Interview: Benedikt Hanswille von 12snap über die Konzeption und Kreation von mobilen Apps.

„Die Zeiten der Spielerei in der App-Welt sind vorbei. Allerdings fehlt es häufig noch an der übergreifenden Strategie, wie Mobile in die komplette Unternehmensstrategie integriert ist“, sagt Benedikt Hanswille, Creative Technology Director der 12snap Deutschland GmbH. Hanswille, der zugleich Leiter der Unit Mobile Creation im BVDW ist, nennt im mobilbranche.de-Interview vier Punkte, die man bei der Konzeption einer App beachten sollte: Zielgruppe, Komplexität, Markt und Fokus. Diese Punkte lassen sich auch gut unter dem Aspekt „Keep it Simple Stupid“ zusammenfassen. Im Interview erläutert Benedikt Hanswille zudem, wie wichtig Usability und Design für die Konzeption und Kreation von mobilen Apps sind, und gibt eine Einschätzung zu Technologie-Trends wie Near-field Communication (NFC).

mobilbranche.de: Herr Hanswille, Sie haben 2003 bei 12snap angefangen, also zu einer Zeit, wo noch kaum jemand das Mobile Web kannte. Was hat sich in dieser Zeit in Ihrer Arbeit verändert?

Benedikt Hanswille: Die Arbeit hat sich in drei Bereichen geändert. Im Jahr 2003 mussten wir noch sehr viel Aufklärungsarbeit bei Kunden leisten. Die Kunden haben zu diesem Zeitpunkt das Handy noch nicht als Marketingkanal gesehen und mussten erst verstehen, warum sie neben dem Internet noch einen weiteren neuen Kanal benutzen sollten und was die Vorteile sind. Zweitens hatten wir natürlich wesentlich weniger „Kanäle“ zur Verfügung. Mobile Applikationen gab es noch nicht. Das mobile Internet war zwar schon erfunden, jedoch wurde es von Nutzern nicht verwendet und, naja, die Möglichkeiten waren mehr als beschränkt. Die meisten Kampagnen benutzten SMS als Kanal und mobiler Content in Form von Wallpapern und Klingeltönen als Preise oder Belohnung für die Teilnahme. Die Kunden schätzten dies damals, da sie ansonsten dafür viel Geld bei Content-Portalen bezahlen mussten, heute funktioniert dieses Modell nicht mehr. Drittens mussten wir uns immer überlegen, wie wir die Kampagne in die normale Markenkommunikation integrieren, da die Kampagne ja irgendwie entdeckt werden musste und die Kunden nicht in App Stores oder dem mobilen Internet unterwegs waren.

Heute sehen diese drei Punkte sehr viel anders aus. Mobile Marketing hat sich in vielen Unternehmen etabliert, was man zum Beispiel an den geschaffenen Positionen für Mobile Marketing oder mobile Strategie sieht. Zweitens gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten Mobile Marketing zu betreiben. Die SMS gibt es immer noch, wenn die SMS auch gerade in Deutschland etwas aus der Mode gekommen ist, aber daneben haben sich das mobile Internet und mobile Applikationen als Kanäle etabliert. Drittens nutzen die Endkunden Mobile als Kanal sehr viel intensiver und nicht mehr nur zum Telefonieren und SMS schreiben. Die Kunden treffen dabei automatisch auf Marken entweder im App Store, beim Suchen oder in Form von Mobile Advertising im mobilen Internet.

mobilbranche.de: Sie kennen sich besonders gut mit der Konzeption von mobilen Apps aus. Was gilt es grundsätzlich zu beachten, wenn eine App am Reißbrett entworfen wird?

Benedikt Hanswille: Ich sehe hier vor allem vier Punkte, die man bei der Konzeption einer App beachten sollte. Die Reihenfolge der Punkte ist dabei jedoch von App zu App unterschiedlich und soll damit keine Priorisierung darstellen:

Zielgruppe: Die Zielgruppe der Applikation sollte genau bekannt sein und beschrieben werden, damit die App genau auf diese Gruppe, ihre Bedürfnisse und Probleme eingehen kann. Die Zielgruppe wird auch bei der Gestaltung und der User Experience eine Rolle spielen, da unterschiedliche Gruppen verschieden angesprochen werden sollten.

