„Krass breite Zielgruppe“: Felix Jahnen von Jägermeister über Chatbots im Marketing.

Felix Jahnen (Jägermeister)

Aus der Kombination von Facebook-Messenger, Bot-Technologie und zwei bekannten Rappern machte Jägermeister Ende letzten Jahres einen Rap-Bot zur Selbstbedienung. Der spielerische Ansatz zeigt: Das 1:1-Marketing der Zukunft macht vielleicht gar nicht der Marketer, sondern der User. Der einfache wie verblüffende Ansatz: Der User startet den Facebook-Messenger, sucht dort den Jäm Bot, beginnt die Konversation mit „Start“ und schon beginnt ein kleiner Dialog mit zwei Rappern, der am Ende zu einem kleinen personalisierten Rap-Video führt, dass zielgerichtet dafür produziert ist, an andere Nutzer weiter geleitet zu werden. In der Live-Phase der Kampagne konnten die User sogar direkt mit den Rappern interagieren. Gastautor Frank Puscher hat im Vorfeld des Jahreskongress Digital Marketing am 20./21. Juni in Hamburg mit Felix Jahnen (Head of Digital Marketing und Head of Brand Marketing bei Jägermeister) über die Herausforderungen der Alkoholika-Werbung sowie der Bedeutung von Bots fürs Marketing gesprochen.

Frank Puscher: Welche Rolle spielt Online Marketing für Jägermeister? Alkohol ist nicht unproblematisch.

Felix Jahnen: So klar unser Ziele einer starken und möglichst breiten Marketingansprache natürlich sind – der Schutz von Minderjährigen ist es für uns auch und selbstverständlich. Wir sind Mitglied in den wichtigsten Verbänden, die lokal und global die wichtigsten Regel und Grundsätze dazu definieren und halten uns hieran, oft sogar noch strenger als gefordert. Dazu gehört z.B. ein Age-Targeting zu nutzen und hier jeweils das strengste. Das erlaubt auch ein Sharing nur kontrolliert und wird sowohl für unsere owned Plattformen als auch in Media eingesetzt, hier z.B. auch mit weiteren Logiken wie z.B. einer zeitlichen Aussteuerung von Spots in den Abendstunden statt rund um die Uhr. Dass wir damit nur Volljährige adressieren ist also gewährleistet; und ja, diese sehr scharf ausgesteuerte Kommunikation bewirbt dann unser Produkt und damit einen hochprozentigen Alkohol und hierin den Aspekt, dass es ein Lifestyle-Thema ist, das in allen Kulturen über Jahrhunderte fester und auch gewünschter Bestandteil der Gesellschaft ist.

Frank Puscher: Wie ist das International? Gibt es Länder in denen Social Media und Jägermeister gar nicht funktioniert?

Felix Jahnen: Es gibt auf der einen Seite Länder, die aus diversen Gründen auch aus einer ohnehin schon sehr fragmentierten globalen Sicht komplett anders funktionieren, wie z.B. China durch Firewalls und andere Plattformen wie Xeibo. Auf der anderen Seite gibt es Märkte, die keinerlei Kommunikation von Spirituosen oder Alkohol erlauben, wie z.B. Norwegen.

Frank Puscher: Wie hip ist die Jägermeister-Zielgruppe?

Felix Jahnen: Das ist global betrachtet sehr unterschiedlich – grundsätzlich kann man aber sagen, dass wir insgesamt oft eine sehr junge Verwenderschaft und Fans haben, worauf wir sehr stolz sind. In Deutschland ist die vielzitierte Verjüngung der Marke schon lange abgeschlossen und wir haben deshalb eine insgesamt krass breite Zielgruppe. Ich kenne wenige Marken, die bei der ungestützten Bekanntheit echte 100% erreichen und dann dazu noch passende Geschichten erzählen können. Hier in Deutschland ist eher das ständige Halten der Verjüngung unser Job. Ich nenne das immer das Petra-Problem – die Petra war mal eine Zeitschrift für junge Frauen, wie die Intouch. Nice und fresh, wie man heute sagen würde.

Die eigentliche Frage: hip? Tja, jung ist nicht immer hip und hip nicht immer jung. Grundsätzlich sprechen wir eher urban, modern denkende weltoffene und mobile Zielgruppen an – und selbst wenn objektiv oder auch subjektiv gesehen diese Beschreibung auf mich nicht passt, sind das Eigenschaften und Charaktere, mit denen ich mich gerne zeige oder Zeit verbringe – auch bei einer Marke, das ist ja der nicht geheime Kern einer jeden „purpose-driven“ Brand, als welche wir uns sehen.

