Interview: „Mobile wird zum Differenzierungsmerkmal“, sagen Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf von der Universität St.Gallen.

Christian RufAndrea Back„Mobile wird ob kurz oder lang von einem ‚Hygienefaktor‘ zu einem echten Differenzierungsmerkmal“, sagen Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf von der Universität St. Gallen. Back ist seit 1994 Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftsinformatik an der Universität St.Gallen und Direktorin des Instituts für Wirtschaftsinformatik IWI-HSG. Sie leitet das Competence Center Mobile Business und ist Mitautorin des Buchs „Mobile Business“. Gemeinsam mit Christian Ruf, Projektleiter und Doktorand am Competence Center Mobile Business, wird Sie am 21. Mai 2014 auf dem  3. St. Gallen Mobile Business Forum die Keynote unter dem Titel „Third Generation Enterprise Mobility“ halten. Darin wollen die beiden Wissenschaftler „Erfolgskriterien von solchen Mobile-Business-Best-Practices identifizieren und Empfehlungen für Praktiker ableiten“.

mobilbranche.de: Sie verleihen den Mobile Business Solutions Best Practice Award (Bewerbung bis 17. April möglich). Was muss eine Business-App ihrer Meinung nach mitbringen um a) ausgezeichnet zu werden oder b) zumindest als Best-Practice herzuhalten?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Bei Mobile Business Solutions handelt es sich mehr als „nur“ um eine App. Die Einreichungen beim Mobile Business Best Practice Award sollten folgende zwei Erfolgskriterien beachten: Als erstes sollen die Einreichungen Mobile Business Solutions beschreiben, d.h. mobile Lösungen, welche Geschäftsprozesse optimieren und transformieren. Eine App, welche also lediglich als Kanalerweiterung fungiert, bspw. Werbematerial per App-Store zur Verfügung stellt, hat geringe Aussichten auf eine Auszeichnung.

Als zweites sind wir an Mobile-Business-Lösungen interessiert, welche Lieferanten, Kunden oder andere Stakeholder in Geschäftsprozesse integriert. Dabei soll ersichtlich werden, welche qualitativen und quantitativen Vorteile, bspw. Kosteneinsparungen, Kundenzufriedenheit u.a., für diese Zielgruppen entstehen. Anhand dieser Kriterien werden wir die Einreichungen auf Herz und Nieren prüfen.

mobilbranche.de: Sie halten beim „Mobile Business Forum 2014: Best Practices“ die Keynote zum Thema „Third Generation Enterprise Mobility“. Was genau verbirgt sich hinter dem Titel und was macht die 3. Generation der Enterprise Mobility aus?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Der Begriff der zweiten Generation von Enterprise Mobility wurde letztes Jahr am 2. Mobile Business Forum von Dr. Thomas Sammer und Prof. Dr. Andrea Back eingeführt. Der Begriff liefert Antworten, wie es dazu kam, dass Mobile Business heute so allgegenwärtig ist: Eine rasche Verbreitung im privaten Umfeld, sehr intuitive Bedingung sowie kontextabhängige und intelligente Daten verhalfen Mobile im Business-Alltag zum Durchbruch. Im Rahmen unserer diesjährigen Keynote widmen wir uns der dritten Generation von solchen Mobile Business Lösungen. Auf unseren Roundtables, in unseren Forschungsprojekten sowie in Gesprächen mit der Praxis stellen wir fest, dass Mobile Business noch nicht das volle Potential entfaltet. Wir möchten dabei den Fokus auf Mobile Business Solutions legen, welche den Durchbruch geschafft haben und zur erfolgreichen Anwendung gekommen sind. Unsere Keynote wird dabei gewisse Erfolgskriterien von solchen Mobile Business Best Practices identifizieren und Empfehlungen für Praktiker ableiten. In diesem Zusammenhang sollen auch die ausgezeichneten Firmen des Mobile Business Best Practice Awards als Inspiration für andere Unternehmen dienen.

mobilbranche.de: Wie eine aktuelle Studie des ERP-Anbieters IFS zeigt, nutzen zwar 29 Prozent der befragten Führungskräfte vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mobilgeräte, doch nur 5 Prozent können darüber ihre Business-Daten abrufen. Ist dieses Phänomen auf einen Mangel guter Mobile-Enterprise-Apps/Lösungen zurückzuführen?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Solche Herausforderungen sind oftmals nicht technologischer Natur, sondern sind auf die Unternehmenskultur und auf das Mindset der Führungskräfte und Entscheidungsträger zurückzuführen. Datenzugriff und ERP-Anbindung ist heute kein Rocket Science und wären selbst in regulierten Branchen möglich. Dies zeigen Mobile Business Solutions, welche die Vertriebsmitarbeitenden ort- und zeitunabhängig mit einem Tablet ans CRM-System anbinden können. Wir kennen hier erfolgreiche Use Cases aus stark regulierten Branchen, wie aus der Pharma- oder der Finanzindustrie. Die Einführung von solchen Lösungen ist daher weniger von guten bzw. schlechten Mobile-Enterprise-Lösungen, sondern von der Veränderungsbereitschaft der Führungskräfte und Mitarbeiter abhängig.

