Mobile Marketing oder: der Zauberstab und die böse Gießkanne.

Key-PousttchiLiebe Mobile-Professionals,

Mobile Marketing ist inzwischen seit fast 10 Jahren Forschungsthema bei uns. (Wer Dr. Wiedemann noch aus Augsburger Zeiten kennt: Er war mein erster Doktorand und hat mich dazu überredet – schönen Dank auch ;-)) In dieser Zeit hat sich die „MoMa“-Welt deutlich verändert und das wird noch eine Weile so bleiben. Inzwischen ist es aber immerhin Mainstream geworden, das ist doch schon mal was.

Was versteht man eigentlich alles unter Mobile Marketing? Die einen haben dabei vor allem Push-Kampagnen im Kopf, die etwa spezielle Zielgruppen mit SMS-Botschaften ansprechen. Push ist nicht nur rechtlich (Opt-in für die Mobilfunknummer), sondern auch in der Kundenbeziehung ein zweischneidiges Schwert (die seltene SMS meines sonst sehr geschätzten Autohändlers geht mir grundsätzlich auf die Nerven, die von meinem Mobilfunkanbieter auch – aber angesagte Clubs in verschiedenen Städten haben mich schon öfter zum richtigen Zeitpunkt dazu veranlasst, meine Begleitung herauszutrommeln und mein Geld in lauter Umgebung für ungeplante Cocktails auszugeben…). Die anderen reduzieren MoMa auf den Teilbereich Mobile Advertising, also Pull-Kampagnen. Das ist dann vor allem Bannerwerbung, die auf dem Smartphone für den Kunden typischerweise noch ärgerlicher und noch weniger relevant ist als sonst, sowie In-App-Marketing. (Btw, hatten Sie eigentlich schon mal ein relevantes Banner auf Ihrem Smartphone?)

Richtig stark wird MoMa bekanntlich erst, wenn es cross-medial eingesetzt wird. Sehr verbreitet im Pull-Bereich sind neben der Kombination TV + Mobile vor allem Print-Anzeigen und On-Pack, der Werbeaufdruck auf physischen Produkten. Zu den bekanntesten Vorreitern gehörten hier Coca Cola und McDonald’s, inzwischen ist On-Pack ein Standard-Kommunikationsmittel (nicht nur) der Konsumgüterindustrie, vor allem mittels „Sende SMS an…“ oder QR-Codes (deren dramatisches Sicherheitsrisiko dem Konsumenten übrigens bisher nicht klar ist) und die statt auf Brauseflaschen gern auch mal auf Erlkönigen von VW oder Mercedes zu finden sind. Schließlich gibt es noch die seltenen Beispiele für geniales Mobile Viral Marketing wie den legendären mobilen Kuss von Wella und 12snap aus dem Jahr 2001(!), der mit IVR als Steinzeit-Technologie mal eben 750.000 Kontakte generierte.

Etwas Theorie: Formal ist Mobile Marketing „ein operatives Instrument der Marketing-Kommunikation, das im Rahmen von Kampagnen mobile Kommunikationstechnologien in Verbindung mit mobilen Endgeräten zum unmittelbaren oder mittelbaren Kundenkontakt einsetzt und so Produkte, Dienstleistungen oder Ideen fördert.“ Die Kunden-App des Unternehmens als solche ist also kein Mobile Marketing (außer es wird im Rahmen einer Kampagne eigens eine App entwickelt, z.B. für den Launch eines neuen Automodells), wohl aber können Unternehmens-Apps für Mobile-Marketing-Kampagnen genutzt werden, z.B. indem die Kampagnen auf der Startseite der App beworben oder Push-Nachrichten in die App gesendet werden.

