Interview: Joachim Bader von SapientNitro über Tablet Commerce.

Joachim Bader hält Tablets für keinen vorübergehender Hype, sondern das nächste große Thema im Mobile Commerce. Darüber hat mobilbranche.de mit Bader, der Director bei SapientNitro ist und zuvor die im Juli 2011 von SapientNitro übernommene Mobile-Agentur Clanmo leitete, am Rande der M-Days in Frankfurt gesprochen. Joachim Bader betont dabei, dass Tablets eine hervorragende Conversion Rate gegenüber Smartphones und auch PCs haben – und sieht die Gründe darin, dass die Tablet-Nutzung Spaß macht, die Nutzungssituation meist sehr entspannt ist und nicht zuletzt die Tablet-User auch ein überdurchschnittlich hohes Einkommen haben, welches sie entsprechend per Tablet Commerce ausgeben können. Dazu mehr im Interview:

mobilbranche.de: Wir haben schon länger einen Smartphone-Boom, doch bisher ist mobiles Einkaufen in Deutschland noch relativ unüblich. Bringen Tablets, die immer populärer werden, den Mobile Commerce nun schneller voran?

Joachim Bader: Auf jeden Fall. Das kann man ganz deutlich an den Zugriffszahlen auf die einschlägigen Portale ablesen. iPads sind derzeit mit 75 Prozent Marktanteil noch deutlich in der Überzahl. Wir glauben aber, dass sich das noch dieses Jahr ändert. Es werden sich verstärkt Tablets mit einem geringeren Anschaffungspreis durchsetzen. Allein dadurch ist „Tablet“ kein vorübergehender Hype, sondern das nächste Thema.

mobilbranche.de: Ist Tablet Commerce tatsächlich etwas anderes als Mobile oder als die klassische Website?

Joachim Bader: Vom Grundprinzip ja, aktuell ist die Umsetzung jedoch noch nicht optimal auf das Tablet zugeschnitten. So wird bisher häufig das mobile Portal auch als Tablet-Site verwendet. Oder das Online-Portal verschlankt, so dass es auch auf dem Tablet zu sehen ist. Dabei bleibt leider das Online-Erlebnis auf der Strecke. Die ersten dezidierten Tablet-Konzepte wird es erst dieses Jahr zu sehen geben, sowohl für die App-Experience als auch die Portalnutzung. Dafür spricht die hohe Conversion Rate beim Tablet Commerce. Das gleiche gilt für die Zugriffszahlen auf Apps von großen Marken wie Audi oder Hugo Boss – vor allem im Hinblick auf die Anzahl verkaufter Tablets. Gerade wenn man sich im Premium-Segment bewegt, wie fast alle unsere Kunden, trifft man hiermit genau die richtigen Zielgruppen: Konsumenten mit Geld, Ressourcen und Interesse an der Tabletnutzung. Dadurch hat „Tablet“ aus unserer Sicht das Zeug zu einer eigenen, erfolgreichen Kategorie

mobilbranche.de: Einerseits die Kaufentscheidung auf dem heimischen Sofa, andererseits aber auch das Szenario im Ladengeschäft, auch „In Store“ genannt – sind das komplett verschiedene Lösungen, die SapientNitro da entwickeln muss?

Joachim Bader: Es gibt Möglichkeiten, das alles zu verbinden. Allerdings ist der Anwendungsfall innerhalb des Ladens ein anderer, als der beim Shopping per Tablet von zu Hause aus. Im Laden möchte man dem Kunden zum Beispiel einen Self Service anbieten oder dem Verkäufer eine App an die Hand geben, die ihn bei der Kundeberatung unterstützt. Zuhause wird das Tablet hingegen genutzt, um mittels Produktkatalog vom Sofa aus zu shoppen. Da es sich hierbei um unterschiedliche Nutzungsszenarien handelt, kann eine gemeinsame App nicht beide optimal abdecken.

mobilbranche.de: Kann man in Zahlen ausdrücken, wie unterschiedlich die getätigten Umsätze beim Shopping zwischen Smartphone und Tablet sind?