mobilbranche.de: An der letzten Studie lässt sich schon ablesen, dass für viele Unternehmen Enterprise Mobility gleichbedeutend für BYOD bzw. für das reine Mobile-Device-Management steht. Dabei gibt es neben der Verwaltung der Geräte mit Application Management, Backend-Integration und Mobile Application Management drei weitere wichtige Eckpfeiler. Warum werden Letztere noch stiefmütterlich behandelt bzw. nicht wahrgenommen?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Generell ist es ganz normal, dass sich Nutzer und Organisationen Neuerungen in unterschiedlicher Geschwindigkeit aneignen. In einem sich noch stark entwickelnden Markt gibt es deshalb immer Organisationen, die sich auf mehr oder weniger fortgeschrittenen Reifestufen befinden; es macht ja auch Sinn, schrittweise vorzugehen.

mobilbranche.de: Welche Rolle spielen ihrer Meinung nach Wirtschaftsspionage, Abhöraffäre und Hackerangriffe für den Enterprise-Mobility-Markt?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Umfrageergebnisse zeigen, dass die Mehrheit ein Wachstum von IT-Security-Issues durch Mobile feststellt (siehe Studie). Die Cyber-Kriminalität geht dahin, wo Nutzer und Geschäfte sind, d.h. sie wächst mit dem Markt mit. Als Gegenpol schafft sie natürlich auch einen entsprechenden Dienstleistungsmarkt. Big-Data-Technologien werden z.B. auch die Methoden zur Bekämpfung der Cyberkriminalität verbessern.
Die Studie von McAfee und des CSIS versucht, die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Entwicklungen abzuschätzen.

Übrigens ist – wie schon immer bei IT-Sicherheit – unachtsames menschliches Verhalten eines der grössten Risiken.

Dass die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der Politiker sich nun stärker auf Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit richtet, ist eine wichtige Entwicklung. Es ist zu hoffen, dass die Aushandlung der gegenseitigen Interessen in Gestaltungen mündet, die das Gemeinwohl als Aggregat von staatlichen, wirtschaftlichen und Bürgerinteressen steigern.

mobilbranche.de: Wie wichtig ist es für Unternehmen heutzutage eine mobile Strategie zu haben? Müssen Unternehmen ohne mobile Strategie bereits mit Wettbewerbsnachteilen rechnen?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Die Frage, welche wir uns stellen müssen, ist was die mobile Strategie alles umfassen sollte. Mobile ist dabei nicht auf Soft- und Hardwarekomponenten zu beschränken, sondern wir verstehen darunter ein komplexes Informationssystem, welches von unterschiedlichen Stakeholdern in einem Unternehmenskontext verwendet wird. Eine mobile Strategie soll demzufolge insbesondere definieren, wie Mobile die unterschiedlichen Stakeholder in der Wertschöpfungskette, die Lieferanten, Partner, Mitarbeiter und auch Kunden unterstützen soll.

Als erstes soll genau definiert werden, wie die Kundenprozesse mit Mobile verändert werden. Im Bereich Commerce sehen wir rapide Zunahmen von Zugriffen per Tablets und Smartphones fest. Gemäss einer aktuellen Umfrage von GfK im Auftrag der Federal Reserve nutzen bereits heute 66% der Befragten das Smartphone, um Preise zu vergleichen und das preisgünstigste Geschäft auszuwählen. Online Shops, welche also heute keine responsive oder mobilen Webseiten zur Verfügung stellen, haben unserer Meinung nach bereits einen Wettbewerbsnachteil. In anderen Branchen, bspw. der Finanzindustrie, ist die Entwicklung noch nicht so weit vorangeschritten. Trotzdem beobachten wir auch da, dass viele vor allem jüngere Kundensegmente aufgrund von digitalen Angeboten und Mobile Banking eine grosse Bereitschaft haben die Bank zu wechseln. Gemäss einer Studie in den USA sind 30% der Millenials  offen, die Bank in den nächsten 90 Tagen zu wechseln.

Als zweites müssen sich Unternehmen aber auch damit beschäftigen, wie die Mitarbeiter mit diesen mobilen Geräten unterstützt werden. Mit einem von unseren Praxispartern führten wir letztes Jahr eine Studie durch, um der Frage auf den Grund zu gehen, wie der zukünftige Arbeitsplatz von Knowledge-Workern aussehen soll. Das Ziel dieses Projektes war es auch in Zukunft bei Fachkräften und Experten als attraktiver Arbeitsgeber wahrgenommen zu werden und dies speziell beim jüngeren Publikum. Solches „Employee Engagement“ kann insbesondere auch durch eine mobile Strategie, bspw. mit einer BYOD-Strategie, gefördert werden. Mobile wird ob kurz oder lang von einem „Hygienefaktor“ zu einem echten Differenzierungsmerkmal.

mobilbranche.de: Thema des letztjährigen Mobile Business Forum war „Leading the Mobile Change“. Ist der mobile Wandel im Unternehmensumfeld ein Jahr später bereits vollzogen?

Prof. Dr. Andrea Back und Christian Ruf: Wir glauben, dass die meisten Unternehmen die zunehmende Wichtigkeit von Mobile realisiert haben. Von der erfolgreichen Umsetzung in den jeweiligen Unternehmen sind wir aber noch einige Schritte entfernt. Deshalb steht das Motto der diesjährigen Veranstaltung rund um das Thema Best Practices. Wir wollen die Unternehmen auszeichnen, welche bereits heute schon da angekommen sind.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview.

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