Systemfehler: Warum die Werbewirtschaft selbst für Fraud verantwortlich ist.

Von Paul H. Müller (adjust)

Als wir unser erstes Fraud Prevention Tool vor fast zwei Jahren veröffentlicht haben, war es nicht abzusehen, welche konkreten Herausforderungen auf uns zukommen werden. Noch weniger konnte ich erahnen, wie schwer es sein würde, den gesamten Markt davon abzuhalten, Millionen für Fraud auszugeben.

Werbetreibende: Das Problem beginnt hier.

Der erste Beta-Test unseres Fraud Prevention Filters stellte uns vor Probleme, die wir nicht erwartet hatten. Obwohl unser Tool offensichtlich funktionierte und Fraud Traffic im Vorfeld identifizieren konnte, wurden wir von unseren Kunden gebeten, unsere Zahlen doppelt und dreifach zu checken, da sie sicherlich falsch sein mussten. Warum war der Kunde nicht glücklich, fast 100.000 US-Dollar pro Tag zu sparen?

Als ich dann mit dem Verantwortlichen sprach, wurde mir bewusst, was das eigentliche Problem war: Er wollte nicht, dass wir Recht haben.

Der User-Acquisition-Manager, der den Test beaufsichtigte, wurde aufgrund seiner Fähigkeit gemessen, eine Anzahl neuer Nutzer zu einem möglichst niedrigen Preis zu kaufen. Durch die Präventionsfilter wurde es ihm unmöglich, das Volumen an neuen Nutzer zu dem Preis zu kaufen, den er brauchte. Und noch schlimmer, die Filter zeigten auf, dass er wahrscheinlich bereits ein paar Millionen Dollar für Fraud verschwendet hatte.

Geht es um den Verlust von Budget, greift die Geschäftsführung ein. In diesem besonderen Fall konnten die Umstände kaum schlechter sein, da sich herausstellte, dass der Chef der User Acquisition mehr als 10 Millionen Dollar für Fraud verschwendet hatte. Er wurde gefeuert.

Und genau hier liegt das Problem: Solange die UA-Manager mit dem Anreiz arbeiten, möglichst viele Nutzer zu einem möglichst niedrigen Preis zu kaufen, ist kaum jemand an der Beseitigung von Fraud interessiert. Mit der Identifizierung von Fraud ist es UA-Managern so gut wie unmöglich, ihre Ziele zu erreichen. Ein Grund, warum unser Ökosystem weiter unter massiven Betrugsfällen leiden wird, da alle Beteiligten dazu angehalten werden, die Augen davor zu verschließen.

Werbenetzwerke: Sie wollen, dass wir Betrug bekämpfen … nur eben nicht den eigenen

Das führt mich zum zweiten Mitschuldigen dieses Chaos: Netzwerke und ihre Sub-Publisher. Oft wird sogar die grundlegende Überprüfung der Publisher ignoriert, nur um eine größere Reichweite anbieten zu können. So werden verschiedene Arten von Fraud in den “unwissend” Werbenetzwerken geduldet, wie beispielsweise Klick-Spamming oder Klick-Injektion Fraud, um letztlich die reine Anzahl an möglichen User-Acquisitions für Kunden zu erhöhen.

Ein Beispiel für die künstliche Erhöhung der Conversions liefern einige Video-Netzwerke: Sie liefern Impressions von Nutzern, die lediglich die Video-Anzeige haben laden lassen und geben sie als tatsächliche Klicks aus, um ihre Conversion-Rates erheblich zu verbessern und lassen diese deutlich hochwertiger erscheinen, als sie es in Wahrheit sind. Ohne einen effektiven Echtzeit-Filter gegen Klick-Spamming, werden Werbetreibende weiterhin mit diesen Zahlen getäuscht.

Die Wurzel des Problems ist auch hier wieder der Anreiz. Sicher ist die Mehrheit der Netzwerke echt daran interessiert, ihr Netzwerk sauber zu halten, aber solange ein relevanter Teil des Systems davon profitiert, ein Auge zuzudrücken, ist es ein Nachteil, der einzige good guy zu sein, der aktiv dagegen vorgeht.

Aber wie ich schon erwähnt habe, wollen Werbetreibende eigentlich ja getäuscht werden.

Attribution Companies: Der Fehler wird bei uns gestoppt … oder zumindest sollte es so sein

Ohne Namen zu nennen und mit den Fingern wild umher zu zeigen, werde ich die wichtigsten Maßnahmen zusammenfassen, die von uns und der gesamten Branche kollektiv ergriffen werden sollten. Denn nur gemeinsam können wir den Kampf gegen Fraud führen und gewinnen.

  1. Widerstand: „Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun!“

Verschließen wir nicht länger die Augen sondern konfrontieren Werbenetzwerke, sobald wir Fraud finden. Wir sollten aktiv gegen Fraud ankämpfen und nicht bei Widerstand sofort klein beigeben. Nur so kann nachhaltig eine Verbesserung vorangetrieben werden. Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, dass der Launch der Fraud Prevention Tools zu Beginn oftmals in einem Telefonat endete, in dem viel geschrien wurde und die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse angezweifelt wurde.

  1. Kämpft den richtigen Kampf

Fraud Prevention Tools, die nicht über Filter gegen Klick Spam ankämpfen und lediglich den Spam melden, sind nichts weiter als ein Feigenblatt hinter dem man sich zu verstecken versucht. Auch der Ansatz der Device-Scoring ist ziemlich nutzlos, um die häufigsten Arten von Fraud zu bekämpfen. Stattdessen sind simulierte Installationen und Klick Spam, die Arten von Betrug, die es proaktiv mit Filter zu bekämpfen gilt, noch bevor diese ausgezahlt werden.

  1. Definiert neue Anreize, die das System neu ausrichten

Fraud ist für die Ungeschützten schlimmer als jemals zuvor. Und ich meine viel, viel schlimmer. Fraud macht außerhalb der drei großen Netzwerke von 20% bis zu unglaublichen 50% des Traffics aus. Diese Zahlen sind so groß, weil innerhalb des Systems viele Teilnehmer profitieren. Sie handeln also nach Anreizen, die Fraud fast notwendig machen.

Also, wie können wir die Art und Weise ändern, wie wir die Belohnungen und Anreize jedes einzelnen Teils der Wertschöpfungskette neu definieren – von Werbetreibenden zu Werbenetzwerken? Das ist die große Frage, der wir uns als Branche stellen müssen. Die Lösung muss sein, die reine Quantität der Conversions zu vernachlässigen und tatsächlich die Qualität und Echtheit der Werbeleistung in den Vordergrund zu stellen.

Wenn unsere Branche nicht einen Weg findet, wie man die Bekämpfung von Fraud auf allen Ebenen belohnt, müssen wir mit der Tatsache leben, dass wir weiterhin Milliarden für Fraud ausgeben.

Weitere Informationen über Mobile Ad Fraud finden Sie in einem Guide von Adjust.

Über den Autor:

Paul H. Müller ist CTO und Co-Founder von Adjust. Er ist verantwortlich für den Aufbau und die Skalierung der Technologien. Im Alter von 23 Jahren gründete Paul seine erste Firma, und veröffentlichte 25 Apps, mit über 10 Millionen Downloads. Paul studierte Physik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald und mag alles, was schnell ist, vor allem Motorräder.

Diesen Artikel teilen

Unternehmen im Beitrag

Kommentare sind geschlossen.

Mobilbranche.de Newsletter

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbestimmungen.