Einen Tag Geschäftsführer bei paydirekt: Was das Rat Pack tun würde.

paydirektDas “Rat Pack” der FinTech-Branche meldet sich wieder zu Wort. Nachdem unsere Experten beim letzten Mal beleuchtet haben, ob kleine Mobile-Payment-Anbieter gegen Apple Pay & Co überhaupt eine Chance haben, schlüpfen André M. Bajorat, Maik Klotz, Rafael Otero, Jochen Siegert und Kilian Thalhammer dieses Mal in die Rolle des Geschäftsführers von paydirekt, dem gemeinsamen Online-Bezahlsystem der deutschen Banken und Sparkassen.

paydirekt wird schon vor offiziellem Marktstart kontrovers und kritisch diskutiert. Der geplante PayPal-Konkurrent bestimmt die Schlagzeilen der Fachpresse. Zwar bedeutet auch schlechte Presse Aufmerksamkeit. Doch jüngste Meldungen, wonach der Großteil der Sparkassen-Kunden erst im Frühjahr den Bezahldienst nutzen können wird, und die mangelnde Vermarktung machen so manchen stutzig, wie ernst es die Banken wirklich mit ihrem Online-Bezahldienst meinen. Das für November 2015 geplante Gemeinschaftsprojekt wird von vielen Experten schon als tot erklärt bevor es überhaupt gestartet ist. Das liegt vor allem daran, dass die Banken mit ihrem Online-Bezahlsystem reichlich spät dran sind. Mit PayPal und Sofortüberweisung gibt es bereits etablierte Zahlungsdienste, die im E-Commerce eingesetzt werden. Im Online-Handel zu bezahlen, ist für Konsumenten schon seit Jahren keine Hürde mehr. Kunden haben beim Online-Shopping die Qual der Wahl, ob sie nun auf Rechnung, per Lastschrift, Kreditkarte, Sofortüberweisung oder PayPal bezahlen wollen. paydirekt will im Online-Bezahlmix künftig ein Wörtchen mitsprechen. Kunden und Händlern stellt somit natürlich die Frage, warum sie paydirekt nutzen und unterstützen sollten. Für paydirekt spricht ein großes Nutzerpotential. Denn jeder Online-Banking-Nutzer soll paydirekt mehr oder weniger sofort nutzen können. Zudem genießen Banken ein großes Vertrauen. Aber reicht das aus, um den Online-Bezahlmarkt in Deutschland auf den Kopf zu stellen? Warum sollten Konsumenten wie Händler paydirekt unterstützen und nutzen? Viele Fragen und wenige Antworten. Das Rat Pack der FinTech-Branche hat die Marktchancen von paydirekt bereits diskutiert. mobilbranche.de wollten nun wissen, was André M. Bajorat, Maik Klotz, Rafael Otero, Jochen Siegert und Kilian Thalhammer als Geschäftsführer von paydirekt tun würden, damit das Bezahlsystem (doch noch) ein Erfolg wird?

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André M. Bajorat

André M. Bajorat
  1. Reinen Wein einschenken und einen realistischen Plan vorstellen.
  2. Möglichst große Unabhängigkeit von den bestehenden Bankenstrukturen erwirken, sowohl in Sachen Produkt, als auch im Vertrieb.
  3. Zentrale Produktentwicklung ohne Abhängigkeit zu den Release-Zyklen der Banken-IT.
  4. Eigenständiger Vertrieb.
  5. Klarer Fokus auf wenige Use-Cases/Zielkunden – nicht alles auf einmal wollen.

André M. Bajorat ist Unternehmer, Berater, Speaker, Business-Angel und Mentor im deutschen Startup- und FinTech-Umfeld aktiv. Aktuell ist er als CEO bei figo.io, Partner bei KI-Finance sowie im Advisoryboard von FinLeap und Cringle aktiv. Twitter: @ambajorat

Maik Klotz

Maik Klotz
Maik Klotz
  1. paydirekt hat zu viel Banken-DNA. Diese sollte man so weit es geht eliminieren: Kreativität rein, Konzerndenke raus.
  2. Fokus auf Nutzer: Lieber spät als nie, aber vielleicht sollte man sich mit der Zielgruppe einmal intensiv auseinandersetzen und schauen wo denn beim Bezahlen überall der Schuh drückt. Ist ja nicht so, als könnte man online nicht schon seit Jahren bezahlen. Es ist ein Irrglaube, dass nur weil ein Konsument technisch in der Lage ist paydirekt zu nutzen, er es auch tun wird. Nutzer brauchen Anreize wenn sie paydirekt nutzen sollen. Monetäre Vorteile, wie kostenloser Versand kann ein solcher Anreiz sein. Besser aber paydirekt löst ein echtes Kundenproblem und das gilt es herauszufinden!
  3. paydirekt als Ökosystem ausbauen und nicht nur auf ein Online-Bezahlsystem begrenzen bzw. reduzieren. Es gibt unterschiedliche Anwendungsfälle, wo paydirekt zum Einsatz kommen könnte wie z.B. Peer-2-Peer Überweisungen oder einer vereinfachten Möglichkeit Rechnungen zu bezahlen. Ein Großteil des digitalen Commerce geschieht mobil. Eine mobile Ausrichtung oder Verfügbarkeit ist deshalb essentiell. Des weiteren würde ich jede nur denkbare Funktion auch in Form einer API zur Verfügung stellen. Je mehr Drittanbieter-Lösungen auf paydirekt aufsetzen desto besser.
  4. Zum Start braucht es Flagship-Stores, die paydirekt als Online-Bezahlverfahren einbinden. Das wird dazu führen, dass man paydirekt vielleicht für einige große Händler kostenlos anbieten muss. Die auf der Webseite genannten Vorteile für den Händler sind kein Unterscheidungsmerkmal und nur BlaBla.
  5. Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit spielen eine enorme Rolle: Man darf nicht lesen, dass z.B. Zalando nicht mit an Board ist. Stattdessen muss man Erfolgsnachrichten generieren.
  6. Vermarktung. Es ist ein Kardinalsfehler, dass die Vermarktung eines Produktes so kurz vor Release noch nicht begonnen hat.

