Interview: Robert Sidor von mStore über den Einsatz von iPads in der Schule.

Vergangene Woche war es auf der Bildungsmesse Didacta in Hannover das große Thema: Immer mehr Schulen interessieren sich dafür, Tablets im Unterricht einzusetzen und so ein neuartiges Lernen zu ermöglichen, wie die „taz“ sogar in einer Titelstory berichtete – und sich zugleichprovoziert fühlte, einen Kommentar zu bringen, wonach das iPad noch nicht schulreif sein soll. Ein Thema also, was Lehrer, Schüler, Eltern und zunehmend auch die Feuilletons beschäftigt. Deshalb hat mobilbranche.de mit Robert Sidor gesprochen, der beim Apple-Reseller mStore den EDU- und B2B-Bereich leitet. Sein Unternehmen hat im Herbst in Berlin eine ganze Schulklasse mit iPads ausgestattet – und Sidor berichtet von den ersten Erfahrungen mit iPads im Unterricht.

mobilbranche.de: mStore hat im November alle Schüler einer 7. Klasse der Poelchau-Oberschule mit iPads ausgestattet. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Schüler im Unterricht zu sehr durch andere Apps ablenken lassen, die nichts mit dem Lehrstoff zu tun haben? Oder ist dies gar gewollt, um die Kreativität zu fördern?

Robert Sidor: Tatsächlich konnte das Projekt kaum Ablenkungen durch das iPad registrieren. Vielmehr werden die Schüler durch die interaktiven Möglichkeiten des Geräts dazu angeregt, sich mit einem Lehrstoff selbstständig auseinander zu setzen und damit zu beschäftigen. iPads sind mobiler und dadurch wesentlich besser geeignet, den Unterricht zu begleiten, als stationäre Rechner. Die Apps für den täglichen Schulalltag sind spannend aufbereitet, so dass die Schüler nicht dazu verleitet werden, ein Spiel anzufangen. Um allerdings sicher zu stellen, dass es nicht doch passiert, wurde gemeinsam mit Schülern und Lehrern ein Prozess definiert, bei dem die Schüler nach Aufforderung durch den Lehrer die iPads umdrehen, um eine Ablenkung auszuschließen.

mobilbranche.de: Das Projekt läuft bald drei Monate. Was sind denn generell die ersten Erkenntnisse?

Robert Sidor: Die ersten drei Monate des Projekts wurden von den Lehrern und Schülern für Seminare zum Thema „Einsatz von Tablets im Unterricht“ genutzt. Unterrichtssituationen wurden dafür in den einzelnen Fächern entwickelt und mit allen Beteiligten abgestimmt. Außerdem wurden geeignete Apps gesichtet und für den Unterricht geprüft sowie die pädagogische Integration in den Unterricht ausgeareitet. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt, daher werden in den kommenden sechs Monaten bis zu den Sommerferien weitere wichtige Erfahrungen gesammelt. Bis jetzt ist festzuhalten, dass alle Beteiligten überaus zufrieden mit den Ergebnissen sind. Die Schüler sind motivierter denn je, sich den Stoff anzueignen. Es gibt weniger Probleme mit nicht erhaltenen Arbeitsblättern oder Dokumenten. Auch die Zusammenarbeit der Schüler untereinander wurde dank der auf dem iPad zur Verfügung stehenden Technologien wie FaceTime intensiviert. Würde man das Projekt also mit Schuljargon bewerten wollen, dann könnte man sagen „Klassenziel mit Bestnote erreicht!“.

mobilbranche.de: Nun ist es aber so, dass die iPad an einer Sport-Eliteschule getestet werden, wo die Schüler viel unterwegs sind. Haben iPads denn auch Vorteile, wenn man sie an „normalen Schulen“ einsetzt, wo die Schüler sowieso immer vor Ort am Unterricht teilnehmen?

Robert Sidor: Aber selbstverständlich! In den USA setzen Schulen, deren Schüler im Unterricht anwesend sind, bereits erfolgreich iPads ein. Denn die Technologie, die Möglichkeiten und die Anwendungen darauf bieten ja nicht nur mehr Inhaltsstoffe auf kleinstem Platz. Die Art und Weise, wie man sich mit dem iPad Inhalte und Unterrichtsstoff interaktiv aneignen kann ist einfach fantastisch und regt Schüler und Lehrer inzwischen sogar dazu an, eigene Inhalte zu erstellen. Mit der von Apple dafür zur Verfügung gestellten Software iBooks Author können Schulklassen sich jetzt ihre eigenen Lehrbücher zusammen stellen. Wenn das keine Motivation ist, sich zu engagieren. Zudem eignen sich Tablets, und im speziellen das Apple iPad, wesentlich besser für den Unterricht als Notebooks und Desktop Computer. Sie ersetzen diese komplett, weil sie günstiger in der Anschaffung und Administration und für die Benutzer einfacher zu handhaben sind.

mobilbranche.de: Welche Vorteile bietet das iPad für die Lehrer? Müssen sie im Unterricht nicht trotzdem Materialien dabei haben und die alte Schiefertafel nutzen, um den Schülern z.B. etwas vorzurechnen?

