ungewohnte Verhaltensweisen zu erlernen, der schafft unnötige Komplexität und torpediert Sinn und Zweck einer App.

Es ist ein Irrglaube zu denken, dass User eine plattformübergreifend homogene Nutzungserfahrung honorieren. Ganz im Gegenteil. Warum sollten sie auch? Höchstwahrscheinlich nutzen sie entweder iOS oder Android, nicht beides. Auch ein Irrglaube ist es übrigens, dass man durch Einhalten der plattformspezifischen Regeln keinen Raum für einen eigenen Charakter und sein spezifisches Branding hat. Farben, Schriften, Animationen, Bildmaterial, Kundenansprache… die Möglichkeiten sind endlos. Keine Sorge also: Es braucht keinen Tradeoff zwischen Brand Building und User Experience.

Fazit

Eigentlich erschreckend, dass es heutzutage noch immer diese Ansage braucht, aber: iOS ist nicht Android. Und Android ist nicht iOS. Jede Plattform hat ihre eigenen Regeln und die gilt es zu respektieren. Wer plant, die selbe Oberfläche auf jeder Plattform anzuwenden, der spart an der falschen Stelle und steuert hundertprozentig auf eine schlechte User Experience zu. Also nochmal, auch im Namen aller App-Nutzer da draussen: Bitte lassen Sie das. Ein für alle mal. Dankeschön ?

Übrigens: zu diesem Artikel gibt es auch einen Podcast.

Über den Autor:

Manuel Raimund ist Geschäftsführer der Münchner App Agentur Die neue Abteilung. Ehrliche Beratung und ein unbedingter Fokus auf den Nutzer gehören für ihn zu den tagtäglichen Werkzeugen im Kampf für mehr gute Apps. Über Blog und Podcast teilt er regelmäßig seine Erfahrungswerte mit der App Community. Die wichtigsten Neuigkeiten der Mobile Szene bespricht er in Mobile Minute – powered by mobilbranche.de

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