Interview: Dirk Freytag über seine Herausforderungen als neuer Vorstandschef der YOC AG.

Schweres Erbe: Auch wenn im fünften Jahr in Folge alle sagen, dass Mobile zum Massenmarkt wird, „so bewegen wir uns im Mobile-Advertising-Markt immer noch auf die Schwelle zu – wir haben sie noch nicht erreicht“, sagt Dirk Freytag, neuer Vorstandsvorsitzender der YOC AG, im Antrittsinterview mit mobilbranche.de. Deutschlands wichtigster „Pure Player“ für mobile Werbung steckt mittendrin in einem größeren Umbau: Gründer Dirk Kraus verließ im September überraschend die börsennotierte Firma, es gab zwei Kapitalerhöhungen, zudem will die YOC AG die Technologietochter Sevenval rund fünf Jahre nach dem Kauf wieder veräußern. Es gibt also viel zu tun für den Neuen, zumal einige etablierte Vermarkter die YOC Media bei mobiler Werbung längst überholt haben. Dirk Freytag sagt im mobilbranche.de-Interview, dass er mit vielen Verlagen bereits über eine gemeinsame Vermarktung gesprochen hat. Es gäbe viele Verlage, die sagen würden, „ja, wir wollen ein Kombinationsticket, aber wir brauchen auch noch jemanden, der uns hilft, die speziellen Mobile-Sachen umzusetzen“, so Dirk Freytag. Die YOC AG wolle „da auf jeden Fall rein und auch den Großen helfen, im Mobile-Segment noch weiter zu wachsen“, unterstreicht er. Beim Verkauf von Sevenval will sich Dirk Freytag nicht unter Druck setzen lassen: „Wir sind nicht in einer hektischen Aktion, sondern evaluieren ordentlich, dass wir das Geschäft in die richtigen Hände geben und es wachsen kann“, sagt er. Mit den Kapitalerhöhungen habe die YOC AG zudem genügend Cash, „um aus einer guten Position heraus verhandeln zu können.“ Mehr dazu unten im Interview mit Dirk Freytag, der übrigens am 13. Februar beim 5. mobilbranche.de Mobilisten-Talk im BASE_camp in Berlin über die mobilen Trends für 2013 diskutieren wird (weitere Informationen dazu folgen im Januar).

mobilbranche.de: Herr Freytag, Sie übernehmen nun das Ruder bei der YOC AG, einem der wichtigsten Player im Bereich Mobile aus Deutschland. Was ist Ihr persönlicher „mobiler Fußabdruck“?

Dirk Freytag: Ich bin schon eine ganze Zeit auf Twitter und auf Foursquare aktiv, nutze also die mobile Kommunikation seit sehr langer Zeit. Allerdings würde ich mich selbst eher als „Digitalmensch“ bezeichnen, ich komme aus dem Online-Displaybereich. Schon in meinem vorherigen Job haben wir im Technologiebereich zum Thema Mobile viel gemacht und entwickelt. Ich war die letzten zwei Jahre auch noch zuständig für das Produktmanagement bei AOL Advertising, und habe hier unter anderem die Weiterentwicklung in dem Mobile-Bereich mit verantwortet. Zudem bin ich investiert in einzelne Firmen im Mobile-Bereich, wie zum Beispiel die Self Loading Content, die die App Dailyme hat. Von daher habe ich meine deutlichen Berührungspunkte und bin auch einfach davon überzeugt, dass Mobile einer der Märkte ist, der an der Schwelle steht, ein Massenmarkt zu sein. Und da mitzuspielen, ist das, was mich reizt.

mobilbranche.de: In letzter Zeit war es turbulent um die YOC AG, es gab mehrfach negative Quartalszahlen und zweimal Kaptitalerhöhungen. Wie wollen Sie jetzt ein bisschen Ruhe reinbringen?

Dirk Freytag: Wenn ich es raus gefunden habe, melde ich mich (lacht). Nein, ich glaube, dass die YOC dabei ist, in die richtige Zielausrichtung zu gehen. Es gibt ja auch den Beschluss, einen Teilbereich, nämlich Sevenval, abzuspalten und zu verkaufen. An dem Prozess arbeiten wir aktiv, denn das gibt uns die Möglichkeit, uns auf einen Bereich zu fokussieren, von dem wir glauben, dass wir dort wachsen und Skaleneffekte erzielen können.

mobilbranche.de: Wieso ist Sevenval als Technologiesegment profitabel und das Advertising-Geschäft im Moment noch negativ?