Komplexität: Die App sollte einmal ein Problem des Benutzers lösen und ihn nicht vor neue Probleme stellen. Dies bezieht sich einmal auf die Usability der App, die möglichst bekannte Nutzungsmuster aufgreifen sollte. Dies können einmal die Muster des Betriebssystems sein, also zum Beispiel der Zurück-Button in der linken oberen Ecke bei iPhone Apps oder die Tabs am unteren Bildschirmrand. Oder die Muster können der Realität entlehnt sein. Zum anderen bezieht sich dies allerdings auch auf den Aufbau und die Positionierung der App. Diese muss die Funktionsweise und den Nutzen der App klar kommunizieren. Apps, die vom Kunden nicht verstanden werden, werden entweder erst gar nicht geladen oder nach dem ersten Start gnadenlos wieder gelöscht.

Markt: Der Mobilfunk-und Smartphone-Markt verändert sich immer noch rasant. Bei der Entwicklung einer App und bei der Auswahl der Plattform und der Funktionen muss man sich anschauen, wie die Endgeräte und die Nutzung in der Zielgruppe verteilt sind und es Sinn macht, bestimmte Funktionen zu integrieren. NFC ist zum Beispiel schon seit langer Zeit in aller Munde, jedoch ist die Verbreitung immer noch sehr gering. Das iPhone unterstützt gar kein NFC und bei Android ist NFC erst seit der letzten Gerätegeneration standardmäßig integriert. Die Nutzung von NFC bei Smartphones hinkt der schon geringen Verbreitung allerdings noch massiv hinterher.

Fokus: Eine App ist eigentlich ein kleines Programm und kein ausgewachsenes Computer-Programm wie Microsoft Word. Im Zusammenhang mit dem Punkt Komplexität sollte man sich daher auf ein klares Nutzungsszenario konzentrieren und die App daraufhin optimieren. Die App sollte den Nutzer in die Lage versetzen dieses Nutzungsszenario soll schnell und effizient wie möglich zu vollenden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Instagram. Die Entwickler haben sich hier auf eine Nutzung konzentriert und ihre App daraufhin ausgerichtet und der Erfolg gibt Instagram recht. Lieber eine Zielgruppe optimal bedienen und mit dieser Zielgruppe wachsen, als es versuchen jedem gerecht zu werden und damit keinem richtig gut zu gefallen.

Alles in allem lassen sich die Punkte gut unter dem Aspekt „Keep it Simple Stupid“ zusammenfassen.

mobilbranche.de: Gibt es kundenseitig noch den simplen Wunsch „Wir wollen eine App haben“? Oder kommt man heute auf Sie immer schon mit konkreten Marketing- oder auch CRM-Zielen auf Sie zu?

Benedikt Hanswille: Diese Wünsche gibt es eigentlich nicht mehr. Die Unternehmen haben heute konkretere Vorstellungen und Ziele, die sie mit ihrer App erreichen wollen. Die Zeiten der Spielerei in der App-Welt sind vorbei. Allerdings fehlt es häufig noch an der übergreifenden Strategie, wie Mobile in die komplette Unternehmensstrategie integriert ist. Aus diesem Grund stehen die Apps trotz der genauen Zielsetzung häufig noch ziemlich einsam da und können durch fehlende Integration in andere Prozesse und Systeme nicht ihr volles Potenzial ausspielen.

mobilbranche.de: Wie stark unterscheiden sich Usability und Design von mobilen Angeboten je nach Zielgruppe? Zwischen Ihren Kunden wie dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline und dem Systemgastronom McDonald’s dürften ja Welten liegen.

