Aldi führt Mobile Payment ein. Eine Geschichte voller Missverständnisse

Manchmal wundert man sich, wie aus einer Mücke ein Elefant wird oder wie eine harmlose Pressemitteilung, ohne hinterfragt worden zu sein, von vielen Medien übernommen wird. So auch bei der Mitteilung von Aldi Anfang Juni. Dort hieß es am 09.06.15 “Kontaktloses Bezahlen bei ALDI Nord”. Was folgte, war ein Paradebeispiel übertriebener Berichterstattung, denn das, was Aldi zunächst einführen wollte, war alles andere als spektakulär. In der Mitteilung hieß es: “Voraussetzung für kontaktlose Zahlungen ist eine NFC-fähige Maestro- oder V-Pay-Debitkarte oder ein NFC-fähiges Smartphone”. Der Konsument braucht also eine “NFC-fähige Maestro- oder V-Pay-Debitkarte”. Das Problem hierbei ist: es gibt in Deutschland zwar kontaktlose Kreditkarten, eine kontaktlose Maestro- oder V-Pay Debitkarte gibt es aber nicht. Bliebe laut der Mittelung noch die Benutzung mit einem NFC-fähigem Smartphone. “Hab ich!”, dachte sich so manch ein Smartphone-Besitzer. Doch auch hier liegt der Teufel im Detail, denn der Nutzer benötigt eine Wallet App. Woher der Konsument diese bekommt, darüber schweigt sich die Pressemitteilung, aber auch so manches Nachrichtenportal aus.

Mobile Payment Aldi Nord.
Mobile Payment Aldi Nord (Quelle: Aldi)

Was es für den Nutzer bedeutet sich für einen der Wallet-Anbieter, wie zum Beispiel SmartPass von Vodafone oder MyWallet der Telekom, zu registrieren, bleibt unerwähnt. Denn, um eine solche Lösung zu benutzen, bedarf es neben der entsprechenden Wallet-App auch einen Account bei einem der Lösungsanbieter. “Account” ist hier die harmlose Beschreibung dessen, was der Konsument tatsächlich bekommt: eine neue Kreditkarte bei einem Payment Service Provider, meistens bei Wirecard. Dass dafür eine Schufa-Auskunft eingeholt werden muss, wird verschwiegen. Dass die SIM-Karte des Telefons getauscht werden muss, bleibt ebenso unerwähnt. Genauso, dass keine der Lösungen mit dem iPhone funktioniert – auch nicht mit dem iPhone 6, obwohl es NFC hat. Die NFC-Funktion vom iPhone ist Apple Pay vorbehalten, das in Deutschland (noch) nicht verfügbar ist. Wer mit dem iPhone bei Aldi bezahlen will, benötigt also einen NFC-Sticker der Mobilfunker und die entsprechende Wallet-App. All diese Informationen bleiben unerwähnt und trotzdem kommt es (mal wieder) zum Durchbruch beim Mobile Payment, nur dass man (mal wieder) die Rechnung ohne den Nutzer gemacht hat. Selbiger dürfte sich inzwischen unter dem Tisch in Embryonalstellung zusammenrollen, sobald die Rede von Mobile Payment ist.

Kontaktlos Logo am Terminal
Am kontaktlos Logo am Terminal erkennt man die NFC-fähigkeit (Bildquelle: commons.wikimedia.org / ING Nederland)

Dabei hätte es so einfach sein können. Denn der einzige Grund, warum Aldi kontaktloses Zahlen einführt, ist nicht etwa dem Kunden primär kontaktloses Bezahlen zu ermöglichen, sondern die Einführung der Möglichkeit mit Kreditkarte zu bezahlen. Demeinhergehend müssen Händler auch kontaktlose Kreditkarten akzeptieren, was zu einem zwangsläufigen Austausch der Terminals bei Aldi führte. Nach dem Lidl und Kaufland im Juli die Kreditkartenzahlungen einführen wollen, legte Aldi entsprechend nach und erklärte ebenfalls, künftig Kreditkartenzahlungen zu akzeptieren. Warum Aldi nun Anfang Juni eine Pressemitteilung zu einem halbgaren Thema veröffentlichte, bleibt unbeantwortet. Vielleicht wollte Aldi einfach nur das Thema Mobile Payment besetzen. Das hat Aldi geschafft, auch wenn es sich bei der Meldung eigentlich um eine Luftnummer handelt. Dass die Discounter nun Kreditkarten unterstützen, ist gut und ist auch im internationalen Vergleich beim Thema Kreditkartenakzeptanz dringend notwendig. Zwar ist die Kreditkartennutzung in Deutschland im Moment noch mit 5,3 Prozent verhältnismäßig gering, aber bisher fehlte es auch an Akzeptanzstellen, was sich jetzt langsam ändert. An der traurigen Situation beim Mobile Payment ändert das alles nichts. Die in Deutschland verfügbaren Wallet-Lösungen werden dadurch nicht besser oder bedienbarer. Es ist zu hoffen, dass sowohl Apple mit Apple Pay als auch Google mit Android Pay bald nach Deutschland kommen und damit den gordischen Knoten zerschlagen.

Paywave oder Paypass Logo
Paywave oder Paypass Logo auf der Kreditkarte (Bildquelle: commons.wikimedia.org)

Für den Moment bleibt die Möglichkeit ab Juli bei Lidl, Aldi und Kaufhof – sowie bei knapp 50.000 weiteren Akzeptanzstellen (erkennbar am Kontaktlos-Logo) kontaktlos mit einer kontaktlosen Kreditkarte (erkennbar am Paywave (Visa) oder Paypass Logo (Mastercard)) oder mit einem Android Smartphone und einer Wallet-Lösung wie MyWallet, SmartPass oder mPass zu bezahlen – letztere dürften in Deutschland aber weniger Nutzer haben, als es Pinguine am Nordpol gibt.
mobilbranche.de (Unsere Meldung zu Aldi Nord)

 

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Unternehmen im Beitrag

3 Antworten zu “Aldi führt Mobile Payment ein. Eine Geschichte voller Missverständnisse”

  1. […] Aldi führt Mobile Payment ein, war kürzlich bei vielen Zeitungen und Online-Diensten (auch bei uns) zu lesen. Doch ganz so leicht, wie man sich das kontaktlose Bezahlen an der Aldi-Kasse vorstellt, ist es dann doch nicht. Maik Klotz erzählt eine Geschichte voller Missverständnisse. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

  2. […] Juni noch einmal Revue passieren und zeigen Ihnen die zehn meistgelesenen Meldungen – u.a. mit der Analyse von Maik Klotz zum Mobile-Payment-Missverständnis bei Aldi, dem mobilen Postident-Verfahren der Deutschen Post und den Erfolgsaussichten von paydirekt, dem […]

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