Smart Home: Warum der Markt ein Nischendasein führt und wie Anbieter umdenken müssen.

Bequem, einfach und effizient soll das Leben im Smart Home werden, doch bei der Verbrauchernachfrage hakt es. Insbesondere in Europa ist das smarte Zuhause längst noch nicht im Alltag angekommen. Doch wie ließe der Markt in Bewegung bringen? Warum der Markt in der Nische feststeckt und wie Anbieter umdenken müssen.

Entwicklung vom Nischen- zum Massenmarkt ist überfällig

Die Vernetzung des eigenen Zuhause gilt seit Jahren als Megatrend: Hohes Verbraucherinteresse, große Nutzerpotenziale, hervorragende Umsatzprognosen: Laut einer Statista-Analyse wird der deutsche Markt allein bis zum Jahr 2020 jährlich um durchschnittlich 40% wachsen und ein Gesamtvolumen von 2,5 Mrd. Euro umfassen.

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Und heute: Interesse ja, aber echte Verbraucherakzeptanz? Die Umsätze zeugen noch von Skepsis: Trotz weit entwickelter Technologie und denkbar niedrigen Einstiegsbarrieren für Verbraucher (Basistechnologie wie Internetzugang, Smartphone, Tablet und WLAN-Router sind in den meisten Haushalten schließlich bereits vorhanden) ist der Weg vom Nischen- hin zum Massenmarkt immer noch weit.

Fragmentierter Markt und Kompatibilitätsprobleme

Woran liegt das? In erster Linie: Ein fragmentierter Markt, dem es an einem Industriestandard mangelt, der Verbrauchern langfristige Kompatibilitätssicherheit bei der modularen Vernetzung des eigenen Zuhause garantieren würde.

Zwar durchlebt jede neue Technologie eine Phase, in der verschiedene Anbieter versuchen, ihren Standard durchzusetzen (zum Beispiel durch die Unterstützung einflussreicher Inhalte-Anbieter oder Vertriebspartner), an dieser Stelle bremsen sich die Anbieter bis dato jedoch noch selbst aus: Nicht nur, dass es keine verbindlichen Standards gibt, sondern es wird oftmals sogar so getan, als bräuchte es diese gar nicht. Als würden offene Protokolle reichen, über die sich die sich die Smart Home Gateways verschiedener Insellösungen miteinander verbinden ließen.

Wenn jeder Anbieter nur seine Protokolle öffnet, dann wird alles gut? Nein. Voraussetzung für ein Gelingen wäre nämlich eine Art Kompatibilitätsliste, wie sie zum Beispiel auch in Universalfernbedienungen für Geräte der Unterhaltungselektronik zur Anwendung kommt.

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Steuerung eines Smart Homes per App (Bild: Shutterstock / Brian A Jackson)

Vergleichbare Kompatibilitätslisten gibt es für Smart Home-Lösungen jedoch nicht, was für Verbraucher Risiken mit sich bringt: Wer grundsätzlich am vernetzten Zuhause interessiert ist und zum Beispiel mit einer Heizungssteuerung als Insellösung starten möchte mit der Option, sein System später modular zu erweitern, dem kann niemand gewährleisten, dass das auch reibungslos funktionieren wird. Und selbst wenn es solche Kompatibilitätslisten geben würde, verhielte es sich damit analog zu „Universalfernbedienung“: Manche Geräte ließen sich in eine zentrale Steuerung einbinden, andere nicht. Oder es wären nicht alle Funktionen zentral steuerbar, so dass man zusätzlich trotzdem noch die alte „Zappe“ bräuchte.

„Universalfernbedienung“ ist deshalb nach wie vor ein Nischenprodukt, da es seine Funktion als zentrales Gateway der heimischen Unterhaltungselektronik nicht fehlerfrei erfüllt.

