Zweiter Frühling für mpass?

Key-PousttchiPremiere auf mobilbranche.de: Es ist uns gelungen, den international führenden Mobile-Business-Experten Key Pousttchi als Kolumnisten zu gewinnen. Er baute ab 2001 die Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg auf, promovierte 2004 zu Mobile Payment und habilitierte 2009 zum Einsatz von Mobile Business in Unternehmen und Angeboten für Endkunden. In Zukunft wird Key Pousttchi regelmäßig unter dem Motto M-Science & Strategy für mobilbranche.de schreiben und sich dabei aktuellen Entwicklungen im Mobile Business widmen. Seine erste Kolumne handelt vom mobilen Zahlungssystem mpass, das offenkundig als Allianz der deutschen Mobilfunknetzbetreiber gescheitert ist, aber als Marke weiter dem Wiedererkennungwert für den Kunden dient.

Liebe Mobile-Professionals,

letzten Mittwoch haben Sie es als Top-Meldung auf mobilbranche.de gelesen: O2 (genauer: Telefónica Deutschland) hat jüngst angekündigt, „seinen Bezahldienst“ mpass zum „3-in-1-Bezahlsystem“ umzubauen. Darin sollen NFC-(Sticker-)Zahlungen am POS, Zahlungen im E-Commerce per Mobilfunkrechnung und Zahlungen im E-Commerce per virtueller Kreditkarte zusammengefasst und um C2C-Zahlungen erweitert werden. Das ganze wird um Marketing-Tools für Händler angereichert. Bereits im Januar verkündete CEO René Schuster ja höchstpersönlich „das Ende des Geldbeutels“ durch M-Payment.

O2 weist besonders in der jungen, gebildeten Zielgruppe überdurchschnittlich hohe Marktanteile auf, fällt im Markt seit längerer Zeit mit spannenden Innovationen auf und will – falls Carlos Slim und die Kartellbehörden es zulassen – künftig mindestens auf Augenhöhe mit Deutscher Telekom und Vodafone spielen. Doch mpass ist nicht O2, sondern (war bisher) der Markenname für die M-Payment-Allianz der deutschen Mobilfunkanbieter Telekom, Vodafone und O2.

Im richtigen Leben ist das, was man(n) für einen zweiten Frühling hält, nicht selten ein definitives Zeichen von Herbst. Das gilt besonders, wenn es vor dem zweiten keinen ersten Frühling gab.

Schaut man nüchtern auf die Fakten, zeigen die derzeitigen Aktivitäten zunächst eines: mpass als Allianz der deutschen Mobilfunknetzbetreiber ist gescheitert, übrig bleibt nur die Marke mpass als Wiedererkennungswert für den Kunden. Ob das für die Entwicklung des M-Payment eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, ist damit noch nicht gesagt.

Die Idee war gut. Nachdem sich die deutschen Banken und Mobilfunkanbieter im Rahmen des National Roundtable M-Payment 2004/2005 nicht auf die gemeinsame umfassende Lösung nach dem Mobile-Payment-Referenzmodell einigen konnten, schmiedete ein sehr kleines Team bei Vodafone den Plan, zumindest die Mobilfunkanbieter in einer Allianz zu versammeln, und stieß dabei in München auf Gleichgesinnte. Der entwickelte mpass-Ansatz schaute sich offensichtlich eine Reihe von Architekturkomponenten vom Mobile-Payment-Referenzmodell ab (dafür sind Referenzmodelle ja prinzipiell da), entwickelte an anderen Stellen eine andere Herangehensweise, wählte Bezahlen im E-Commerce als attraktives und beherrschbares Einstiegsszenario, bekam schließlich auch noch die damalige T-Mobile an Bord und konnte damit das Gros der Mobilfunkkunden in Deutschland prinzipiell abdecken. So weit, so gut.

Die Sache hatte drei Geburtsfehler: Erstens vergingen bis zum Start mehr als vier Jahre, in denen die Marktmacht der Mobilfunkanbieter deutlich abnahm (2006 Beginn des aggressiven Preiskampfes nach dem Umbau von E-Plus, 2007 iPhone, 2008 Android). Zweitens wäre die Umsetzung durch die zahlreichen Kompromisse und das Fehlen jeglicher Eleganz für die Kunden schon „in der alten Mobilfunk-Welt“ wenig attraktiv gewesen – im beginnenden App-Zeitalter war sie bereits zum Start eher ein Problem als eine Lösung und so waren weder Kunden noch Händler in größerer Anzahl erkennbar. Drittens, und hier liegt die Hauptursache, war das ganze Projekt zu wenig strategisch angelegt und wurde von den Kooperationspartnern an vielen Stellen nur halbherzig betrieben: Der Mut und bei manchen auch der Wille zum gemeinsamen „großen Wurf“ fehlte. (Im M-Payment ein bekanntes Problem: Die spanische Mobilfunker- und Banken-Allianz Mobipay Espana, die mpass in einigen Aspekten deutlich voraus war, scheiterte bereits vor einigen Jahren aus exakt demselben Grund – man kooperierte zwar, wollte aber kein Geld ausgeben und die spannenden Dinge wollten die Partner dann jeweils allein machen.)

Inzwischen haben die Mobilfunkanbieter reihum die eigenständige Strategie aufgegeben und sich den Kreditkartenunternehmen angedient, die ihre in Deutschland notorisch schlechte Marktdurchdringung aufbessern wollen. Dabei hat sich Vodafone global für Visa entschieden und kann das „3-in-1“ in Deutschland, das auf MasterCard basiert und durch den Dienstleister Wirecard abgewickelt wird, so derzeit nicht mitgehen. Die Telekom geht zwar zunächst mit, bereitet aber eigentlich den Deutschland-Start ihrer eigenen Wallet aus dem Hause ClickAndBuy vor.

Damit ist die „3-in-1“-Strategie für mpass in der Tat eine reine O2-Strategie, für die nur die bereits eingeführte Marke mpass genutzt wird. O2 startet also wie angekündigt sein M-Payment neu und hat dabei innovative Leute und Management Support – wünschen wir ihnen also Glück! Auch die Telekom und Vodafone haben das Thema M-Payment noch lange nicht aufgegeben, möglicherweise werden wir deren kommende eigene Lösungen irgendwann auch unter dem Brand mpass sehen.

Gut ist auf jeden Fall, dass es an dieser Baustelle voran geht. Ob die Kleinstaaterei im deutschen M-Payment für die Beteiligten eine Erfolgsstory wird und welche Rolle die Mobilfunker dabei spielen werden, ist jedoch eine andere Geschichte.

Bleiben Sie mobil!

Ihr

Unterschrift Key Pousttchi

Über den Autor:

Key Pousttchi ist einer der international führenden Mobile-Business-Experten. Er baute ab 2001 die Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg auf und ist bislang der einzige deutschsprachige Wirtschaftsinformatiker, der zum Mobile Business promoviert (2004 zu M-Payment) und habilitiert (2009 zum Einsatz von Mobile Business in Unternehmen und Angeboten für Endkunden) wurde. Vortragstätigkeit und Projekte führten ihn nach Nordamerika, Asien und Afrika, seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Er ist Inhaber der wi-mobile Dr. Pousttchi GmbH, in der Praxis als Strategieberater, Keynote-Speaker und Aufsichtsrat tätig sowie gefragter Gesprächspartner der Medien, von Deutschlandfunk und ZDF bis zur „New York Times“. 2013 holte er die International Conference on Mobile Business im zwölften Jahr ihres Bestehens erstmals nach Deutschland.

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