In einem kleinen Dialog bestimmt der User die exakte Variante des fertigen Clips und kann diesen anschließend versenden

Frank Puscher: Der Kern der Dezember-Kampagne ist der Jäm Bot (siehe Screenshot). Können Bots auf Dauer das Marketing verändern oder ist das ein Hype?

Felix Jahnen: Wenn man sagt „ich stehe im Stau“, sollte man eher sagen „ich bin der Stau“. Vielleicht sind wir ja gerade der Hype, wenn wir mitmachen. Chatbots können ganz klar Aufgaben übernehmen, wenn ich direkt digitale Conversions machen kann und Beschwerden oder Rückfragen erlauben will oder muss. Die Spracherkennung wird immer besser (Siri, Alexa, …) und Chatten ist im Aufwind – viele haben vergessen, dass Sie ein Telefon in der Hand halten und verabreden sich lieber einfach per Whatsapp als zu telefonieren. Alles Anzeichen dafür, dass alles was auf einem natürlichen Dialog per Text basiert, Aufwind hat. Wenn man aber eine Spirituosen-Marke von 1878 ist und man mich eigentlich nur im Regal und an der Bar kaufen kann, ist ein Chatbot natürlich ein Experiment.

Frank Puscher: Ist die neue Idee von 1:1-Marketing, das User aus Marketing-Assets Clips für andere User machen?

Felix Jahnen: Klar, dass die User den Content für mich weiterleiten – meist an engste Freunde und damit viel dichter, als es jeder 4 Mrd. $ Lookalike-Algorithmus von Facebook je könnte – ist ein hochinteressanter Aspekt. Die Erwartung sollte aber nicht sein, und war sie bei uns auch nicht, eine dezentrale virale Wunderwelle zu erwarten, die man zudem ja nur schwer messen kann.

Viel wichtiger und interessanter ist die Relevanz. Wenn das wie beim JämBot auf mich speziell zugeschneidert ist, ist die Hemmschwelle, das enthusiastisch weiterzuleiten doch Null und die Identifikation damit 100. Das ist doch der Moment, wo hoffentlich die Liebe auf uns als Marke überschwappt – gleich nach dem Moment, wo ein Freund das bekommt.

Frank Puscher: Wie hat man die Kampagne beworben?

Felix Jahnen: Digital betrachtet ganz klassisch – mit einer Art mysteriösem Teaser, der die Liebe zu Hip Hop und die Künstler zelebriert, und dann einem Reichweiten-Muskel. Fokus hier natürlich auf Facebook und spezielle Messenger-Ads, um möglichst keine Medienbarriere zu haben, Targeting auf Musikfans, mit und ohne Schnittmenge zu uns.

Frank Puscher: Wie  gut  ist  das  Jägermeister-Marketing  in  Sachen  Automatisierung und digitalem Wandel?

Felix Jahnen: Automatisierung im Marketing zu erwarten ist in meinen Augen schlicht und ergreifend bullshit. Digital wird immer fragmentierter und ja Tools, Prozesse und Dashboards smarter, trotzdem werden wir immer gute und motivierte Menschen brauchen.

Erinnert sich noch jemand an die Idee vom papierlosen Büro? Fragen sie mal Papierhersteller, wie das funktioniert hat. Und wer hasst nicht das Paar Sneaker, das einen in Cookie-Bannern bis in die Instagram-App wochenlang verfolgt, obwohl man es gestern bestellt hat. Sonst läuft das bei uns sehr gut – deshalb muss ich jetzt auch los, meine Shuttle-Drohne kommt gleich.

Frank Puscher: Danke für das Interview!

Felix Jahnen spricht auf dem Digital Marketing Kongress in Hamburg am 20. und 21. Juni. Sichern Sie sich jetzt Ihr Ticket!

Seminartipp

Lernen Sie an nur einem Tag, wie Sie ein Konversations-Interface bauen und Ihr Unternehmen so fit für das Zeitalter von Chatbots und Sprachassistenten wie Alexa, Cortana oder Google Home machen. Marketing-Professionals, Planer, Berater und UX Designer sind gefragt, natürliche Konversationen mit Konsumenten zu konzipieren und zu schreiben. Wichtig dafür: eine gute Kenntnis des jeweiligen Usecase, gute Konsumenten-Insights und das Beherrschen der Bot-Services – und genau dieses Wissen vermittelt Laurent Burdin, Gründer der Innovationsagentur Space and Lemon, zusammen mit Holger Budde (UX Designer Conversation) am 26. Juni 2018 bei unserem Seminar „Conversational User Interfaces für Chatbots und Voice“ in Berlin.
Infos & Anmeldung zum Seminar „Conversational User Interfaces für Chatbots und Voice“ hier!

Diesen Artikel teilen

Kommentare sind geschlossen.

Mobilbranche.de Newsletter

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbestimmungen.