Interview mit Michael Reuter von Datarella zum Thema Quantified Self.

Portrait Michael Reuter„Generell können wir uns von der Benutzung des Präfix „Mobil“ verabschieden: Alles wird mobil stattfinden, daher hat „mobil“ seinen Status als Differenzierungsfaktor verloren“, sagt Michael Reuter, Gründer des Behavioral Analytics Anbieters Datarella GmbH. Im Jahr 2010 gründete er gemeinsam mit Kira Nezu die AppAdvisors GmbH, eine führende Beratungsgesellschaft mit Fokus auf die App Economy. Vor Datarella und AppAdvisors baute Michael Reuter die Webplattform YiGG zu einer der grössten deutschsprachigen Social News Communities auf. Auf der diesjährigen MCTA 2014 – 14. Konferenz Mobile Commerce – Technologien, Märkte, Anwendungen am 12.-13.05.2014 in Frankfurt referiert Michael Reuter zum Thema „Quantified Self“ – also Self-Tracking-Tools für die eigene Verhaltensanalyse. Besonders für Krankenkassen könnten von mobilen Präventionsprogrammen profitieren. „Prävention und Belohnung von Verhaltensänderungen werden gleichermaßen belohnt und vermutlich auch von den Menschen aktiv eingesetzt werden“, prophezeit Reuter im mobilbranche.de-Interview.

mobilbranche.de: Auf der MCTA 2014 halten Sie einen Vortrag zum Thema „Quantified Self“. Was kann man sich unter einer API für den menschlichen Körper vorstellen und wie hat Quantified Self die Fitness- und Gesundheitsbranche bereits verändert?

Michael Reuter: Quantified Self ist der Zusammenschluss aller Menschen, die mit Hilfe sog. Self-Tracking Tools Daten über das eigene Verhalten und Ihre Körperfunktionen messen und auf Basis der Datenanalyse Verhaltensänderungen vornehmen können. Die Tools wie Wristbands, Smartwatches u.ä versetzen den Nutzer in die Lage, zum ersten Mal und ohne Hilfe von Experten auch selbst besser kennenzulernen und beispielsweise die Ursachen gesundheitlicher Probleme zu erkennen.  Somit ist Quantified Self das API zwischen dem Menschen und seiner Gesundheit.

mobilbranche.de: Die Health-Branche ist in Bewegung wie kaum eine zweite Branche. Welche Anwendungsszenarien gibt es und was können wir zukünftig von der Vernetzung des menschlichen Körpers erwarten?

Michael Reuter: Letztlich geht es weniger um neue Anwendungsszenarien, als darum, den Menschen zu einem hohen Grad an Autonomie hinsichtlich seines Verhaltens und seiner Befindlichkeit zu verhelfen. Bei Männern ab 40-45 Jahren Lebensalter – insbesondere bei den gestressten – steigt beispielsweise das Herzinfarkt-Risiko. Wenn Sie mit Hilfe von Quantified Self Tools ihre entsprechenden Körperdaten auswerten und vorgewarnt werden, wenn sich Anzeichen für einen Infarkt ergeben, können Sie ihn verhindern. Oder aber Sie leiden unter einer chronischen Krankheit und erfahren über das Self-Tracking, welche kleinen Verhaltensänderungen Ihnen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen. Vielleicht wollen Sie auch einfach nur abnehmen – was über Quantified Self besser funktioniert als mit einer Diät.

mobilbranche.de: Einige Krankenkassen haben bereits damit begonnen Partnerschaften mit Anbietern von Gesundheits- und Fitness-Apps zu schmieden. Einige Krankenkassen zahlen sogar bereits Prämien für den Nachweis sportlicher Fortschritte via App aus.Werden in zehn Jahren alle Versicherten mit Wearables ausgestattet sein, welche die Daten direkt und in Echtzeit an die Krankenkassen sendet?

Michael Reuter: Ja. Menschen nutzen alles, was ihnen  Vorteile bringt. Und wenn der Nichtraucher 50 Euro im Monat spart, macht er das. Prävention und Belohnung von Verhaltensänderungen werden gleichermaßen belohnt und vermutlich auch von den Menschen aktiv eingesetzt werden.

mobilbranche.de: Ist die App explore, ein kontextbasierter Personal Coach, Ihres Big-Data-Startups Datarella erst der Anfang? Warum sollten User sich „hilfreiche Tipps zur Steigerung ihrer Lebensqualität“ holen? Bisher haben sie dafür ja auch keine mobile Anwendung dafür benötigt.