Benedikt Hanswille: Die Usability unterscheidet sich erst einmal gar nicht großartig. Je nach Applikation und Anwendungsgebiet sieht das Design der Applikation sehr unterschiedlich aus. Bei der einen App kann mehr der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund stehen und bei der anderen App mehr der Informationsgehalt oder sogar die Effektivität des Kaufprozesses. Dies kann man aber weniger am Unternehmen und seinem Geschäft/Kunden festmachen, sondern eher an der Zielsetzung der Applikation. Die FitForTravel-App ist zum Beispiel eine medizinische Applikation, sie kommt deshalb aber nicht trocken und schwarz-weiß daher, sondern hat explizit unterhaltende Faktoren integriert, damit die Benutzung dem Kunden Spaß macht.

mobilbranche.de: Wie stark ist die Kreation mobiler Angebote denn Technologie-getrieben? Wie wichtig sind neu aufkommende Technologien wie Geolokalisierung oder auch die von Ihnen schon angesprochene Near-field Communication (NFC)?

Benedikt Hanswille: Neue Technologien bieten immer wieder neue Möglichkeiten für mobile Kampagnen und Services, allerdings sollte die Kreation nicht Technologie-getrieben sein. Die Kreation einer Kampagne oder eines Services sollte einmal immer von einer starken Idee beziehungsweise einem Kundennutzen herkommen. Wenn eine neue Technologie hierbei hilfreich sein kann, dann kann man sich überlegen, diese einzusetzen. Allerdings muss man dabei immer beachten, wie stark die Nutzung dieser Technologie schon in der Zielgruppe verbreitet ist und die Nutzung zumindest zum Teil schon erlernt ist. Ein gutes Beispiel ist NFC, diese Technologie ermöglicht interessante Dinge und Services, allerdings ist die Verbreitung noch sehr gering und die erlernte Benutzung noch geringer. Diese Komponenten schränken die effektive Benutzung zum jetzigen Zeitpunkt stark ein.

mobilbranche.de: Wohin wird sich die Mobile Creation in den nächsten Jahren entwickeln? Was sind die größten Trends, die Sie erwarten?

Benedikt Hanswille: Ich denke es wird im wesentlich drei wichtige Entwicklungen geben: Kurzfristig wird der mobilen Creation mehr Beachtung geschenkt werden als im Moment, wo Mobile in vielen Unternehmen noch ein wenig unter dem Radar der Gesamtstrategie läuft. Wie man in den letzten Tagen in den USA sehen konnte, können im Mobile Commerce schon erhebliche Umsätze bei großen Wachstumsraten erreicht werden. Dies wird den Fokus auf Usability und Conversion auch im Mobile-Bereich verstärken. Mittelfristig wird sich der Fokus etwas verschieben, da es nicht mehr auf Mobile Creation ankommt, sondern auf einen Digital Multichannel oder integrierte Creation mit einer integrierten Konsumer-Experience. Die Konsumenten kommen heutzutage über viele digitale Kanäle mit Marken und Firmen in Kontakt, beispielsweise über den Laptop, Tablet, Smartphone, über den SmartTV, die Spielekonsole und auch über Terminals in den Geschäften. Hier wird es wichtig, eine einheitliche Linie beziehungsweise ein wiedererkennbares Erlebnis für den Kunden zu entwickeln. Darüber hinaus wird es auch wichtig sein, dass der Kunde nahtlos von dem einen digitalen Kanal auf den nächsten Wechseln und dort zum Beispiel seinen Einkauf fortsetzen kann.

Daneben werden wir uns mit neuen Bedienkonzepten auseinandersetzen und weiter lernen müssen. Die Touch-Bedienung setzt sich gerade durch, allerdings lehnt sie sich noch stark an die Bedienung mit der Maus und der Tastatur an. In den Startlöchern stehen aber schon neue Konzepte über die Sprachsteuerung wie zum Beispiel Siri oder Google Now. Die Sprachsteuerung ist zwar im Moment noch primär auf wenige Applikation der OS-Hersteller beschränkt, wird aber in naher Zukunft den Sprung in andere Programme und auch Plattformen schaffen. Eine andere Art der Steuerung ist die Steuerung wie Gesten oder Bewegungen ohne den Bildschirm zu berühren wie bei Kinect von Microsoft oder Move von Sony. Im Moment wird dies primär für Spiele eingesetzt, jedoch lässt sich die Technik auch auf andere Szenarien übersetzen und es gibt eine Reihe von Patentanmeldungen von Smartphone-Herstellern wie Apple und Nokia zu diesem Thema.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

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