Interview: Christian Herold vom Baur Versand über M-Commerce aus Händlersicht.

„Als E-Commerce-Fachleute neigen wir häufig dazu, ‚Funktionscockpits‘ in den Browser zu zaubern. Mobile User haben häufig weder den Platz auf dem Display noch die Muße dafür“, sagt Christian Herold, Head of Mobile Services beim Baur Versand. Deshalb macht er sich im Vorab-Interview  zum  Mobile Commerce Summit (28. August in Wiesbaden) für ein User Interface stark, das reduziert und bestens bedienbar sein muss. Dabei ist in den Augen von Christian Herold die Ladezeit eines mobilen Shops „extrem wichtig“: Wartezeiten sind hinderlich, dazu hängt die Conversion Rate im mobilen Umfeld mehr noch als stationär von der Ladezeit ab. „Hier geht es also letztendlich um bares Geld“, so Christian Herold.

mobilbranche.de: Herr Herold, beim Mobile Commerce Summit werden Sie darüber sprechen, wie sich M-Commerce aus Händlersicht darstellt. Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren im mobilen Handel?

Christian Herold: Es sind die gleichen Erfolgsfaktoren wie im Internet-Handel: Gute Angebote, beste Bedienbarkeit, schnelle Ladezeiten, perfekte Services. Daran arbeiten wir. Dazu gibt es in Zukunft „mobile-spezifische“, kontext-basierende Dienste, so beispielsweise Angebote, die den Standort des Kunden berücksichtigen. Ganz konkret: Der Gutschein per Push einer Drogeriefiliale in unmittelbarer Nähe ist attraktiver als einer von einer zehn Kilometer entfernten Filiale eines anderen Drogeriefilialisten. Auch Location-based Services wie punktgenaue Paketshopfinder und Echtzeit-Tracking der eigenen Lieferung sind für uns relevant und daher in unserem Fokus.

mobilbranche.de: Bei einem Test von „Der Handel“ hatte der mobile Shop von Baur mit 5,8 Sekunden die beste Ladezeit. Wie wichtig ist es, dass sich mobile Shops so schnell laden lassen und was ist Ihr Rezept für eine gute Ladezeit?

Christian Herold: Die Ladezeit ist extrem wichtig. Wer mobile surft und shoppt, ist häufig „on the go“. Da sind Wartezeiten hinderlich. Dazu hängt die Conversion Rate im mobilen Umfeld mehr noch als stationär von der Ladezeit ab. Hier geht es also letztendlich um bares Geld. Unser Rezept für eine schnelle Ladezeit besteht ganz grundsätzlich darin, die Seiten möglichst schlank zu halten und zusätzlich durch sinnvolles Caching , Fold-Algorithmen und dynamisches Nachladen weitere Potenziale auszunutzen.

mobilbranche.de: Was muss man beim User Interface in einem mobilen Shop anders machen als auf einer Website?

Christian Herold: Das User Interface muss reduziert und bestens les- und bedienbar sein. Als E-Commerce-Fachleute neigen wir häufig dazu, „Funktionscockpits“ in den Browser zu zaubern. Mobile User haben häufig weder den Platz auf dem Display noch die Muße dafür. Ein Satz, der dies treffend beschreibt, stammt von Alan Cooper: „No matter how cool your interface is, it would be nice if there were less of it“.

mobilbranche.de: In wieweit arbeiten Baur und die anderen Marken der Otto Group bei der Mobile-Commerce-Strategie zusammen?

Christian Herold: Alle Unternehmen der Baur-Gruppe operieren gemeinsam auf einer zentralen E-Commerce-Plattform der Firma Intershop. In der Programmierung entwickeln wir unsere Intershop-Sourcen kanalneutral. Die Präsentationsschicht für alle mobilen Endgeräte realisieren wir ebenfalls mit einer deutschen Lösung – dem Fitserver der Firma Sevenval. Diese erkennt die Devices, wählt ein passendes Template aus und kommuniziert per xml / xhtml mit der Funktions- und Datenschicht der E-Commerce-Plattform. Nur so können wir ein konsistentes, kanalübergreifendes Kundenerlebnis langfristig auch in Hinblick auf kommende Plattformen wie Tablets und Smart TV sicher stellen.

mobilbranche.de: Könnte der stationäre Handel womöglich durch den geschickten Einsatz standortbezogener Dienste einen Teil der Umsätze, den er in den vergangenen Jahren an den Online-Handel verloren hat, zurückgewinnen?

Christian Herold: Ich finde es schwierig, von „zurück gewinnen“ zu reden. Das suggeriert, dass die beiden Parteien im Kampf gegeneinander sind. Mittlerweile sollte klar sein, dass Online und Offline sich ergänzen und voneinander profitieren. Das sollte bei jeder Entscheidung bedacht werden. Ich spreche daher lieber von Interaktion der beiden Kanäle.

Zu Ihrer Frage: Zweifelsohne gibt es hier Potenzial. In den USA sieht man bereits, in welche Richtung sich die Szenerie auch bei uns bewegen wird. Die Bedeutung des Stationärhandels als Aufgabenfeld für mobile E-Commerce-Technologien ist groß. Retail ist zu über 90 Prozent noch immer stationär. Besucher im Stationärhandel konvertieren mit etwa 20 bis 30 Prozent zu Käufern. Kein Wunder, dass in diesem hochproduktiven und umsatzseitig enorm bedeutsamen Umfeld viele mobile Dienste entstehen, die zum einen Reichweite in die lokalen Geschäfte spülen wollen, zum anderen aber auch Bezahlverfahren revolutionieren werden oder Preis und Bestandssituationen für den Nutzer von mobilen Endgeräten in nie gekannter Weise transparent machen werden.

Wenn wir rein stationäre Händler betrachten, so gilt für diese folgendes: Sie sollten ihre traditionellen Stärken wie persönlichen Kundenkontakt, das reale Produkterlebnis oder die Inszenierung des Einkaufs als Erlebnis wieder schärfen und gezielt durch E-Commerce-Aktivitäten unterstützen. Hier bieten sich gerade durch mobile Endgeräte enorme Chancen, wie beispielsweise Filialfinder, Reservierung von Produkten per Smartphone, Umtausch von online gekauften Artikeln offline, Einsatz von Near-Field-Communication, mobile Lagepläne oder ergänzende Produktvideos. Auf keinen Fall sollten Händler aber das Internet „so nebenher“ betreiben. Das gilt sowohl für Multi-National-Companys als auch für Zwei-Mann-Betriebe.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

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