Michael Reuter: Unser Personal Coach explore bringt dem Nutzer die oben angesprochenen Vorteile der Selbsterkenntnis. Wenn Sie sich beispielsweise selbst fragen, warum Sie sich gerade nicht gut fühlen, erhalten Sie über explore die Antwort. Und insbesondere wenn Sie Ihren inneren Schweinehund überwinden müssen, um Ihr Verhalten ein bisschen zu verändern – z.B. sich mehr bewegen – dann hilft Ihnen explore dabei, schlechte Angewohnheiten in gute umzuwandeln. Dazu müssen Sie am Ball bleiben – und dafür sorgt Ihr Personal Coach.

mobilbranche.de: Am 1. April haben Sie mit AppAdvisors und dem Münchner Biopharmazie-Unternehmen Celgene GmbH einen Ideenwettbewerb für Apps in der täglichen Pflege ausgerufen. Was erwarten Sie sich von den Ergebnissen dieses Wettstreits?

Michael Reuter: Der App Ideenwettbewerb richtet sich an Ärzte, Krankenschwestern und Menschen in Pflegeberufen. Celgene und wir haben festgestellt, dass gerade hier viele Tätigkeiten durch Apps gut unterstützt werden können. Auf Basis unserer Erfahrung mit App Ideenwettbewerben rechnen wir mit guten App Ideen, von denen die eine oder andere auch umgesetzt werden könnte. Praktisches Beispiel des App Ideenwettbewerbs, den wir letztes Jahr gemeinsam mit MSD durchgeführt haben, ist die App Hausapotheke, die seit Ende April im App Store ist.

mobilbranche.de: Ist der Ideenwettbewerb ein Teil Ihrer Arbeit als Mentor für Unternehmensgründer des Founder Institutes?

Michael Reuter: Nein. Beim Founder Institute geht es darum, Menschen mit Ideen in kurzer Zeit auf ihrem Weg zu Unternehmensgründern zu begleiten. Das ist sehr spannend, weil viele kreative Ideen und hohe Motivation auf erfahrene Mentoren treffen.

mobilbranche.de: Ihr Partner Yukitaka Nezu sagte Mitte 2012 im mobilbranche.de-Interview, dass „alle Indikatoren für die App Economy nach oben“ weisen. Hat er recht behalten und wie sieht Ihre Prognose für dieses Jahr aus?

Michael Reuter: Yuki Nezu lag goldrichtig. Nach wir vor zeigen alle Indikatoren der App Economy nach oben. Insbesondere Unternehmen gehen das Thema generalstabsmäßig an: es gibt entsprechende Abteilungen und Projektverantwortliche mit Expertise auf dem Feld mobiler Apps, so dass die Beschäftigung mit App Entwicklung und App Vermarktung mittlerweile Tagesgeschäft geworden ist.

mobilbranche.de: Um den Kreis zu schließen: Bei der MCTA 2014 geht es vor allem um das Mobile Business – von Mcommerce, über MPayment bis hin zu MSecurity. Was sind die wesentlichen Trends der nächsten 5 Jahre ?

Michael Reuter: Viele Menschen kann man mit einer gut funktionierenden und vertrauenswürdigen Mobile Payment Lôsung glücklich machen. Diese wird in Gestalt einiger konkurrierender Systeme kommen. Im mCommerce hinken wir in Deutschland weit hinter den USA zurück – auch hier sollte bald der Fall eintreten, dass mehr über mobile Geräte online gekauft wird als über stationäre PCs. Generell können wir uns von der Benutzung des Präfix „Mobil“ verabschieden: alles wird mobil stattfinden, daher hat „mobil“ seinen Status als Differenzierungsfaktor verloren.

Ersetzen können wir „mobile“ durch „wearable“ – denn Google Glass, Smart Clothing et al. zeigen, dass die Kommunikation nicht auf Smartphones beschränkt ist.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview.

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3 Antworten zu “Interview mit Michael Reuter von Datarella zum Thema Quantified Self.”

  1. […] Michael Reuter, Gründer des Behavioral Analytics Anbieters Datarella GmbH, sagt: “Generell können wir uns von der Benutzung des Präfix ‘Mobil’ verabschieden: Alles wird mobil stattfinden, daher hat ‘mobil’ seinen Status als Differenzierungsfaktor verloren.” Im Vorfeld der diesjährigen <href=”http://mcta.de/”>MCTA 2014 – 14. Konferenz Mobile Commerce – Technologien, Märkte, Anwendungen am 12.-13.05.2014 in Frankfurt haben wir Michael Reuter zum Thema “Quantified Self” – also Self-Tracking-Tools für die eigene Verhaltensanalyse – befragt und interessante Antworten erhalten. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

  2. Absolut richtig! Wir sehen „mobile“ auch eher als eine funktionelle Auspraegung, ein Dimension die ein Unternehmen eben erfuellen muss um zukunftsfaehig zu sein. Das „mobile Endgeraet“ wird zum „Endgerat“, oder — noch besser — zum Server… halt einer mit einer lausigen CPU, Speicher, Connectivity, mit und ohne Bildschirm/Touchscreen, Wearable oder Portable (oder „luggable“ wenn ich mir die sogenannten ‚Phablets‘ anschaue…“. Jetzt darf man sich vor allem auch mal ueber Sicherheit und Privatsphaere bei diesen Datensammlern gedanken machen…

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