Interview: Manuel Bosch über Mobile Ticketing in Stuttgarts Bussen und Straßenbahnen.

Die Mobilbranche spricht derzeit viel von mobilen Bezahlösungen mittels Nahfeldchip (NFC). Doch die braucht es sicherlich nicht an jeder Stelle: „Den Schritt, dass der Fahrgast seinen Einzelfahrschein beim Busfahrer mit dem Handy bezahlen kann, haben wir mit dem mobilen Kauf einfach übersprungen“, sagt Manuel Bosch, Leiter Erlössteuerung bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB). Ganz ähnlich wie bei MyTaxi Payment bedeutet mobiles Bezahlen bei den SSB vielmehr, für eine bestimmte Leistung direkt in einer App zu zahlen: „Mit dem mobilen Ticketing können wir heute schon den ganzen Kaufprozess mobil abbilden und fahren mit hinterlegten Kontoverbindungen für das Lastschriftverfahren und Bezahlen per Kreditkarte sehr gut.“ Nur vier Monate nach der Einführung haben die SSB bereits 70.000 mobile Tickets verkauft, wie Manuel Bosch im Vorab-Interview zu seinem Vortrag auf dem Mobile Commerce Summit (28. August in Wiesbaden) sagt. Dort will er auch einen Ausblick darauf geben, wie NFC doch noch im Nahverkehr relevant werden könnte.

mobilbranche.de: Herr Bosch, Sie sprechen beim Mobile Commerce Summit über Mobile Ticketing & Services in Stuttgarter Bussen und Bahnen. Wie sind Ihre Erfahrung mit dem Ticketverkauf per App?

Manuel Bosch: Unsere Kunden haben den mobilen Vertriebskanal sehr gut angenommen. Dabei wurden unsere Erwartungen sogar deutlich übertroffen. Das Potenzial für die schnelle Marktdurchdringung lag wohl in den weit verbreiteten Auskunfts-Apps, die per Update um die Kauf-Funktion erweitert wurden. Dadurch wurde für über 200.000 Nutzer das Smartphone quasi über Nacht zum Ticketautomaten in der Hosentasche. Bei vielen Kunden hat die Einführung des mobilen Ticketing im Stuttgarter Nahverkehr positive Resonanzen hervorgerufen. Ein paar Nörgler gab es natürlich auch, unterm Strich können wir aber im Kundenfeedback eine Steigerung der Zufriedenheit und positive Imageeffekte feststellen.

mobilbranche.de: Erzielen Sie mit den Handy-Tickets bereits nennenswerte Umsätze? Oder anders gefragt: Wie relevant sind Handy-Tickets als Vertriebskanal?

Manuel Bosch: In den ersten vier Monaten haben wir bereits 70.000 Tickets verkauft und die Marke von einer viertel Million Euro Umsatz durchbrochen. Die Zielsetzung des mobilen Vertriebskanals sowie des gesamten Online-Vertriebs ist für uns allerdings nicht die kurzfristige Umsatzerzielung, sondern vielmehr langfristig eine strategische Umgestaltung des Vertriebs. Umsatzsteigerungen durch aktive Marktbearbeitung werden oft durch steigende Vertriebskosten kompensiert. Für eine dauerhafte Senkung der Vertriebskostenintensität müssen also die Vertriebskosten reduziert werden. Mit erheblichen Umsatzsteigerungen durch den Online-Vertrieb rechnen wir weniger. Treiber der Wirtschaftlichkeit des Online-Vertriebs sind vielmehr positive Kannibalisierungseffekte. Die Verlagerung von personenbedienten Umsätzen in den Online-Vertrieb ermöglicht deutliche Prozesskosteneinsparungen. Im Bereich der Einzel- und Tagestickets spielt für uns der mobile Vertriebskanal auch dauerhaft die wichtigste Rolle. Erste Kunden fordern sogar bereits die Sortimentserweiterung auf Wochen- und Monatstickets.

mobilbranche.de: Die Tickets verkaufen Sie sowohl über ihre eigene App namens „Fahrinfo Stuttgart“ als auch über „VVS Mobil“ und „Handyticket Deutschland“. Wieso fahren Sie hier mehrgleisig?

Manuel Bosch: Grundsätzlich wollen wir Nahverkehrstickets überall dort anbieten, wo der Kunde ist. Zum Projektbeginn haben wir die verfügbaren Lösungen für mobiles Ticketing im Nahverkehr am Markt analysiert. Die Lösung, die alles kann, haben wir – leider – nicht gefunden. Der Weg über die Apps „Fahrinfo Stuttgart“ und „VVS Mobil“ hat den Vorteil, dass der Ticketkauf in die auf Stuttgart angepasste Verbindungsauskunft integriert werden konnte, die außerdem schon zahlreich im Markt war. Über die App von „Handyticket Deutschland“ erreichen wir zusätzlich auch die Fahrgäste, die in anderen deutschen Städten zu Hause sind und einen Besuch bei uns machen. Und zukünftig werden wir den Ticketkauf sogar in die Mobiltäts-App eines großen deutschen Autobauers integrieren.

mobilbranche.de: Ist in Ihren Apps eigentlich das gesamte Ticketangebot verfügbar? In meiner Heimatstadt Leipzig ärgere ich mich manchmal, dass es zwar Handy-Tickets gibt, aber z.B. nicht für die Kurzstrecke.

Manuel Bosch: Unser Ziel ist es, das mobile Ticketing zum gleichwertigen Vertriebskanal zu machen, also auch das gesamte Sortiment hier anzubieten. Dieses Ziel gehen wir aber schrittweise an. Gestartet sind wir mit dem Produktsegment für die sogenannten Gelegenheitsfahrer, da in diesem Bereich der Kundennutzen am größten erscheint. Das sind Einzel- und Tagestickets – und auch das Kurzstreckenstreckenticket war vom Start an dabei. Aktuell ist die Ausdehnung auf Zeittickets in der Prüfung. Etwas komplexer ist der Verkauf von Tickets, für die eine bestimmte Berechtigung erforderlich ist, wie beispielweise bei Studententickets.

mobilbranche.de: An welcher Stelle könnte für Sie ein NFC-basiertes Bezahlverfahren interessant werden? Oder reicht es im ÖPNV vollends aus, wenn man sein Ticket sowie direkt innerhalb einer App per Lastschrift zahlen kann?

Manuel Bosch: Bei NFC-basierten Bezahlverfahren wird ja nur das Payment auf das Mobiltelefon gebracht. Mit dem mobilen Ticketing können wir heute schon den ganzen Kaufprozess mobil abbilden und fahren mit hinterlegten Kontoverbindungen für das Lastschriftverfahren und Bezahlen per Kreditkarte sehr gut. Den Schritt, dass der Fahrgast seinen Einzelfahrschein beim Busfahrer mit dem Handy bezahlen kann, haben wir mit dem mobilen Kauf einfach übersprungen. Aktuell wird das Ticket mit dem Smartphone noch als Barcode vorgezeigt. An dieser Stelle wäre es spannend, die Ticketkontrolle per NFC abzubilden, um den Prozess zu beschleunigen. Dazu wird es einen Ausblick in unserem Vortrag beim Mobile Commerce Summit geben.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

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