Dirk Freytag: Obwohl im fünften Jahr in Folge alle sagen, in diesem Jahr wird Mobile Massenmarkt, bewegen wir uns im Mobile-Advertising-Markt immer noch auf die Schwelle zu – wir haben sie noch nicht erreicht. Mobile Advertising ist noch nice to have und ein Zusatzbereich innerhalb von Mobile. Denn noch hat niemand den Schlüssel gefunden, die richtige Mobile-Werbung zu positionieren und den User entsprechend zu erreichen.

Wir wollen bei der YOC in den nächsten Jahren helfen, diesen Schlüssel zu finden, um die 15 Prozent Mediennutzung, die im Moment schon auf Smartphones stattfindet, auch tatsächlich mit Werbe-Dollars zu füllen. Wir sind bei 1 Prozent der Werbeausgaben für Mobil, eine Diskrepanz, die wir im Displaybereich aber früher genauso hatten. In dem Moment, wo es darum geht, Dinge einfacher zu machen, es dem Werbetreibenden einfach zu machen, mobile Werbung zu buchen, wird es auch für die mobile Werbung einen großen Schub geben. Da wollen wir dran arbeiten. Das heißt, wir wollen trotzdem neue Creatives finden, einfach um zu sehen wo und wie der User reagiert, aber wir wollen es dann auch Massenmarkt-tauglich machen.

mobilbranche.de: Wie soll das konkret funktionieren, an diese dicken Werbebudgets ran zu kommen? Ist noch „Erziehungsarbeit“ bei Werbekunden oder Mediaagenturen nötig?

Dirk Freytag: Wir sehen einen sehr, sehr starken Shift bei den Mediaagenturen, dass das Thema Mobile klarer Bestandteil der Planung der Agenturen wird. Wir sehen auch, dass die Budgets größer werden und auch Skaleneffekte. Das heißt, wir sind in unterschiedlichen Ländern an unterschiedlichen Punkten. Unser im Moment erfolgreichster Markt ist England, wo wir uns sehr gut positioniert und viele Sites haben, die wir präsentieren. Dort haben wir ein unwahrscheinliches Wachstum und sind auch schon profitabel. Das heißt, in dem Moment, in dem wir bestimmte Skalierungsstufen in einzelnen Märkten erreicht haben, sind wir profitabel und sehen profitables Wachstum. Wir müssen den anderen Märkten helfen, möglichst schnell in die Nähe dessen zu kommen, wie der britische Markt heute schon tickt, und uns entsprechend positionieren, so dass wir in allen Ländern profitabel werden.

mobilbranche.de: Wie einfach ist Ihr Geschäft denn als Pure Player für Mobile Advertising? Die etablierten Vermarkter der Verlage wie Axel Springer Media Impact oder G+J EMS haben das Thema auch besetzt und können mobile Werbung anders als YOC auch als Teil eines crossmedialen Paketes anbieten.

Dirk Freytag: Es wird beides geben. Es gibt verschiedenste Angebote, die nur Mobile sind, da muss es dann auch Vermarkter geben, die sich spezialisieren. Mobile ist ein anderes Device und eine andere Ansprache des Users. Zugleich habe ich auch mit vielen Verlagen gesprochen, die sagen, ja, wir wollen ein Kombinationsticket, aber wir brauchen auch noch jemanden, der uns hilft, die speziellen Mobile-Sachen umzusetzen. Da wollen wir auf jeden Fall rein und auch den Großen helfen, im Mobile-Segment noch weiter zu wachsen.

mobilbranche.de: Sprich, es könnte sein, dass YOC Media bald auch innerhalb von Bundles der großen Vermarkter buchbar ist?

Dirk Freytag: Wir sprechen in jedem Fall darüber. Die User sind ja in einer anderen Situation: Wenn ich mobile bin, dann kämpfe ich als Site-Betreiber bzw. Content-Anbieter um den nächsten Paragraphen. Es wird vieles schnell unterwegs gecheckt, z.B. in der S-Bahn, und das in einer ganz anderen Geschwindigkeit als am PC. Zudem gibt es auch eine andere Konsumhaltung, z.B. wenn ich ein Tablet ganz gemütlich auf dem Schoß habe wie etwa in der Werbung von Apple. Diese Konsumhaltung muss sich auch in der Werbung reflektieren.

mobilbranche.de: Sie kommen ja von Adtech bzw. Project Rubicon, das sind sehr technologie-orientierte Unternehmen. Was für Know-how bringen Sie mit, um mobile Werbung auch technologisch zu verbessern?