Um es kurz zu machen: Vermarktung auf allen Kanälen, paydirekt als bankenübergreifendes Baukastensystem und nicht als alleiniges Online-Bezahlsystem, offene Schnittstellen, niedrige Hürden für den Händler, Anreize für Konsumenten schaffen.

Maik Klotz ist Autor und Speaker zu den Themen Mobile, Banking und Payment. Aktuell arbeitet Maik als Head of Business Development im Bereich Mobile Loyalty bei der valuephone GmbH. Sein Fokus liegt auf dem Anwender. Twitter: @klotzbrocken

Rafael Otero

Rafael Otero
Rafael Otero

Zunächst muss eine Bestandsaufnahme gemacht werden: was haben die Banken als digitales Bezahl-Produkt Stand heute: Giropay.
Was ist die grösste Schwäche gegenüber dem deutschen Wettbewerber Sofortüberweisung: paydirekt hat nicht alle Banken an Board.
Was kann paydirekt besser als Giropay: Nicht viel, außer dass mehr Banken bei paydirekt mit machen, aber immer noch weniger als bei Sofortüberweisung.

Ich würde versuchen eine Version 2.0 von Giropay hinzubekommen, mit dem Fokus auf Mobile (grösste Schwäche aller anderen Anbieter) und einer bessere Webvariante. Damit man eine solche Bezahlmethode auch „offline“ am Point of Sale anbieten kann, muss die Lastschrift (die heute im Handel eine der weitverbreitesten Zahlmethoden ist) als Teil von paydirekt eingebettet werden.

Organisatorisch – jeder, der “Digital” nicht versteht ist bei einem solchen Thema fehl am Platz. Das führt zu einem neuem Team mit klarem Kunden- und Produktfokus. Dieses Team setzt eine Version 2.0 von Giropay als paydirekt um und vermarktet dies als digitale Lösung. Vermarktung heißt aber nicht Pressefrühstück, Aktionen oder Anzeigen in den Bankenblättchen. Ich würde zudem eine offenen API von paydirekt bereitstellen, damit auch kleinere (digitale) ausländische Banken und oder FinTech’s sich integrieren können und damit es keine kleingeistige rein deutsche Lösung bleibt. Diese API muss auch von allen angeschlossenen Banken genutzt werden, damit der Implemntierungsdruck bei der Bank und nicht mehr bei paydirekt liegt. Das alles würde ich in eine klare Roadmap und Timeline gießen und starten.

Rafael Otero ist Co-Founder und CTO bei der payleven Holding GmbH. Rafael ist Mentor für technisch begabte Talente sowie Internetunternehmer und agiert als Business Angel für Technologie-Startups. Twitter: @rotero

Jochen Siegert

Jochen Siegert
Jochen Siegert

Ich befürchte, jetzt helfen nur noch drastische Maßnahmen:

  1. Personal: Leute aus Banken, die den digitalen Wandel verschlafen haben und sich jetzt bei der Umsetzung von den bekannten großen Beraternamen helfen lassen, bekommen die Kuh nicht vom Eis. Hier müssen auf allen Ebenen Leute ran die „digital“ und „online“ verstehen und „Outside-In“ vom Kunden und Handel her denken und agieren statt „Inside-out“ wie eine Bank es täte.
  2. Produkt: Mit dem jetzigen Produkt im 2015 zu starten, ist zu spät. Ich würde statt dessen sowohl auf Giropay setzen (Vermarkten, was man hat) und darüber hinaus ausschliesslich Zukunftsthemen besetzten: Ich denke hier an P2P und „Mobile“. Dies sind Felder, wo sich heute schon die „neuen“ PayPals bereit machen. Das Produkt sollte also ein mobile-first P2P-Produkt sein und zusätzlich auf Smartphones und Tablets als In-App-Payment funktionieren. Nachdem man über die P2P-Funktionalität aktive Kunden aufgebaut hat, würde ich dann die Expansion auf klassische Web-Online-Shops und die Nutzung am POS forcieren. Das ganze verbunden mit komplett offenen APIs, damit Entwickler darum ein eigenes Ökosystem/Banken-APP-Store bauen können.
  3. Launch: Nichts ist schlimmer als ein verkorkster Launch, wie es derzeit passiert. Das „Märchen Weihnachtsgeschäft 2015“ ist längst entlarvt. Daher würde ich jetzt die Notbremse ziehen, intern meine Hausaufgaben machen und Mitte 2016 mit einem kompetitiven Produkt und Value Proposition auf den Markt kommen.
  4. Unabhängigkeit von Banken und Bankpolitik: Nur ein vollständig eigenständiges Setup ohne langsame Gremienabstimmung und Abhängigkeit von IT-Relseasezyklen der vielen Banken kann einen Erfolg ermöglichen. Die paydirekt GmbH muss so mit eigenen Mitteln und Entwicklung ausgestattet werden, um das Produkt gänzlich In-house zu bauen UND vermarkten zu können.

… und dann gehört noch viel Blut, Tränen und Schweiss dazu, verbunden mit dem berühmten Quäntchen Glück.

Jochen Siegert ist Vorstand/COO des B2B Payment-FinTechs Traxpay AG.  Er schaut zurück auf 15 Jahren Erfahrung im Zahlungsverkehr und begleitete in diesen Jahren Führungspositionen bei Unternehmen die sämtliche Seiten einer Zahlungstransaktion abdecken: Zahlverfahren (PayPal EMEA, MasterCard Europe), Bank/Kartenherausgeber (KarstadtQuelle Bank) und Onlinehandel (Bigpoint). Er ist im Advisoryboard bei FinLeap und Figo aktiv Twitter: @jochensiegert

Kilian Thalhammer

kilian thalhammer
Kilian Thalhammer
  1. Als erstes gilt es zu versuchen, den Markt und den Kunden zu verstehen. Braucht der Kunde wirklich eine neue Zahlart und sind die „30 Mio“ Kunden der Banken wirklich ein Vorteil oder zahlen die nicht eh schon alle Online? Ob die Fokussierung von paydirekt auf das Thema „Vertrauen“ ausreicht, um Kunden zu überzeugen, ist fraglich. Bei paydirekt sollte man aus der Vergangenheit, in dem Fall aus Giropay lernen und evolutionär weiterentwickeln.
  2. paydirekt sollte versuchen, die herkömmliche Lastschrift als „Produkt der Banken“ zu nutzen und stärker zu vermarkten. Man darf nicht unterschätzen, dass der Endkunde die Zahlart „Lastschrift“ bereits als „Zahlart seiner Bank“ definiert. Sich das intelligenter zu nutze machen, generiert vielleicht viel schneller und günstiger einen relevanten Marktanteil. Darauf aufbauend dann Produkte etablieren (z.B. PIN Lastschrift oder Kombination mit XS2A).
  3. Eine rein nationale Lösung wird es immer schwer haben, vor allem gegen ein weltweit operierenden Online-Bezahldienst wie Paypal. Hier empfehlen sich Partnerschaften mit anderen europäischen Lösungen wie z.B. iDeal oder MyBank.
  4. Vermarktung gibt es im Moment ohnehin keine. Daher muss ein Fokus auch auf Sales gelegt werden. paydirekt zu einem Produktbaukasten ausbauen und nicht versuchen als Einzelprodukt zu etablieren.
  5. paydirekt ist ein Produkt der Banken und das ist ein Problem. Bankstrukturen sind zu verkrustet und man sollte paydirekt von eben diesen Strukturen entkoppeln, die Organisation neu durchmischen und sich kreative Experten aus dem Markt holen.
  6. Last but not least: Über schlaue Akquisitionen nachdenken (z.B. Intercard und damit die Online Lastschrift abbilden und sich hier als Player etablieren….)

Das “Rat Pack” trifft sich regelmäßig, um über die aktuellen Entwicklungen in der FinTech-Branche zu diskutieren.

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2 Antworten zu “Einen Tag Geschäftsführer bei paydirekt: Was das Rat Pack tun würde.”

  1. […] paydirekt sucht zwar offiziell keinen neuen Geschäftsführer, unsere Finanzexperten André M. Bajorat, Maik Klotz, Rafael Otero, Jochen Siegert und Kilian Thalhammer haben auf mobilbranche.de trotzdem schon einmal ein Bewerbungsschreiben veröffentlicht. Darin beschreiben sie, was sie tun würden, wenn sie einen Tag lang Geschäftsführer des Online-Bezahldienstes wären. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

  2. […] Das “Rat Pack” der FinTech-Branche meldet sich wieder zu Wort. Nachdem unsere Experten beim letzten Mal beleuchtet haben, ob kleine Mobile-Payment-Anbieter gegen Apple Pay & Co überhaupt eine Chance haben, schlüpfen André M. Bajorat, Maik Klotz, Rafael Otero, Jochen Siegert und Kilian Thalhammer dieses Mal in die Rolle des Geschäftsführers von paydirekt, dem gemeinsamen Online-Bezahlsystem der deutschen Banken und Sparkassen. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

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