Interview: Achim Himmelreich hält iBeacon für einen potenziellen Gamechanger.

Achim Himmelreich„iBeacons können tatsächlich den stationären Handel, so wie wir ihn kennen, umkrempeln. Denn durch iBeacons wird der stationäre Handel potenziell in die digitale Wertschöpfungskette integriert“, sagt Achim Himmelreich, Partner bei der Strategieberatung Mücke, Sturm & Company. Das Münchner Beratungshaus hat diverse Whitepaper zum Thema iBeacons veröffentlicht und zuletzt errechnet, dass ein mittelgroßes Kaufhaus bereits für 5.000 Euro mit Beacons ausgerüstet werden könnte. Hochgerechnet ergäbe das einen Preis pro Kontakt von rund 0,12 Euro. Von Konsumentenumfragen, die sich mit einem Use Case befassen, den der Kunde noch gar nicht erlebt hat, hält Himmelreich wenig. Einer jüngst veröffentlichte Nielsen-Studie nach würden 55 Prozent der Deutschen selbst dann nicht mobil bezahlen, wenn der Vorgang zweifelsfrei sicher wäre. „Wenn der Use Case erlebt wird und einen realen Nutzen bringt oder sogar Spaß macht, ändert sich die Einstellung. Und genau das fehlt bisher beim Mobile Payment – es macht keinen Spaß“, so seine Einschätzung. Wir haben Achim Himmelreich im Vorfeld der Payment 2014, dem 9. Kongress für Zahlungssysteme & Zahlungsprozesse am 8. und 9. April Frankfurt, zu der neuen Bezahl- und Marketingtechnologie iBeacon befragt. iBeacon ist eines der heißesten Themen auf der diesjährigen Payment 2014.

mobilbranche.de: Wann und was haben Sie zuletzt mobil bezahlt?

Achim Himmelreich: Gestern ein Handy-Ticket für die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB)

mobilbranche.de: Haben Sie iBeacon selbst schon einmal getestet?

Achim Himmelreich: Nein, das steht noch aus.

mobilbranche.de: Mobile-Payment-Experte Maik Klotz hat in einem t3n-Artikel geschrieben, dass es sich bei der Beacon-Technologie „vor allem um eine schöne Worthülse für Marketing-Abteilungen zu handeln scheint“. Hat er Recht?

Achim Himmelreich: Nein, denn iBeacons können tatsächlich den stationären Handel, so wie wir ihn kennen, umkrempeln. Denn durch iBeacons wird der stationäre Handel potenziell in die digitale Wertschöpfungskette integriert. Nur Potentiell, weil die Unternehmen auch tatsächlich relevanten Mehrwert entwickeln und anbieten müssen. Wenn die Technologie für Werbespam missbraucht wird, dann wird sie erst einmal scheitern.

mobilbranche.de: Ist iBeacon nun nur ein Hype oder ein Gamechanger?

Achim Himmelreich: Ein potentieller Gamechanger, weil der bislang anonyme Kunde im stationären Einzelhandel „entanonymisiert“ werden kann und so personalisiertes Marketing und CRM erstmals auch dort möglich sein kann. iBeacons können somit zur letzten Brücke auch für ein ganzheitliches Omnichannel-Modell werden.

mobilbranche.de: iBeacon ist prinzipiell eine Technologie, die nicht so viele Menschen erreicht, wie beispielsweise Geofencing. Warum ist iBeacon aus Ihrer Sicht dennoch effektiver?

Achim Himmelreich: Wissen tun wir das mit Sicherheit noch nicht, aber iBeacons sind sehr günstig, so dass die Hürden für den Handel gering sind und sie ermöglichen die Kommunikation mit dem Smartphone, so dass der stationäre Handel als letzte Bastion „sein Schweigen beenden kann“ und Teil der interaktiven Welt werden kann.

mobilbranche.de: iBeacon über Bluetooth Low Energy muss vom Kunden erst einmal aktiviert bzw. freigeschaltet werden. Wenn ein Nutzer in einer Einkaufspassage unterwegs ist und von jedem stationären Ladengeschäft mit Coupons, Angeboten überhäuft (zugespammt) wird ist iBeacon sicher ganz schnell wieder deaktiviert. Wie hoch ist die Spamminggefahr tatsächlich, was müssen Händler, die iBeacon nutzen, beachten?