Strategische Kampagnenplanung ist einfach und sollte nicht dem Dienstleister überlassen werden: Mobile Marketing eignet sich für die Erreichung eines oder mehrerer der sechs MoMa-Werbeziele (im Original englisch): Increasing Brand Awareness, Changing Brand Image, Increasing Sales, Establishing Brand Loyalty, Building Customer Database, Motivating Mobile Viral Marketing und lässt sich auf vier Standardtypen zurückführen, die nach dem Mehrwert für den Kunden unterschieden werden: Information, Entertainment, Raffle und Coupon. Daraus können Sie eine hübsche Matrix machen (falls Sie es korrekt mögen: im Original bilden die Ziele die Zeilen und die Standardtypen die Spalten und die Matrix nennt sich dann Mobile Marketing Campaign Type Selection Toolbox) und so jede beabsichtigte MoMa-Kampagne kurz und prägnant als Werbeziel/Standardtyp-Kombination beschreiben. Wenn Sie die dem Dienstleister als Vorgabe auf den Tisch legen, können – und sollten – Sie sich für die operative Kampagnenplanung getrost seiner Kreativität im Umgang mit dem Medium und der User Experience ausliefern.

Übrigens: Bei uns läuft gerade eine Studie als Teil einer externen Dissertation, bei der die Forschungsfrage etwas gemein klingen mag, aber gerechtfertigt ist: „Why does Mobile Marketing underperform?“ Mittels Sichtung wissenschaftlicher Studien, Auswertung von >200 MoMa-Kampagnen und Praktiker-Interviews werden hier die Einflussfaktoren auf Seiten der Werbetreibenden und Kunden identifiziert (und in Folgestudien dieser Einfluss mittels induktiver Methoden quantifiziert).

Unter uns: Mein persönlicher Tipp für den wichtigsten Grund heißt bei uns „die böse Gießkanne“. Mit Mobile Marketing kommen Sie näher an den Kunden heran als mit jedem anderen Medium. Sie können ihn begeistern, traumhafte Responseraten erzielen (und messen!), ihn selbst zum Werbebotschafter machen und, wenn Sie es richtig anfangen, ganze Märkte aufrollen. Sie können den Kunden aber auch viel stärker abschrecken und damit ihre Marke mehr beschädigen als mit jedem anderen Medium.

MoMa ist anders. MoMa lebt von einer Win-Win-Situation: Der Kunde sollte sich über Ihre Werbung freuen (und keinesfalls darf er sich darüber ärgern). Dazu müssen Sie ihn und seinen Kontext kennen (dabei hilft er Ihnen aber gern) und ihm einen Mehrwert bieten, der (für ihn!) auch wirklich einer ist – dann halten Sie den Zauberstab in der Hand, um ihn zu verführen.

Lassen Sie die böse Gießkanne im Schrank, mit der Sie Massenwerbung über ihm ausschütten. Denn wenn Sie die auf seinem Smartphone verwenden, hasst Sie der Kunde. Ganz schnell und schwer reparabel. Und dann hilft Ihnen auch nicht, dass sich durch die Datengenerierung via Smartphone in den nächsten 5 Jahren das gesamte Marketing mehr verändern wird als in den letzten 30 Jahren davor. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bleiben Sie mobil!

Ihr

Unterschrift Key Pousttchi

Über den Autor:

Key Pousttchi ist einer der international führenden Mobile-Business-Experten. Er baute ab 2001 die Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg auf und ist bislang der einzige deutschsprachige Wirtschaftsinformatiker, der zum Mobile Business promoviert (2004 zu M-Payment) und habilitiert (2009 zum Einsatz von Mobile Business in Unternehmen und Angeboten für Endkunden) wurde. Vortragstätigkeit und Projekte führten ihn nach Nordamerika, Asien und Afrika, seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Er ist Inhaber der wi-mobile Dr. Pousttchi GmbH, in der Praxis als Strategieberater, Keynote-Speaker und Aufsichtsrat tätig sowie gefragter Gesprächspartner der Medien, von Deutschlandfunk und ZDF bis zur „New York Times“. 2013 holte er die International Conference on Mobile Business im zwölften Jahr ihres Bestehens erstmals nach Deutschland.

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