Snake Oil von Apple: die Apple Watch.

shutterstock_143592970Als Snake Oil (Schlangenöl) wurden im wilden Westen Heilmittel für Gebrechen aller Art bezeichnet. Die hatten jedoch keinerlei heilende Wirkung, sondern wirkten sogar häufig sogar toxisch auf den Körper. Verkauft wurde Snake Oil von Quacksalbern, die großspurig allerlei Versprechen machten. Noch heute steht Snake Oil als Synonym für Produkte, die keine oder nur wenige Funktionen haben. Die von Apple vorgestellte Smartwatch passt leider in diese Kategorie.

Seit fast zwei Monaten habe ich die Apple Watch. Die teuerste Uhr, die jemals mein Handgelenk schmückte. 450 EUR für die “große” Sport-Version. Selbst für ein Gadget von Apple ist das eine Ansage und nach oben gibt es da ja fast keine Grenze. Die Erwartung an die smarte Uhr wurde allerdings schon bei der Vorstellung im März diesen Jahres gedämpft, denn revolutionär ist die Apple Watch nicht. Schon vorher gab es Smartwatches anderer Hersteller wie zum Beispiel Pebble, LG oder Samsung. Eine neue Gerätekategorie hat Apple nicht erfunden.

Apple Watch: Die "günstige" Sport-Version.
Apple Watch: Die „günstige“ Sport-Version.

Seit April werden Uhren ausgeliefert. Hier war die Frustration manchmal größer als die Freude, denn die Apple Watch wurde nur zögerlich verschickt. Dafür gab es einige Berichte auserwählter Journalisten, welche die Apple Watch über den Klee lobten und nicht mehr ohne die Uhr sein wollten. Die Erwartungshaltung wurde nicht zuletzt durch solche Berichte geschürt. Nach einiger Zeit der Nutzung der Apple Watch fragt man sich vor allem: Was macht die Apple Watch denn so genau?

Der Anwendungsfall

Die wichtigste Frage, ist die nach dem Anwendungsfall und damit auch die Frage, welches Problem die Apple Watch löst. Beides bleibt weitestgehend unbeantwortet. Dazu kommt, dass die Apple Watch im Moment nicht wirklich ausgereift ist. Das liegt nicht an der Hardware, sondern vor allem an der ersten Version des Apple-Watch-Betriebssystems, dem WatchOS. WatchOS ist in der Version 1.0 träge und lässt keine nativen Drittanbieter-Apps zu. Apps kommunizieren ständig mit dem iPhone und selbst einfachste Aktionen funktionieren ohne das iPhone nicht.

Das führt zum nächsten Problem: es gibt keine Killer-App für die Apple Watch. So ist die Apple Watch in der jetzigen Ausbaustufe nur ein verlängerter Arm des iPhones. Kurzum: die Informationen, die ohnehin auf dem iPhone vorhanden sind, werden an die Apple Watch weitergereicht. In den allermeisten Fällen stellen Apple-Watch-Apps nur das dar, was ohnehin auf dem iPhone vorhanden ist. Das ist per se nichts Schlechtes, jedoch sind Drittanbieter-Apps auf dem aktuellen Watch OS derart langsam, dass es schneller und komfortabler ist, das iPhone aus der Tasche zu holen. Funktional sind Drittanbieter-Apps oftmals sinnfrei. Warum man zum Beispiel in der Amazon-App auf der Apple Watch über die Spracheingabe nach Produkten suchen soll, die dann im Ergebnis auf dem winzigen Display minutenlang gescrollt werden müssen, weiß vermutlich nur Amazon. Auch das mag dem Umstand geschuldet sein, dass das WatchOS in der aktuellen Version zu wenige Möglichkeiten zulässt. Im Ergebnis führt das alles zu einer mittelmäßigen Nutzererfahrung. Eine der vielleicht spannendsten Funktionen, nämlich mit der Apple Watch im stationären Handel zu bezahlen, funktioniert leider noch nicht. Apple Pay startet in Europa erst Mitte Juli und damit auch die Möglichkeit mit der Apple Watch zu bezahlen.

