So häufig wie die Zeugen Jehovas in der Vergangenheit immer wieder den Weltuntergang prophezeit haben, genau so häufig wurde der Durchbruch beim Mobile Payment prognostiziert. Eingetreten ist bisher keines von beiden. Beim Thema Mobile Payment gibt es jetzt aber Bewegung. Hoffentlich gibt es da keine Korrelation zu der Prognose der Glaubensgemeinschaft.
Die Anfänge beim Mobile Payment
Schon Mitte der 90er Jahre mit zunehmender Verbreitung der Mobiltelefone gab es Bestrebungen, das Handy als Ersatz für Karte oder Bargeld zu nutzen. Damals konnte man schon mit Paybox das Taxi mit dem Handy bezahlen. In der Theorie zumindest, denn in der Praxis scheiterte Paybox an der Eingabe der langen Payboxnummer durch den Taxifahrer. Durchgesetzt hat sich das System in Deutschland nicht, in Österreich hingegen kommt Paybox beispielsweite beim Parken zum Einsatz.
Mit dem Beginn der Smartphone-Ära vor zehn Jahren und den damit einhergehenden wachsenden technischen Möglichkeiten kam es um das Jahr 2010 aber dann zu einem Goldrausch bei den mobilen Bezahlverfahren und auch in Deutschland versuchten sich einige Unternehmen an dem Thema. Startups wie Yapital oder Paij, aber auch Konzerne wie die Telekom oder Vodafone, wollten ein Stück vom Kuchen abbekommen. Sogar ein Joint Venture zwischen Vodafone, Telefónica und der Deutschen Telekom namens mPass sollte das Thema Mobile Payment in Deutschland alltagstauglich machen. Heute gibt es Yapital, Paij und Co nicht mehr. Auch die Lösungen der Mobilfunkanbieter, geschweige denn das Joint Venture mPass, haben jemals wirklich an Fahrt gewonnen. Die Gründe liegen zum einen an der Bargeld-Affinität der Deutschen. Kaum ein Land hängt so sehr an seinem Bargeld wie Deutschland. Bei uns werden noch über 50 Prozent der Umsätze bar beglichen. Bis zur letzten Münze, so scheint es, werden wir unser Bargeld verteidigen. Zum anderen liegt es an den Lösungen selbst. Mobile Payment löst bei den Kunden kein Problem und der Mehrwert fehlt. Dazu gesellten sich eine zum Teil miserable Umsetzung der Dienste und aufwändige Registrierungsprozesse. Man musste wirklich kein Experte sein, um zu sehen, dass das in die Hose gehen würde. Und das tat es bisher.
Mobile Payment in Deutschland – Status Quo
Allen Prognosen, Umfragen und Studien zum Trotz hat Mobile Payment in Deutschland heute noch keinerlei Alltagsrelevanz. Anders sieht es in den USA aus, wo Apple mit Apple Pay nach dem Launch im Jahr 2014 bereits 5,1 Prozent der kontaktlosen Zahlungen für sich verbuchen kann. Bei uns gibt es Apple Pay und Android Pay noch nicht. Wer mit dem Smartphone im stationären Handel bezahlen will, hat die Wahl zwischen den Wallets der Mobilfunkbetreiber, den auf der Technik von valuephone basierenden Händler-Apps von Edeka und Netto und ab jetzt auch Payback Pay.
Die Vodafone Wallet oder die Telekom MyWallet sind nur für dedizierte Android-Geräte verfügbar und brauchen neben der App auch eine entsprechende SIM-Karte. Letztere wird mit den Geräten in der Regel ausgeliefert, aber um eine der Wallets zu nutzen, braucht es eine mehr oder weniger umfangreiche, obligatorische Registrierung. Bezahlen kann man dann bei über 60.000 Akzeptanzstellen in Deutschland, also überall dort wo kontaktlose Zahlungen akzeptiert werden. Darunter zum Beispiel auch die Discounter Lidl und Aldi.
Bei den Lösungen von Edeka und Netto handelt es sich um Händler-Apps. Beide Lösungen basieren auf der Loyalty- und Payment-Plattform von valuephone, werden aber von den Händlern selbst vermarktet. Mobile Payment steht bei beiden Lösungen nicht im Fokus. Im Kern geht es bei beiden Lösungen um das Thema Kundenbindung. Die Nutzer können Angebote einsehen, Coupons und Gutscheine nutzen. Darüber hinaus kann mit den Apps auch an der Kasse bezahlt, während gleichzeitig Coupons eingelöst werden. Beides kann unabhängig voneinander genutzt werden. In Deutschland gibt es ca. 6.500 Akzeptanzstellen für beide Lösungen. Die Apps funktionieren plattformunabhängig und sind nicht auf ein bestimmtes Smartphone reduziert.
