Gesundheits-Apps: „Braucht kein Mensch.“

shutterstock_227031733Blutzucker messen, Puls tracken, Kalorien zählen: Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Smartphone-Apps, um Krankheiten, die Einnahme von Medikamenten oder die eigenen Gesundheits- und Fitnesswerte zu überwachen. Doch längst nicht jede App ist auch sinnvoll. Über Sinn und Unsinn solcher Gesundheits- und Fitness-Apps diskutierten am vergangenen Freitag im Rahmen des welldoo Digital Health Forums in Berlin Experten wie Oliver Werneyer vom Rückversicherer Swiss RE, Ilka Gdanietz von der Diabetes-App mySugr und Dr. med. Gerald Burgard von den Helios-Kliniken.

„Die Apps verlangen zum Teil viel zu viele Informationen. Permanent den Blutzucker oder den Puls zu messen, das braucht kein Mensch. Jeder muss natürlich selbst entscheiden, wofür er seine Zeit opfert“, so Gerald Burgard. Für den Chefarzt für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Helios-Klinikum in Erfurt ist der Großteil der Apps wenig sinnvoll, weil es an den notwendigen Schnittstellen zu Ärzten und Experten mangelt, die die Daten interpretieren und überwachen können. „Die IT ist momentan das Hauptproblem“, so Burgard. Aufgrund der mangelnden technischen Umsetzbarkeit seien digitale Dienste wie ein Medikationsplan mit QR-Code noch oft das höchste der Gefühle. Doch auch Burgard weiß, dass die Ärzte an der Digitalisierung nicht umhin kommen: „Wir Ärzte haben die Ideen nicht, deshalb brauchen wir Ideen von außen.“ Bei der Entwicklung von neuen Technologien oder Apps sei aber eines unabdingbar: Das Feedback von Ärzten. Für einen besseren Dialog und mehr Aufklärung der Patienten tritt auch Gerlinde Bendzuck, Patientenvertreterin und Geschäftsführerin des Instituts für Kultur-Markt-Forschung (IKMF), ein. Bei der dauerhaften Überwachung durch Gesundheits-Apps müssten Toleranzschwellen ausgelotet und Grenzen bei der Verwendung der Daten vereinbart werden. Das gehe allerdings nur im „Dialog auf Augenhöhe“ zwischen App-Entwicklern, Krankenkassen und Politik. Zudem sei es unumgänglich, eine Art TÜV für digitale Gesundheitsanwendungen einzuführen, der Angebote prüft. Für Prof. Dr. Arno Elmer könnten die im Onlinehandel längst nicht mehr wegzudenkenden Bewertungssysteme Vorbild-Charakter für Gesundheits-Apps haben. Der Schrei nach Politik ist aber aus Sicht des Hochschulprofessors der falsche Weg. Ilka Gdanietz von der Diabetes-App mySugr sieht die Patienten stärker in der Pflicht, Gesundheits-Apps bei ihren Ärzten einzufordern. Dass Apps durchaus als therapeutische Maßnahme anerkannt werden, zeigt das Beispiel der App Tinnitracks, die vom Hamburger Startup Sonormed entwickelt wurde. HNO-Ärzte können die App gegen Tinnitus künftig auf Rezept verschreiben, die Techniker Krankenkasse (TK) übernimmt die monatlichen Kosten von 19,90 Euro.

Tinnitus-App Tinnitracks.
Tinnitus-App Tinnitracks.

Für Versicherungen haben Gesundheitsanwendungen aber noch mehr Vorteile: Versicherte könnten der Versicherung u.a. zeigen, dass sie gesünder leben, als die Versicherungen dachten. Das gilt vor allem für Versicherte, die bisher – zumindest was die tarifliche Einordnung anbelangt – oft über einen Kamm geschert wurden, erklärt Oliver Werneyer vom Rückversicherer Swiss RE. So gebe es z.B. Diabetiker, die penibel auf ihre Ernährung und Lebensweise achten und Diabetiker, die darauf weniger achten. Vor Apps und anderen digitalen Anwendungen hatten Versicherungen überhaupt keinen Zugriff auf solche Infos.

Was App-Entwickler beachten sollten

„Eine App sollte ein konkretes Problem lösen, den gesamten Behandlungsplan abbilden und in die Therapie eingegliedert werden“, empfiehlt Beraterin und Bloggerin Anja Stagge. Ziel müsse sein, ein integriertes Krankheitsmanagement am besten inklusive Direktkommunikation mit dem Arzt zu gewährleisten. Arno Elmer empfiehlt Gründern, nicht in Systemen (z.B. Krankenkassensystemen), sondern von Anfang an in Netzwerken zu denken. Dabei komme es vor allem darauf an, frühzeitig mit Partnern wie Ärzten, Krankenkassen oder anderen Stakeholdern zusammenzuarbeiten. Für Oliver Werneyer ist die App selbst nur ein Mittel zum Zweck. „Den Markt kennen und die Businessprobleme lösen“ habe höchste Priorität. Bei einem waren sich aber alle Diskutanten einig: Niemand kann sich der Digitalisierung entziehen. Ob Sinn oder Unsinn entscheiden letztlich die Verbraucher und andere Beteiligte. (Beitragsbild: shutterstock.com)

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