Amazon auf der Apple Watch
Amazon auf der Apple Watch

Apple Watch ist nicht zeitlos

Als Kind hatte ich eine Dampfmaschine von Wilesco. Der Wert dieser Dampfmaschine hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Egal ob nun gebraucht oder nicht, diese Dampfmaschine funktioniert heute noch genauso wie vor 30 Jahren und wird vermutlich in 30 Jahren noch genauso funktionieren. Eine Armbanduhr mit mechanischem Uhrwerk funktioniert je nach Bauart in 30 Jahren ebenfalls noch. Und das unterscheidet eine 450 Euro teure Smartwatch von einer einfachen Armbanduhr. Die Apple Watch ist nicht zeitlos. Bei dem kleinen Model mag man das noch verkraften, was ist aber mit den teureren Modellen? Hat eine goldene Apple Watch für 18.000 EUR in einigen Jahren den gleichen Wert wie eine Uhr einer Uhrenmanufaktur zum gleichen Preis? Welchen Wert wird die Apple Watch haben, nach dem im nächsten Jahr ein neues Modell vorgestellt wurde? Man weiß es nicht und Apple muss sich diesen Vergleich gefallen lassen, denn mit den großen Modellen spielt Apple preislich in einer ähnlichen Liga wie Breitling, Rolex oder Glashütte. Apple möchte mit den teureren Modellen ein Luxusprodukt etablieren, ein solches Produkt lebt aber auch von einer gewissen Zeitlosigkeit. Eine Antwort auf die Frage, ob eine Apple Watch, trotz der nachweislich hohen Qualität von Apple-Produkten, in 20-30 Jahren noch funktioniert, muss erst noch gefunden werden.

Ernüchterung

Mit einer Millionen vorbestellten Apple Watches im April legte Apple einen besseren Start hin, als bei der Einführung des iPhone oder des iPads und auch die Prognosen waren jenseits der Vernunft. Morgan Stanley ging z.B. von 36 Millionen verkauften Apple Watches innerhalb der ersten 12 Monate aus. Heute, nur zwei Monate später, macht sich die Ernüchterung breit. Die Prognosen werden nach unten korrigiert und auch die Lobeshymnen werden weniger. Auch Apple selbst scheint geerdet worden zu sein. Ende April gab Tim Cook ausweichende Antworten auf die Frage zum Verkaufsstart der Apple Watch:

From a demand point of view, it’s hard to gauge when you don’t have product in stores and so forth

Auch auf erneute Nachfrage zum Thema Apple Watch von Toni Sacconaghi, Analyst bei Stanford Bernstein, gab Cook eine ausweichend Antwort:

I’m thrilled with it, Tony, so I don’t want you to read anything I’m saying any way other than that. So I’m not sure how to say that any clearer than that

Sinngemäß sagte Tim Cook, wir müssen erst mal abwarten – ungewöhnliche Worte eines CEO, der sonst in Superlativen spricht.

Das alles hört sich nicht nach einem bahnbrechenden Erfolg der Apple Watch an und auch wenn Apple mit der Apple Watch mehr Smartwatches verkauft hat als die Konkurrenz, so ist Apple bei diesem Thema nur der Einäugige unter den Blinden. Was fehlt ist ein Killer-Feature oder echte native Apps, die einen Nutzen stiften. Im September soll das neue WatchOS 2.0 kommen, spätestens dann wird sich zeigen, ob die Apple Watch ein richtungsweisendes Produkt wird. Aktuell ist sie leider nur eines: Snake Oil. (Beitragsbild: shutterstock.com & shutterstock.com)

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Unternehmen im Beitrag

3 Antworten zu “Snake Oil von Apple: die Apple Watch.”

  1. […] Apple Watch ist wie Snake Oil, große Versprechungen und wenig drin, findet Maik Klotz. Nach einigen Monaten mit der Apple-Uhr am Handgelenk zieht er ein ernüchterndes Fazit und bemängelt u.a. fehlende Killer-Apps und Bezahlmöglichkeiten. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

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