Dirk Freytag: Ich glaube, dass wir uns als YOC nur positionieren können, wenn wir mit auf die richtige Technik setzen. Müssen wir sie selbst machen? Nein. Müssen wir sie richtig verbinden? Ja. Da glaube ich, kann ich Know-how mit rein bringen. Ich bin überzeugt, dass Behaviour Targeting in zwei Jahren ein wesentlicher Bestandteil der Mobile-Werbung sein wird, jetzt aber noch nicht. Trotzdem machen wir uns natürlich schon jetzt Gedanken, was es für unterschiedliche Nutzer-Profile gibt. Das jetzt zu lernen, ist spannend und hilft uns, den Markt weiter zu entwickeln. Und wir sind bereit, wenn das Thema eine marktrelevante Größe bekommt.

mobilbranche.de: Wie wichtig ist Rich Media und wie löst man den Spagat, dass die User nicht genervt sind von zu viel Werbung auf dem kleinen Smartphone-Display?

Dirk Freytag: Rich Media wird sehr wichtig sein. Ich glaube auch, dass ein Teil der mobilen Vermarktung in einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren über automatisierte Plattformen stattfinden wird. Wir wollen uns in dem Bereich Rich Media und nutzergenaue Ansprache etablieren und fokussieren. Wir werden den Publishern aber trotzdem die gesamte Wertschöpfungskette anbieten. Bei meinem letzten Job in der AOL, als ich auch für das Produkt zuständig war, habe ich zum Beispiel die Firma Pictela gekauft, die nichts anderes macht als neue Rich-Media-Formate, was auch für den Display-Bereich wichtig ist und fürs Mobile genauso. Dabei muss es eine sehr genaue Ansprache geben, die dem User gefällt, damit er reagiert.

mobilbranche.de: Wie stark hilft YOC denn Werbungtreibenden oder Agenturen bei der Kreation von Rich-Media-Werbemitteln? YOC hat im Sommer einen Cannes Lions gewonnen für das „Mystery Ad“, doch beim Namen YOC denkt man ja nicht unbedingt an Kreation.

Dirk Freytag: Wir sind noch im Bereich der Entwicklung des Marktes. Und jeder, der im Markt ist, sollte mithelfen, den Markt weiter zu entwickeln und den richtigen Schlüssel zu finden – und der richtige Schlüssel ist das Creative. Was sind schöne, spannende Werbeformate, die wir anbieten können, damit es für den Werbetreibenden interessant ist, Mobile zu werben? Wir haben hier schon einen Schwerpunkt gelegt. Zugleich helfen wir den Publishern auch, diese Werbeformate einzubinden. Mitzuhelfen, die richtigen Creatives zu finden und mit zu entwickeln, um den Markt voran zu bringen sehen wir als wichtigen Punkt für die nächsten Jahre an.

mobilbranche.de
: Wie eingangs schon besprochen, plant die YOC AG den Verkauf der Technologiesparte Sevenval. Wie schnell wird dieser Verkauf entschieden?

Dirk Freytag: Das ist es ein wachsendes, profitables Geschäft – wir sind da nicht in Eile. Es muss passen. Wir müssen den richtigen Bieter haben, der bereit ist, den richtigen Preis zu zahlen. Wir sind nicht in einer hektischen Aktion, sondern evaluieren ordentlich, dass wir das Geschäft in die richtigen Hände geben und es wachsen kann. Mit den Kapitalerhöhungen haben wir auch genügend Cash, um aus einer guten Position heraus verhandeln zu können. Aber natürlich istdie Zielrichtung der YOC der Media-Bereich – da wollen wir so schnell wie möglich entsprechende zusätzliche Mittel haben, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.

mobilbranche.de: Bleibt der Fokus auf dem europäischen Markt oder sind auch andere Kontinente interessant?

Dirk Freytag: Lassen Sie uns da nochmal in drei Monaten darüber sprechen, wenn ich aufgenommen habe, wie wir als YOC genau funktionieren und wo wir hingehen. Wir sind jetzt in den wichtigsten europäischen Märkten präsent. Es fehlen vielleicht noch zwei, aber es macht vielleicht auch Sinn, irgendwo anders hin zu gehen. Es gibt viele Ideen, aber da würde ich mir noch drei Monate Zeit geben und dann auf Sie zukommen.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

Wollen Sie über die Entwicklungen im Mobile Business auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter von mobilbranche.de oben rechts im gelben Kästchen oder per E-Mail an abo@mobilbranche.de.

Diesen Artikel teilen

Unternehmen im Beitrag

Kommentare sind geschlossen.

Mobilbranche.de Newsletter

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbestimmungen.