Mobile Apps vs. Mobile Web – oder kommt das Mobile Wapp?

Durch die massive Verbreitung von Smartphones ist auch die mobile Nutzung des Internets deutlich in die Höhe geschnellt. Um dieser veränderten Nutzung Rechnung zu tragen, muss sich jedes Unternehmen fragen, wie es sich mobil aufstellt – es braucht eine mobile Strategie.

von Ingo Schwab (Director Digital bei Publicis Media)

Zwei mobile Welten

Ingo Schwab

In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob sich mobile (native) Apps oder das mobile Web durchsetzen werden bzw. wird von großer Bedeutung. Denn dies sind – grob –  die beiden Kontinente, auf denen sich derzeit mobiles Leben abspielt. Während es sich bei einer (nativen) App um Anwendungssoftware für Mobilgeräte handelt, die installiert werden muss, wird der mobile browserbasierte Internetzugang als das mobile Web bezeichnet.

Dies führt zu Unterschieden auf verschiedenen Ebenen, über die sich Unternehmen bewusst sein müssen:



Kommt das mobile Wapp? 
Sowohl mobile (native) Apps, als auch das mobile Web haben Vor- und Nachteile. Dieser Umstand macht es zunächst einmal für Unternehmen relativ schwer, sich für das ein oder andere (oder beides) zu entscheiden. Einfacher und wünschenswerter wäre daher sicherlich ein mobiles Wapp, eine Zusammenführung der beiden Welten, die alle Vorteile beibehält und zugleich alle Nachteile eliminiert. Dann wäre der Wunsch eines jeden Unternehmen nur noch: eine Präsenz im mobilen Wapp.

Tatsächlich bemüht sich insbesondere Google gerade um neue Lösungen in dieser Hinsicht, vor allem durch die so genannten Accelerated Mobile Pages (AMP) und die Progressive Web Apps.

Bei den AMPs handelt es sich um speziell für die mobile Nutzung optimierte Websites. Sie werden in einer eigens entwickelten HTML-Version gebaut und haben eine geringere Datenmenge als konventionelle mobile Websites. Dadurch laden sie deutlich schneller. So wird beispielsweise durch Limitierung bestimmter Elemente einer Website das Lesen während des Ladevorgangs ermöglicht. Die Datenmenge bleibt niedrig, denn der Rest der Seite lädt unbemerkt nach – vorausgesetzt die Seite bleibt geöffnet. Das ist auch der wichtigste Vorteil der AMPs: ihre geringe Ladezeit bzw. ihre Schnelligkeit. Diese soll für ein optimiertes mobiles Usererlebnis sorgen und dadurch Absprungraten deutlich verringern.

Eine Progressive Web App dagegen ist eine Website mit optimiertem Caching der Offline-Funktionalitäten. D.h. eine Progressive Web App wird nicht auf dem Smartphone installiert, sondern in einem Browser gestartet und ist somit zwar eine Website, allerdings mit Besonderheiten, die den Charakteristika einer nativen App ähneln. So kann bspw. ein Icon der Progressive Web App dem Startscreen auf dem Mobiltelefon hinzugefügt werden, es können Push-Nachrichten versendet und einmal abgerufene Inhalte auch offline abgerufen werden.

Damit sind Progressive Web Apps eine spannende Innovation, die Nutzern webbasiert eine ähnliche Nutzererfahrung wie native Apps ermöglichen können und schnelle Ladezeiten, Offline-Nutzung und Push-Nachrichtenversand bieten. Für den User haben die Progressive Web Apps im Vergleich zu nativen Apps den Vorteil, dass sie mittels  Google-Suche leicht auffindbar sind und dass weniger Speicherkapazität auf dem Mobiltelefon benötigt wird. Suche und Installation im App Store entfallen, Updates via App Store sind ebenso unnötig.

Sind Progressive Web Apps die Zukunft?

So weit, so vielversprechend. Aktuell ist die Umsetzung von progressive Web Apps allerdings noch nicht in vollem Umfang möglich, da die Funktionalität noch nicht von allen Browsern unterstützt wird. So ist beispielsweise vor allem auf Apple-Geräten die Progressive Web App noch nicht voll funktionsfähig.

Dies mag auch daran liegen, dass Apple mit nativen Apps ca. 90 Prozent mehr Gewinn macht als Google, obwohl im Google Play Store mittlerweile doppelt so viele Apps heruntergeladen werden.

Google folgt damit seiner bereits länger bestehenden Mobile-First-Strategie, die darin besteht, mobilen Nutzern das bestmögliche Nutzungserlebnis zu bescheren. Denn am Ende werden es die Nutzer sein, die über die Zukunft der mobilen Welt entscheiden. Sie bestimmen, wie sie das Internet künftig mobil nutzen wollen und damit auch, welche Services sich durchsetzen werden.

Progressive Web Apps sind sicherlich eine interessante Neuheit, da sie versuchen, die Stärken von nativen Apps mit den Stärken des responsiven Mobile Webs auf Basis offener Webstandards zu kombinieren. Allerdings müssen noch ein paar technische Hürden genommen werden, bevor eine relevante Reichweite damit erzielt werden kann, die im extremsten Fall App Stores überflüssig machen würde.

Unternehmen müssen sich (noch) entscheiden

Aus Unternehmenssicht wäre eine frühe Festlegung auf eine Progressive Web App daher nicht sinnvoll. Schließlich verbringen die Smartphone-Nutzer immer noch den deutlich überwiegenden Teil ihrer Zeit in nativen Apps:

Allerdings verbringen sie diese Zeit mit nur wenigen Apps, während der Mobile-Web-Nutzer durchschnittlich mehr als hundert unterschiedliche Domains pro Monat besucht.

Diese Nutzungsunterschiede zeigen, dass die Kernfrage in Unternehmen nicht lauten darf: Brauchen wir eine native App oder eine mobile Website?, sondern vielmehr lauten muss: Wie ist meine mobile Strategie?. Denn nur auf Basis zuvor definierter Ziele lässt sich einschätzen, inwiefern eine native App oder/und eine mobile Website das geeignete Mittel zum Zweck ist. So kann eine native App beispielsweise eher der Kundenbindung dienen, während sich über das mobile Web eher eine hohe Anzahl an (neuen) Nutzern erreichen lässt.

Eine mobile Strategie ist daher das A und O für jedes Unternehmen – unabhängig davon, ob das mobile Wapp kommt oder nicht.

Über den Autor

Ingo Schwab ist Director Digital bei Publicis Media. Seine langjährige Expertise im Bereich des digitalen Marketings baute er während unterschiedlicher Tätigkeiten auf Unternehmens- und Agenturseite aus. So wurde er nach Positionen als Online Marketing Manager der Citibank und Senior Berater bei der adisfaction AG  zum Leiter des digitalen Marketings der Schülerhilfe ernannt, bevor er als Unit Director & Head of Mobile 2011 zur Mediaberatungsagentur Corssmedia wechselte. Seit September 2016 leitet er als Director Digital die digitale Unit der Publicis Media.

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