Wem gehört der Mobile World Congress?

Key-PousttchiLiebe Mobile-Professionals,

mit dem Siegeszug der Smartphones ist auch der Mobile World Congress seit einigen Jahren in den Fokus der Massenmedien gerückt. Mehr als gerechtfertigt, wenn man bedenkt, wie diese Technologie das alltägliche Leben der Menschen beeinflusst, zuweilen schon dominiert und dass wir dennoch erst am Anfang der Entwicklung stehen.

Trotzdem denkt in diesen Tagen mancher in der Industrie an die seligen Tage von Cannes zurück, als der MWC noch GSM World Congress hieß, die Partys im Zelt am Strand waren, man die wichtigsten Gesprächspartner zufällig an der Fußgängerampel vor dem Palais des Festivals traf und auf der Bühne René Obermann Arun Sarin durch den Kakao zog (und dieser einen Kongressteilnehmer wegen seines klingelnden Handys). Auch da gab es schon eine Menge Hype, aber den veranstaltete die europäisch dominierte TK-Industrie im Wesentlichen um sich selbst – und versammelte ihre Dienstleister, damit diese ihr huldigen und die von ihr gesetzten Trends und Vorgaben zur Kenntnis nehmen konnten.

Auf dem MWC 2010 stand dann plötzlich Eric Schmidt als Google-CEO auf der Bühne – damals noch ein hoch politisches Unterfangen in der Höhle des Löwen – und hielt eine Rede von beachtlicher Diplomatie. Botschaft: Alles gut, wir sind Freunde und es gibt Platz und Geschäftsmodelle für alle. Als mein alter Freund John Strand – gewohnt undiplomatisch – ihn dann fragte „Why do you want to turn the operators into dumb bitpipes?“, ließ Eric ihn kalt ablaufen. Als ich es dann etwas freundlicher versuchte mit der Frage, wer er denn glaube, dass in 4–5 Jahren aus Sicht des Kunden der zentrale Ansprechpartner sei, der Mobilfunkanbieter oder Google, wand er sich zunächst ebenfalls („both“). Aber auf meine leicht ironische Nachfrage begann er dann ziemlich ausführlich zu schildern, was für fantastische Dienste Google dem Kunden in Zukunft anbieten könne, wie das Smartphone dadurch immer stärker zum zentralen Lebensmittelpunkt, Helferlein und Orientierungspunkt des Kunden werden würde. Nur ein Wort kam in seiner umfangreichen Beschreibung der schönen neuen Welt nicht vor: Mobilfunkanbieter. Eleganter kann man eine Frage nicht beantworten, wenn man eigentlich keine Antwort geben möchte…

Inzwischen haben wir diese 4–5 Jahre Zukunft erreicht. Und auf der Bühne des MWC 2014 steht nun Mark Zuckerberg im Pullover und erklärt, dass das mobile Internet eben 99% zu teuer sei. Das unterscheidet sich dann doch etwas von der Atmosphäre in Cannes. Und die Medienberichte aus Barcelona drehen sich im Wesentlichen um Apple (in Abwesenheit), Google, Facebook, Whatsapp, ein kleines bisschen um Microsoft/Nokia und ein großes bisschen um die neuen Endgeräte. Wem gehört nochmal der MWC? Ach so, ja, der GSMA (deren Haupteinnahmequelle inzwischen dieser Kongress ist). GSMA, die globale Vereinigung der Mobilfunkanbieter? Ja. Die sollen übrigens auch da gewesen sein.

Das große Thema, über das man eigentlich sprechen müsste, ist übrigens keines, das für die Massenmedien tauglich ist. Wissenschaftlich gesprochen, stellen Smartphones, Sensoren und die zugehörigen datengetriebenen Innovationen einen eigenen Kondratieff-Zyklus dar. Sie werden die wirtschaftliche (und in Teilen auch gesellschaftliche) Entwicklung der nächsten Jahrzehnte dominieren, wobei wir nicht nur mikro-, sondern auch starke makroökonomische Effekte sehen werden. Ein Punkt dabei ist, dass die Telekommunikation eine europäisch dominierte Industrie ist, während die Internetindustrie nordamerikanisch dominiert ist. Es gibt noch eine Reihe anderer Punkte auf der makroökonomischen Ebene. Doch auch auf der mikroökonomischen Ebene werden viele Unternehmen in den nächsten Jahren von dramatischen Umwälzungen durch diese Technologie und ihre Folgen überrascht werden – eine Menge festgefügter Regeln (und Geschäftsmodelle) werden nicht mehr gültig sein und durch neue ersetzt. Die Welt wird ziemlich spannend.

Interessanterweise ist natürlich auch Mark Zuckerberg ein Getriebener, sonst hätte er nicht 19 Milliarden für eine Firma mit 50 Mitarbeitern bezahlt – das macht ja noch nicht einmal der FC Barcelona. Aber er hat verstanden, was die Macht in dieser umwälzenden Entwicklung ausmacht: In den Augen der Nutzer ein relevanter, zentraler, nicht-austauschbarer Player zu sein, auf dessen Dienste man einfach nicht verzichten kann.

Und Facebook ist gegenüber Google und Apple im strategischen Nachteil, weil es kein Endgerät oder Betriebssystem kontrolliert. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bleiben Sie mobil!

Unterschrift Key Pousttchi

Ihr Key Pousttchi

Über den Autor:

Key Pousttchi ist einer der international führenden Mobile-Business-Experten. Er baute ab 2001 die Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg auf und ist bislang der einzige deutschsprachige Wirtschaftsinformatiker, der zum Mobile Business promoviert (2004 zu M-Payment) und habilitiert (2009 zum Einsatz von Mobile Business in Unternehmen und Angeboten für Endkunden) wurde. Vortragstätigkeit und Projekte führten ihn nach Nordamerika, Asien und Afrika, seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Er ist Inhaber der wi-mobile Dr. Pousttchi GmbH, in der Praxis als Strategieberater, Keynote-Speaker und Aufsichtsrat tätig sowie gefragter Gesprächspartner der Medien, von Deutschlandfunk und ZDF bis zur „New York Times“. 2013 holte er die International Conference on Mobile Business im zwölften Jahr ihres Bestehens erstmals nach Deutschland.

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Unternehmen im Beitrag

Eine Antwort zu “Wem gehört der Mobile World Congress?”

  1. […] Key Pousttchi analysiert in seiner Kolumne mit gewohnt scharfem Weitblick die Entwicklungen des Mobile World Congress und stellt die Frage, wer den, eigentlich von der GSM – der Vereinigung der Mobilfunkanbieter – ausgerichteten Kongress, mittlerweile dominiert. Die Antwort: Mobilfunkanbieter längst nicht mehr. Inzwischen diktiert die, von nordamerikanischen Konzernen dominierte, Internetindustrie das einst familiäre, von europäischen Mobilfunkanbietern bevölkerte, Event die Themen des MWC. Eins wird für Unternehmen immer wichtiger: “In den Augen der Nutzer ein relevanter, zentraler, nicht-austauschbarer Player zu sein, auf dessen Dienste man einfach nicht verzichten kann”, wie die WhatsApp-Übernahme durch Facebook deutlich zeigt. weiterlesen auf mobilbranche.de […]

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