Interview mit Dr. Marc-Oliver Reeh vom Center for NFC Management Hannover: „NFC wird in 5 Jahren eine Alltagstechnologie sein.“

Konterfei Marc-Oliver Reeh„Die entscheidende Frage lautet: Wem gehört der Kunde? Eine eigene White-Label-BLE-App, eine Bezahllösung der Telkos mit NFC-SIM, Google Wallet aus der Cloud – hier unterscheiden sich Technologien, Kundenreichweite und Marketing-Optionen doch ganz gewaltig“, ist Dr. Marc-Oliver Reeh, Geschäftsführer des Center for NFC Management (CNM) in Hannover, sicher. Er ist seit 10 Jahren mit der Entwicklung mobiler Lösungen beschäftigt. Gemeinsam mit einem großen Expertennetzwerk begleitet das CNM seine Projektpartner aus Wissenschaft und Praxis bei der Realisierung eigener NFC-Angebote in Bereichen wie Payment, Retail, Ticketing oder Access. „NFC wird in 5 Jahren eine Technologie sein, die wir wie LTE oder DSL ganz alltäglich nutzen, ohne uns über Standards oder Protokolle überhaupt noch Gedanken zu machen. Entscheidend sind allein Content, Usability und wahrgenommene Mehrwerte. Und genau hier bietet NFC die beste Möglichkeit, verschiedenen Anwendergruppen einfache, beherrschbare Zugänge zur digitalen Umwelt anzubieten“, so Dr. Marc-Oliver Reeh zur Zukunft des Übertragungsstandards NFC. Reeh wird auf der WiWo-Konferenz Mobile Wallet & Mobile Payment einen Vortrag zum Thema „Mobile Wallet: Die Digitalisierung des Portemonnaies – Von der Marktforschung über das Marketing bis hin zur Vermarktung“ halten. Wir haben ihn im Vorfeld der Konferenz zum Wettstreit der Übertragungsstandards, Mobile-Wallet-Lösungen und Bluetooth Low Energy befragt.

mobilbranche.de: Wann haben Sie zuletzt privat NFC genutzt und wofür?

Dr. Marc-Oliver Reeh: Am letzten Wochenende in Hannover zum Bezahlen mit mpass. Das funktioniert mittlerweile sehr gut, was weniger eine Frage der Technologie, als vielmehr des geschulten Kassenpersonals ist. Als ehemalige Girogo-Pilotregion haben wir es in Hannover diesbezüglich sehr gut.

mobilbranche.de: Neben PayPal will offenbar auch Apple demnächst NFC sowohl in seinen Stores als auch (einigen Berichten zufolge) im neuen iPhone unterstützen. Wie ist dieser Sinneswandel bei den beiden NFC-Verweigerern zu begründen?

Dr. Marc-Oliver Reeh: Für die PayPal-Manager ist das neue Host Card Emulation (HCE-) Protokoll eine Möglichkeit, nach Jahren der medialen Schelte ohne Gesichtsverlust auf den NFC-Zug aufzuspringen. Wer keine Infrastruktur am physischen POS hat, der muss im Wettbewerb halt laut für seine eigenen Produkte werben. Womöglich ist diese Einschätzung jedoch auch zu polemisch. PayPal ist sehr gut darin, schnell neue Ideen zu kreieren und auszuprobieren. Wenn sich mit NFC-HCE die Rahmenbedingungen für PayPal verbessern, werden die US-Manager diese Option alsbald aufgreifen.

Für Apple hingegen bestand beim Thema NFC immer das Problem, zwar sehr gut Marketing, jedoch – selbst in den besten Zeiten – nicht aus dem Stand heraus ein ganzes Mobile Payment Ökosystem enablen zu können. Es ist schwierig, der Flow-verwöhnten Kundschaft den steinigen Weg zur Mobile Wallet zu erklären. Zum Glück haben andere hier bereits viele Türen geöffnet und zunehmend etablierte Standards definiert. Auch deshalb denke ich, dass Apple NFC in das nächste iPhone integrieren wird. So langsam muss Apple Neues wagen, um nicht gänzlich aus dem Fokus der Innovationsführer zu geraten. Hippe Kopfhörer alleine reichen da wohl kaum aus.

mobilbranche.de: Mit Bluetooth-Low-Energy hat NFC Konkurrenz bekommen. Die Beacon-Lösungen werden vielerorts als universell einsetzbarer Heilsbringer gelobpreist. Worin unterscheiden sich die beiden Lösungen?

