Die dmexco (16./17.9. in Köln) wirft ihre Schatten voraus. Doch die Agenda der Digitalmesse diktieren nicht etwa Hype-Themen wie autonome Autos, das Internet der Dinge oder künstliche Intelligenz, sondern vor allem das Thema Mobile Marketing. Denn auch im Jahr 2015 hat Mobile längst noch nicht den Stellenwert, den es angesichts der beeindruckenden Nutzungszahlen verdient hätte. Einer der Gründe: Viele Unternehmen haben noch mit der Umstellung auf Online zu kämpfen. Für Unternehmen ohne Mobile-Strategie findet Mark Wächter, Vorsitzender der Fokusgruppe Mobile im BVDW, drastische Worte: „Wer im Jahr 2015 keine exzellente Mobile-Präsenz im Mobile Web hat, ist für den Smartphone-Nutzer nicht visibel und daher auch nicht präsent. Eine mobil-optimierte Website, entsprechende Mobile SEO und gezieltes Mobile Marketing für dieses Mobile-Inventar sind heute Pflicht.“ Doch eben daran hapert es bei vielen Unternehmen noch – darunter übrigens auch bei einer Vielzahl von Online-Händlern in Deutschland.
Wir haben verschiedene Mobile-Experten zu den Trends und Flops im Mobile Marketing befragt und spannende Antworten erhalten:
Mark Wächter (MWC.mobi / Vorsitzender der Fokusgruppe Mobile beim BVDW)
„Zunächst einmal sollte man verstehen, wie mächtig Mobile Marketing ist.“
Mark Wächter hat die Anfänge von Mobile in Deutschland miterlebt und mitgestaltet und führt die zurückhaltende Nutzung von Mobile bei Unternehmen auch auf mangelndes Know How zurück. Zwar gebe es mittlerweile eine Reihe an Werkzeugen und Instrumenten, die alle unter das Dach von Mobile Marketing fallen. Doch vielen Unternehmen fehle es an der nötigen Expertise: „Wer die Klaviatur der Markenkommunikation auf dem Medium Mobile beherrschen will, braucht entsprechende Expertise. Mobile Marketing ist die Kunst, den Verbraucher im Mobile Moment – also in dem Moment, in dem er auf seinem Smartphone nach einer Antwort oder Lösung sucht und sie dort auch erwartet – intelligent und unter Zuhilfenahme aller Techniken, die einem der Supercomputer in der Hand des Konsumenten zur Verfügung stellt, mit einer relevanten Botschaft zu empfangen. Auch smartes Mobile Payment via Apple oder Android Pay sind ein Mobile Moment – ein seamless feature. Wir werden damit Zeuge vom Flop komplexer Mobile Wallets.“
Melina Ex (Geschäftsführerin Fetch / Vizepräsidentin BVDW)
Melina Ex von der Mobile-Agentur Fetch sieht vor allem das Problem, das Mobile bei der Marketing- und Mediaplanung noch nicht genügend Aufmerksamkeit erhält. Die BVDW-Vizepräsidentin fordert deshalb:
„Sie müssen Mobile endlich als eigenständigen Marketing-Bereich betrachten.“
Zu häufig werde Mobile als ein weiterer Kanal mit einer Zeile im allgemeinen Mediaplan abgespeist. Dabei sei Mobile ein Nutzer-Verhalten und nicht bloß ein Kanal und bedürfe daher Aufmerksamkeit und Expertise, um Marketing-Strategien erfolgreich zu unterstützen. Auch an der nötigen Kreativität der Mobile-Marketing-Kampagnen hapere es noch. „Lange standen die Daten und benötigten Technologien im Vordergrund, die auch absolut notwendig sind. Konsumenten erwarten aber intelligente, unterhaltsame, witzige Werbung – selbst mit der besten Technologie kann man die nicht erstellen“, so Melina Ex. Kreativität müsse nun zurück in den Fokus gestellt werden – von Technologie unterstützt – die sich gezielt mit dem Medium Mobile auseinandersetzt. Apropos Technologie – bei der geräteübergreifenden Messung der Nutzerreise und der Werbewirkung sieht die Mobile-Expertin ebenfalls noch Nachholbedarf: „Aus Technologie-Sicht muss sich die Harmonie zwischen den verschiedenen Medien Kanäle – mit Mobile womöglich als treibendes und dirigierendes Element – verbessern.“ Die Messung des geräteübergreifenden Nutzerverhaltens wird angesichts völlig neuer Gerätegattungen aber immer wichtiger, Stichwort Wearables. Smartwatches und Co bieten Melina Ex zufolge in Verbindung mit „Push-Meldungen, Location-Based-Services und Payment-Möglichkeiten zwar einen wahren Traum für jeden Marketing Manager, ob im stationären Handel, in der Finanz-Branche oder im Sport-Bereich“, sind aber längst noch nicht so weit verbreitet, dass sie in sehr naher Zukunft zu einer weitreichenden Marketing-Plattform heranwachsen werden. Neben der Reichweite fehle es auch an ausgereiften Technologien wie Targeting und Tracking. Wearables seien eben keine weitere Mutation des Smartphones, sondern rufen ganz eigene Interaktions-Muster bei den Nutzern hervor. Werbetreibende müssen als behutsam vorgehen, wenn sie in diesen intimen Bereich der Nutzer vorstoßen. „Eine Plattform für klassische Werbung werden Wearables aber trotzdem nie werden“, findet Melina Ex.