Übertragen auf das Smart Home stellen sich dem Verbraucher einige Fragen: Die Heizungsanlage wird über eine App gesteuert, die Schließanlage an Türen und Fenster muss über eine andere Anwendung bedient werden? Und die Außenjalousien über die dritte eines weiteren Anbieters? Zwischendurch werden Apps upgedatet, Fehler behoben, sie müssen an neue OS-Versionen angepasst werden, etc. Und was passiert, wenn irgendwas plötzlich nicht mehr steuerbar ist, wer ist verantwortlich, wer löst das Problem?

Ohne Standards und ohne kooperatives Serviceversprechen, das sich daraus ableitet, und das auch wirksam in Richtung Verbraucher kommuniziert wird, geht es also nicht. Denn nur weil Smart Home „neu“ und „innovativ“ ist, verfängt und konvertiert das nicht mehr.

Verbraucheransprüche im Wandel

 „Neu“ und „innovativ“ reicht nicht mehr? Nein, spätestens mit dem Siegeszug des Smartphones nicht mehr: Die moderne Gesellschaft, in der es mehr mobile Geräte gibt als Menschen, hat sich innerhalb weniger Jahre freiwillig selbst digitalisiert, und dabei – allem Zusatznutzen zum Trotz, auch eine neue Art von Skepsis gegenüber neuen Technologien entwickelt. Nicht in Form von pauschaler Ablehnung, wie noch in den 1980er- und frühen 1990er Jahren. Sondern in Form einer kritischen Reflektion informierter Nutzer, die bereits mit einer technischen Basis (Smartphone, Tablet, Home Entertainment) ausgestattet sind und jetzt nutzenorientiert abwägen, wo und in welchem Umfang sie sich noch zusätzlich verkabeln und vernetzen lassen möchten. Wer heute als Elektronik-Hersteller Verbraucher erreichen will, der muss also „besser“ sein, einen klaren Zusatznutzen bieten, der sich dem Betrachter bestenfalls auch sofort offenbart.

Technologiebegeisterung und Bequemlichkeit?

Die Basistechnologie ist in den Haushalten vorhanden, grundsätzliches Interesse auch. Jetzt ist es an der Zeit, die Interessenschwerpunkte und zentrale Fragestellungen der Verbraucher (z.B. Sicherheitsgewinn, Kostenersparnis, Angst vor Hackerangriffen) gezielt aufzugreifen und daran entlang Produkt- und Servicepakete anzubieten und deren Nutzenzuwachs zu kommunizieren. Denn Hersteller können sich weder auf Technologiebegeisterung noch auf den Hang zu Bequemlichkeit verlassen. Beides endet bislang vor der Haustür. Um sich Zugang zum Zuhause zu verschaffen, braucht es deshalb einen zukunftstauglichen Industriestandard von zugkräftigen Marken, dem sich Anbieter anschließen können und mit dem man sich in die Öffentlichkeit trauen kann.

Bleibt es jedoch beim bisherigen Markttreiben aus kleinteiligem Gewurschtel, halbherziger Lobbyarbeit und Vorwürfen Richtung Schwergewichten wie Google, Amazon und Co (dass die Ihre Protokolle nicht öffnen), dann wird der Smart Home-Markt noch einige Zeit das Schicksal von „Universalfernbedienung“ teilen: Nett, aber nicht zwingend.

Karsten WernerÜber den Autor:

Ursprünglich aus der Logistik kommend, begleitet Karsten Werner seit 2009 den Online-Handel und die Digitalwirtschaft für verschiedene Fachmedien als Autor, Journalist und Berater. Hauptberuflich ist er in als Medienberater in der Werbevermarktung tätig.

Offenlegung:

Der Autor ist als Berater für das Statistik-Portal Statista tätig und hat an dem im Beitrag verlinkten Whitepaper „Smart Home: Nachfragestruktur und Umsatzpotenzial“ redaktionell mitgewirkt.

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2 Antworten zu “Smart Home: Warum der Markt ein Nischendasein führt und wie Anbieter umdenken müssen.”

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