Der jüngste Einstieg ins Mobile Payment kommt von Payback. Ab jetzt bietet auch Payback die Möglichkeit, mit dem Smartphone an der Kasse zu zahlen. Wie bei den Händler-Apps auch, kann Payback mit allen Smartphones genutzt werden und auch bei Payback Pay steht nicht der Bezahlvorgang im Vordergrund, sondern das Kundenbindungsprogramm und die Möglichkeit, Payback-Punkte zu sammeln. Payback hat nach eigener Aussage über 8 Mio aktive App-Nutzer, die die App zum Aktivieren von Coupons regelmäßig starten. Payback Pay soll mittelfristig bei allen Payback-Partnern nutzbar sein und unterscheidet sich insofern von den eigenen Lösungen der Händler, wie sie von z.B. Edeka und Netto angeboten werden, dass Payback Pay im Payback-Netzwerk händlerübergreifend genutzt werden kann.
Die Zukunft von Mobile Payment in Deutschland
Um eines vorweg zu nehmen: einen Durchbruch im Mobile Payment gibt es in Deutschland auch im Jahr 2016 nicht. Aber, und das ist neu, der Markt entwickelt sich. Das hängt mit dem Launch der neuen Payback-App und damit einhergehend von Payback Pay zusammen. Payback kann einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung mobiler Bezahlverfahren und zur Akzeptanz von Smartphones als einen Bestandteil des Bezahlprozesses im stationären Handel leisten. Die Frage seitens des Kassenpersonals, ob man als Kunde Payback nutzt, ist allgegenwärtig und da auch die Nutzung der Payback-App hoch ist, kann diese Kombination dazu führen, dass wir künftig mehr Menschen sehen werden, die mit dem Smartphone bezahlen. Das Henne-Ei-Problem (Kunden und Akzeptanzstellen) hat Payback ebenfalls gelöst und das Hinzufügen des Bankkontos geht ohne einen Medienbruch und leicht von der Hand. Der Erfolg von eigenen Händler-Apps liegt vor allem an der Attraktivität von Coupons und Gutscheinen. Für Edeka und Netto ist es ein Leichtes, die Nutzung der Apps zu steigern. Von Nachteil ist es, dass für jeden Händler eine eigene App gebraucht wird, auch wenn der Benutzer-Account der valuephone-Lösung für alle teilnehmenden Händler genutzt werden kann.
Mobile Payment wird sicher noch lange Zeit ein Exot sein
Und Apple Pay und Android Pay? Auf die mobilen Bezahlverfahren von Apple und Google werden wir noch warten müssen. Jennifer Bailey, Vizepräsidentin von Apple Pay, gab zwar jüngst einen kleinen Ausblick auf die Expansionspläne von Apple, aber gemessen an den Kriterien für den Rollout von Apple Pay in einem neuen Land sieht es für Deutschland nur mittelgut aus. Die Größe des Marktes spielt laut Bailey ebenso eine Rolle wie die örtliche Verbreitung von Kredit- und Debitkarten und die vorhandene Abdeckung von NFC-Terminals. Man arbeite zwar daran, Apple Pay “zügig” in neue Länder in Europa und Asien zu bringen, sagte die Apple-Pay-Chefin gegenüber Techcrunch, aber mit einem Kreditkartenanteil von ca. 6 Prozent und 8 Prozent NFC-fähiger Terminals spricht noch nicht viel für einen Start von Apple Pay Deutschland. Auch wenn im letzten Jahr kurzzeitig ein Icon von Apple Pay an Orten in Deutschland in Apple Maps auftauchte, scheint es unwahrscheinlich, dass Apple Pay bald nach Deutschland kommt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass man sich mit den Banken ja auch noch einigen muss. Auch wenn von Bailey keine konkreten Länder benannt wurden, dürfte Apple Pay erst einmal in Frankreich, Spanien und in der Schweiz eingeführt werden. Da Google mit Android Pay auf das gleiche Verfahren und Netzwerk setzt, gilt das prinzipiell auch für Google. Trotz Payback Pay, dem sicherlich kommenden Start von Apple und Android Pay irgendwann in Deutschland, wird Mobile Payment sicher noch lange Zeit ein Exot sein. Aber das ist die Kreditkarte bei uns ja auch noch.
2 Antworten zu “Mobile Payment in Deutschland – Gewinner und Verlierer.”
[…] Mobile Payment wird noch lange Zeit zu exotisch für den Massenmarkt sein, meint Experte Maik Klotz. mobilbranche.de […]
[…] Mobile Payment wird zwar immer wieder gehyped, bleibt aber noch lange Zeit ein Exot, meint Maik Klotz. Er analysiert die Historie, die bestehenden Ansätze von der Vodafone Wallet bis zu den Händler-Apps und sieht vor allem im jüngst gestarteten Payback Pay großes Potenzial. weiterlesen auf mobilbranche.de […]