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Stefan Mohr (Geschäftsführer Jung von Matt/next)
Mobile Werbung auf dem Smartphone beschränkt sich in vielen Fällen auf wenig kreative Bannerwerbung – dabei ist das Smartphone das persönlichste Gerät, das Werbern je zur Verfügung stand. Das sieht auch Stefan Mohr von Jung von Matt/next so: „Fehler neigen leider manchmal dazu, mehrmals gemacht zu werden: Wie schon beim Übergang von Offline zu Online wird auch bei der Evolution hin zu Mobile versucht, Werbeformen, die in einem Medium funktionieren mögen, einfach zu übertragen. Das ist manchmal einfacher, als sich mit Endgeräten, Nutzungssituationen und vor allem den Bedürfnissen der Nutzer intensiv auseinanderzusetzen.“ Simple Banner-Werbung könne allerdings sogar kontraproduktiv sein – weil sie den Nutzer langweilen oder sogar belästigen. Die Möglichkeiten für Marken, sozialen, unterhaltenden und/oder relevanten Mehrwert zu bieten, seien mobil größer als auf klassischen digitalen Plattformen. Deshalb sollten nur noch Werbeformen zum Einsatz kommen, die die mobile Nutzungssituation einbeziehen und die Nutzer und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund stellen, so der Mobile-Profi. Mobile müsse deshalb stärker in die Köpfe der Marketer und nicht als zusätzlicher Ausspielkanal, sondern als „essentieller Ausgangspunkt für jegliche digitale Kommunikation“.
„Bei den immer schneller anwachsenden Anteilen an Mobile Traffic wird es nicht mehr reichen, auch mal was für Mobile zu entwickeln oder mobil zu optimieren, sondern es muss von Mobile als erstem und wichtigstem Touchpoint aus gedacht werden. Je kreativer und je mehr auf die Realitäten der Nutzer zentriert, umso besser.“
Für Mohr sind Wearables Trend und Flop zugleich. Einerseits werde die Art und Weise, wie Nutzer das Internet wahrnehmen und damit interagieren, durch Wearables fundamental verändert. Andererseits zeugten die ersten Werbeversuche auf der Apple Watch von wenig Kreativität. „Wenn Wearable-Werbung den sehr schmal bemessenen Platz auf Wearables besetzen, wird das einem großen Durchbruch der Gattung zunächst hinderlich sein und wohl nur Akzeptanz bei den Very Early Adoptern hervorrufen“, befürchtet Mohr.
Daniel Rieber (Director Marketing and Communications bei adsquare)
Das Berliner Unternehmen adsquare hat sich darauf spezialisiert, aus den Standortdaten anonymer Nutzer auf Basis von tausenden Datenpunkten den lokalen Kontext abzuleiten und dadurch auf die Zielgruppe zu schließen. Unternehmen können mit diesen Daten mobile Werbung passend zum Kontext auszuspielen. Doch wollen Verbraucher überhaupt zu jeder Zeit an jedem Ort mit standortbasierten Infos gefüttert werden oder besteht langfristig nicht die Gefahr, dass der Mobile-Nutzer satt wird und sämtliche Werbeinhalte blockt?