Robert Sidor: Tafeln und Zettel sind natürlich immer noch gern und gut genutzte Lehrmaterialien. Das ist so und wird auch so bleiben. Das iPad ersetzt vielmehr die schweren Schulbücher und Arbeitsblätter, die der Lehrer im Vorfeld erstellte, mühsam kopieren und dann an die Schüler verteilen musste. Es ersetzt nicht die Tafel, sondern die anderen Lehrmaterialien. Das iPad ist damit sozusagen das digitale Papier und erspart den Lehrern, die nun zentral ihre Blätter verteilen können, viel Aufwand und Mühe. Zudem bieten die interaktiven Apps auf dem iPad dem Lehrer die Möglichkeit, Arbeitsaufträge wie das Erstellen eines Referats oder die Erarbeitung eines speziellen Themas den Schülern zuzuweisen, die sich dann per iPad alle Informationen zusammen sammeln und sie darauf auch zusammen stellen können. In Klassen mit Beamern oder LCD Displays können iPads über das Apple TV – eine Art Settopbox – ohne Kabel ihre Inhalte an die Wand projizieren. Sie sind dabei wechselseitig vom Lehrern oder Schülern zu nutzen, um eigene Ergebnisse oder Lösungen zu präsentieren. Daher ist hier beispielsweise der Einsatz von Whiteboards ebenfalls überflüssig. Zusätzlich ist eine Lösung aus iPad, Beamer und Apple TV auch noch günstiger und flexibler als ein Whiteboard.

mobilbranche.de: Was ist das Ziel der „iPad-Klasse“: Soll das iPad das gedruckte Schulbuch komplett verdrängen?

Robert Sidor: Auf lange Sicht könnte es darauf hinauslaufen, richtig. Mit iBooks Author kann jede Schule ihre eigenen, zusätzlichen Lerninhalte erschaffen. Dabei geht es nicht alleine um Bücher, sondern generell um Lehrmittel wie Schulhefte, Bücher, Atlanten, Stifte, Taschenrechner, Kopien und Ausdrucke. Hier bringt der Einsatz von iPads mit entsprechenden Apps eine deutliche Verbesserung für den Unterricht. Bester Grund für das iPad ist deshalb, dass die Schüler viel weniger mit sich herumtragen müssen. Die schweren, rückenschädigenden Bücher können sie auf dem iPad abrufen. Das ist für mich der Weg der Zukunft in den Schulen.

mobilbranche.de: Wie sollen sich das durchschnittliche Schüler und v.a. finanzschwache Eltern leisten können?

Robert Sidor: Nicht die Schüler, sondern die Schulen kommen bisher für die Bücher auf. Gleiches kann für die digitale Technologie gelten, mit der den Schülern der Schulalltag erleichtert werden kann. Bislang nutzen Schulen gemeinnützige Initiativen oder Sponsorengelder, um Schülern ein iPad zu verleihen. Ich denke aber, dass hier in den nächsten Jahren beziehungsweise im nächsten Jahrzehnt ein Umdenken seitens der Schulämter und Bildungsministerien einsetzen sollte. Denn pädagogisch gilt für das iPad das gleiche wie bei normalen Computern. Dabei kostet die Investitionen in iPad-Klassen über die Laufzeit gesehen wesentlich weniger als herkömmliche Computer. Mit den für Computerausstattung in Schulen vorhandenen Mitteln können deshalb mindestens doppelt so viele Geräte angeschafft werden.

mobilbranche.de: Vor wenigen Wochen hat Apple – wie erwähnt – die Software iBooks Author vorgestellt, mit der sich digitale Lehrbücher erstellen lassen. Gibt es schon erste Anwendungsbeispiele aus Deutschland?

Robert Sidor: Bislang sind mir noch keine konkreten Umsetzungen bekannt. Dazu ist der Zeitraum seit Einführung der Software aber auch noch zu kurz. Ich denke, dass derzeit viele in ihren stillen Kämmerlein an eigenen Projekten arbeiten, die wir schon bald im iTunes Store zu sehen bekommen werden.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

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