Achim Himmelreich: Diese Gefahr ist tatsächlich real und die größte Bedrohung, die zu einem Scheitern führen kann. Es darf kein Werbespam geben. Es wird nur funktionieren und durch den Kunden akzeptiert, wenn echter Mehrwert und Relevanz erzeugt werden.

mobilbranche.de: Banken spielen im Mobile-Payment-Markt hierzulande kaum eine Rolle. Warum haben Banken diesen Trend verschlafen/tun sich schwer?

Achim Himmelreich: Das ist eine schwere Frage. Ich vermute, es hängt an sog. pathologischen Pfad-Abhängigkeiten, um es einmal wissenschaftlich auszudrücken. Anders gesprochen: Banken hängen kulturell und organisatorisch an ihrem, ja durchaus noch funktionierendem Geschäftsmodell und „denken“ daher kaum in den Kategorien der Internetökonomie.

mobilbranche.de: Die Deutschen misstrauen mobilen Bezahltechnologien offenbar. 55 Prozent würden selbst dann nicht mobil bezahlen, wenn die Sicherheit zweifelsfrei gewährleistet wäre, so eine aktuelle Studie von Nielsen. Was muss geschehen dieses tiefe Misstrauen zu überwinden?

Achim Himmelreich: Vor der Einführung des Automobils wurde der Technik auch misstraut, daher sind Konsumentenumfragen wenig wert, wenn Sie sich mit einem Use Case befassen, den der Kunde noch gar nicht erlebt hat. Gerade wir Deutschen sind da besonders skeptisch. Wenn der Use Case aber erlebt wird und einen realen Nutzen bringt oder sogar Spaß macht, ändert sich die Einstellung. Und genau das fehlt bisher beim Mobile Payment – es macht keinen Spaß. Es muss daher ein Bundle aus Leistungen entwickelt werden, wobei Mobile Payment ein Bestandteil ist, aber eben nur einer unter einer Reihe, die in der Summe die Begeisterungserfahrung produzieren.

mobilbranche.de Haben US-Konzerne wie Apple, Google oder PayPal in Zeiten von NSA-Skandal und Hackerangriffen überhaupt das Standing, Bezahlstrukturen hierzulande aufzubrechen und grundlegend zu verändern?

Achim Himmelreich: Ja, man denke nur an Amazon: Die schlechte Presse vor ein paar Monaten hatte keine feststellbaren Auswirkungen auf die Umsatzentwicklung. Empörung hinterlässt langfristig selten Spuren, wenn das Angebot „an sich“ die meisten Kunden überzeugt.

mobilbranche.de: Was müssen Banken ihrer Meinung nach tun, um neben Yapital, PayPal, SumUp, Payleven, paij und Co. zu einer ernstzunehmende Alternative zu werden? Was ist deren größter Hemmschuh?

Achim Himmelreich: Wie gesagt, die gesamte Kultur. Banken müssen sich als Internetunternehmen verstehen und ganzheitlich eine digitale Transformation durchlaufen. Das geht nur Top Down – und gerade dort reagiert aktuell allzu oft das alte Denken.

mobilbranche.de: Bis zu 120 Mio Euro Umsatz könnte Apples iBeacon anderen Payment-Anbietern im Einzelhandel hierzulande innerhalb von drei Jahren streitig machen, so die Analyse von MS&C. Gilt das nur für Apples iBeacon-Lösung oder auch für Beacon-Lösungen anderer Anbieter? Was macht Apple zum idealen Payment-Anbieter?

Achim Himmelreich: Das betrifft zunächst einmal nur die Apple-Lösung. Und Apple ist der ideale Anbieter für das eigene Ökosystem, da dort alles miteinander verzahnt ist und Apple schon im Besitz aller relevanten Zahlungsdaten ist. Dass Apple Payment als Single-Lösung jenseits des eigenen Systems anbietet, ist nicht zu erwarten.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview.

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4 Antworten zu “Interview: Achim Himmelreich hält iBeacon für einen potenziellen Gamechanger.”

  1. […] iBeacon ist ein potenzieller Gamechanger, glaubt Achim Himmelreich, Partner bei der Strategieberatung Mücke, Sturm & Company: “iBeacons können tatsächlich den stationären Handel, so wie wir ihn kennen, umkrempeln. Denn durch iBeacons wird der stationäre Handel potenziell in die digitale Wertschöpfungskette integriert.” Wir haben Achim Himmelreich im Vorfeld der Payment 2014, dem 9. Kongress für Zahlungssysteme & Zahlungsprozesse am 8. und 9. April Frankfurt, zu der neuen Bezahl- und Marketingtechnologie iBeacon befragt. Denn: Auch die beste Technologie kann scheitern, wenn sie falsch angewendet wird. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

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