Für Daniel Rieber, stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Mobile beim BVDW, bietet die neue Datenflut sowohl für Werbetreibende als auch für Smartphone-Nutzer mehr Vor- als Nachteile. Für Smartphone-Nutzer ergeben sich eine Reihe situationsbezogener Mehrwerte.
„Genau das ist es, was gut gemachte mobile Werbung auch leisten muss: Die richtige Zielgruppe mit einer für sie relevanten Botschaft im richtigen ‚Mobile Moment‘ anzusprechen. Mobile Advertising ist eben nicht nur das kleinere Bannerformat neben Online, sondern die einzigartige Möglichkeit der direkten Kundenansprache auf dem persönlichsten aller Endgeräte.“
Die Branche hat aus Riebers Sicht aber auch die Verantwortung, die neuen Möglichkeiten im Sinne der Nutzer einzusetzen – u.a. auf strikte Datenschutzrichtlinien zu achten und Nutzer nicht mit Werbung zuzuspammen. Die aktuelle Ad-Blocker-Debatte für Online zeige, dass dieses Thema höchst sensibel sei. „Auf der anderen Seite müssen sich Nutzer aber auch daran gewöhnen, kostenlose Dienste mit ihrer Aufmerksamkeit zu bezahlen. Im Fernsehen sind bis zu acht minütige Werbeblöcke vor der entscheidenden Szene in einem Blockbuster weitläufig akzeptiert; etwas, was sich mir bis heute nicht erschließt“
Die größten Trends sind für Daniel Rieber Sensoren und Wearables. Nachvollziehbar, denn sie liefern weitere wichtige Daten, die datengetriebenes Targeting – also das Geschäftsmodell von adsquare – zu Gute kommen. Größter Flop ist aus Riebers Sicht die „Diskussion über die Relevanz von Mobile“. Marketingverantwortliche, die noch keine solide Mobile-Strategie haben, würden von ihren Kunden und Google längst abgestraft. „2016 sprechen wir von einer Mobile-First wenn nicht sogar (so wie Google es tut) von einer Mobile-Only Welt“, so Rieber. (Beitragsbild: shutterstock.com)
Wie Mobile die Welt verändert und welche Auswirkungen das für’s Marketing hat, diskutieren die Mobile-Experten übrigens am 1. Tag der dmexco um 11.00 Uhr im Seminaraum 1.
Mobilisten-Talk Special zur dmexco
Übrigens: Wir von mobilbranche.de veranstalten gemeinsam mit CMS Hasche Sigle am 15.9.2015, dem Vorabend der dmexco, ein Mobilisten-Talk Special in Köln. Dort diskutieren hochkarätige Speaker wie Matthias Schrader (CEO von SinnerSchrader) und Julian Riedlbauer (Partner von GP Bullhound) unter dem Motto „Vom Second zum First Screen“ darüber, wer die treibenden Marktakteure im Mobile-Bereich sind und wie der passende Content fürs Smartphone aussieht. Darüber hinaus beleuchtet der Mobilisten-Talk Special den aktuellen Hype um Wearables und stellt die Frage, ob das Smartphone überhaupt noch das mobile Endgerät der Zukunft ist.
Weitere Infos zum Mobilisten-Talk Special finden Sie hier. >>
2 Antworten zu “Mobile Marketing: Trends und Flops aus Expertensicht.”
[…] Für Daniel Rieber vom Berliner Mobile-Targeting-Spezialisten adsquare stellt sich 2016 eher die Frage, ob Mobile-First oder Mobile-Only. mobilbranche.de […]
[…] mobilbranche.de – Die dmexco (16./17.9. in Köln) wirft ihre Schatten voraus. Doch die Agenda der Digitalmesse diktieren nicht etwa Hype-Themen wie autonome Autos, das Internet der Dinge oder künstliche Intelligenz, sondern vor allem das Thema Mobile Marketing. Denn auch im Jahr 2015 hat Mobile längst noch nicht den Stellenwert, den es angesichts der beeindruckenden Nutzungszahlen verdient hätte. Einer der Gründe: Viele Unternehmen haben noch mit der Umstellung auf Online zu kämpfen. Für Unternehmen ohne Mobile-Strategie findet Mark Wächter, Vorsitzender der Fokusgruppe Mobile im BVDW, drastische Worte: “Wer im Jahr 2015 keine exzellente Mobile-Präsenz im Mobile Web hat, ist für den Smartphone-Nutzer nicht visibel und daher auch nicht präsent. […]