Dr. Marc-Oliver Reeh: Bluetooth Low Energy (BLE) ist eine interessante Technologie, die ihren Weg gehen wird. In den meisten Anwendungsszenarien ist BLE jedoch keine Konkurrenz zu NFC et vice versa. Ob BLE oder NFC, das ist eine Frage der Kosten, benötigten Reichweite, Prozesse, User Experience etc. Der heilige Gral des Mobile Business ist BLE jedoch sicher nicht. iBeacons werden dieses Jahr noch weiter gehypt und sich dann ganz regulär in den Kanon anderer Location Based Service Technologien einreihen. Nach meiner Ansicht ist es für die Akteure wichtig, alsbald zu klären, wie es um die Sicherstellung des Datenschutzes bzw. einheitlicher Opt-in-Verfahren bestellt ist. Ansonsten werden einige schwarze Schafe BLE schnell negativ besetzten, Stichwort Permission Marketing, Reaktanz, usw.

mobilbranche.de: „Die Rolle der Übertragungstechnologien wird völlig überbewertet“ hat Dr. Danny Fundinger von IBM kürzlich in einem Interview gesagt. Hat er Recht?

Dr. Marc-Oliver Reeh: Ich schätze die Expertise von Herrn Fundinger sehr und auch dieses Mal liegt er mit seiner Aussage vollkommen richtig – zumindest aus Sicht des Anwenders. Für einen Händler hingegen ist es sehr wohl entscheidend, welche Technologie(n) er im Rahmen einer – ohnehin sehr komplexen – Multi-Channel-Strategie einsetzt. Die entscheidende Frage lautet: Wem gehört der Kunde? Eine eigene White Label BLE-App, eine Bezahllösung der Telkos mit NFC-SIM, Google Wallet aus der Cloud – hier unterscheiden sich Technologien, Kundenreichweite und Marketing-Optionen doch ganz gewaltig.

mobilbranche.de: Sie halten auf der WiWo-Konferenz Mobile Wallet & Mobile Payment einen Vortrag zum Thema „Mobile Wallet: Die Digitalisierung des Portemonnaies – Von der Marktforschung über das Marketing bis hin zur Vermarktung“. Dabei werden sie auf die verschiedenen Technologien aber auch die vielen zusätzlichen Mehrwertdienste eingehen. Die Deutsche Telekom hat kürzlich ihre Wallet mit reichlich Verspätung gestartet – zunächst ohne Kundenbindung und Bonusprogramme. War das ein Schuss in den Ofen?

Dr. Marc-Oliver Reeh: Das sicher nicht, im Gegenteil. Die Telekom ist ein sehr großes Unternehmen, in dem neue Lösungen wie Mobile Payment über viele Entscheider-Ebenen hinweg platziert werden müssen. Das kostet wohl viel Zeit und Nerven. Startups sind in Sachen Time to Market deutlich flexibler, doch gewinnen diese tatsächlich Reichweite? Demgegenüber ist die Telekom mit Blick auf Deutschland und das B2B-Geschäft einer der Player, der als A-Brand das Thema NFC auch über die BU Payment hinaus in gesuchte Anwenderbranchen (Automotive, Healthcare, ÖPNV) transportieren kann. Sich hierbei zunächst auf den ‚neuen Hygienefaktor‘ Payment zu konzentrieren, finde ich nicht falsch.

Gleiches gilt im Übrigen auch für die großen Konferenzanbieter, die es fachfremden Anwendergruppen ermöglichen, sich umfassend – und noch wichtiger – auf Augenhöhe über NFC & Co. zu informieren.

mobilbranche.de: NFC ist nicht nur für die Bezahlung und Loyalty einsetzbar. Viele andere Anwendungsszenarien sind denkbar. Welche sind das und wo sehen sie NFC im Wettstreit um den Durchbruch der Übertragungstechniken? Bzw. ist es überhaupt ein Wettstreit – so wie es in den Medien und von vielen Experten häufig heraufbeschworen wird.

Dr. Marc-Oliver Reeh: NFC kann sehr vielfältig eingesetzt werden. Neben Payment wird dies sicher der Bereich ID-Management bei Neuinstallationen und Ticketing im hochfrequenten ÖPNV sein. Spannend finde ich auch interaktives, kontextspezifisches Out-of-Home Advertising via NFC-Smartphone. Dabei gilt es jedoch immer abzuwägen, wie ich eine Lösung effizient und kostengünstig realisieren kann. Geobasierte, smarte Dienste werden als Kombination aus GPS, BLE und NFC in Erscheinung treten und die jeweils vorhandenen Möglichkeiten nutzen. Von einem wirklichen Wettstreit würde ich jedoch nicht sprechen. Dafür ist das adressierte Marktvolumen im Mobile Business noch zu klein.

mobilbranche.de: NFC wird in 5 Jahren … (Bitte vervollständigen Sie den Satz).

Dr. Marc-Oliver Reeh: NFC wird in 5 Jahren eine Technologie sein, die wir wie LTE oder DSL ganz alltäglich nutzen, ohne uns über Standards oder Protokolle überhaupt noch Gedanken zu machen. Ohnehin waren die NFC-Diskussionen in den vergangenen 5 Jahren viel zu technisch. Entscheidend sind allein Content, Usability und wahrgenommene Mehrwerte. Und genau hier bietet NFC die beste Möglichkeit, verschiedenen Anwendergruppen einfache, beherrschbare Zugänge zur digitalen Umwelt anzubieten.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview.

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