Joachim Bader: Dazu gibt es verschiedene Studien, z.B. von Adobe. Auf dem L2-Kongress in Paris wurden zudem Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass Tablets doppelt so hohe Conversion Rates generieren wie Online-Shops. Smartphones erzielen im Vergleich nur ein Viertel der Tablet-Resultate. Und das gilt branchenübergreifend. Dabei ist die hervorragende Conversion Rate von Tablets gar nicht mal so überraschend: Tablet-Nutzung macht Spaß, die Nutzungssituation ist meist sehr entspannt. Und Tablet-User haben letztlich auch ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, welches sie entsprechend per Tablet Commerce ausgeben können.

mobilbranche.de: Sind Tablet-Apps eigentlich Angebote, die nur von den Unternehmen angeschoben werden, oder gibt es da umgekehrt auch schon die entsprechende Nachfrage von deren Endkunden?

Joachim Bader: Es besteht auf jeden Fall auch eine Nachfrage. Um dies deutlich zu sehen, sollte man allerdings auch noch einen Schritt weiter zurückgehen: Schon bei den Smartphones hat sich gezeigt, dass es für Verbraucher überhaupt nicht akzeptabel ist, wenn ein Unternehmen keine mobile Website anbietet. Oder „nur“ eine mobile Website und keine App. Es gibt eine deutliche Erwartungshaltung, vor allem gegenüber großen Marken. Und das gilt heute auch mehr und mehr für Tablets: Die Kunden suchen nach Apps oder nach Tablet-optimierten Portalen. Das kann man an entsprechendem Feedback wie etwa: „Wieso sehe ich auf meinem Tablet nur eine mobil-optimierte Seite, aber keine Tablet-optimierte Seite?“ ablesen.

mobilbranche.de: Welche Referenzen hat SapientNitro in diesem Bereich?

Joachim Bader: In den USA haben wir z.B. für New Balance eine In-Store-App entwickelt, in Deutschland eine iPad-App für die Lufthansa. Weitere Projekte befinden sich aktuell in der Entwicklung. An den Beispielen von New Balance und Lufthansa kann man hervorragend ablesen, wie gut der Tablet Commerce funktioniert und dass Tablet der nächste Meilenstein ist. Alle Commerce-Anbieter wollen das als nächstes haben. Und das ist nicht nur bei unseren Kunden so, sondern überall. Auf Tablets lohnt es sich einfach, Commerce anzubieten.

mobilbranche.de: SapientNitro ist sowohl in den USA als auch in Deutschland aktiv – wer lernt hier von wem beim Tablet Commerce?

Joachim Bader: Es geht definitiv in beide Richtungen. Ich glaube, dass die Europäer in der Usability und der Detailgenauigkeit besser sind. Aber umgekehrt ist uns Amerika bei allem, was Tablets und vor allem die In-Store-Nutzung betrifft, voraus.

mobilbranche.de: Wie Sie schon gesagt haben, soll Android dieses Jahr auch bei Tablets deutlich an Bedeutung gewinnen. Ist es denn für Euch schwierig, für jede neue Plattform eine neue Lösung zu entwickeln? Und wie schnell kommt da HTML5 ins Spiel?

Joachim Bader: Bislang sind Unternehmen sehr gut damit gefahren , nur eine App fürs iPad anzubieten. Doch wie wir es bereits bei den Smartphones beobachten konnten, kommt es nun auch auf dem Tablet-Markt zu einer zunehmenden Fragmentierung. Daher stellt sich nun auch bei Tablets die Frage nach dem richtigen Ansatz. Und die kann leider nicht nur mit HTML5 beantwortet werden. Wenn ein Angebot auf allen Geräten super laufen soll, ist letztlich auch HTML5 nur eine Programmiersprache, die für die verschiedenen Geräte jeweils adaptiert werden muss. Wir glauben, dass der richtige Weg über Rendering-Plattformen führen wird, die zusätzlich mit HTML5-Elementen arbeiten. Das wird voraussichtlich der beste und effizienteste Weg sein. Womöglich wird auch die Konzeption von Tablet-Angeboten zunehmend fragmentiert, denn es gibt hoch- und querformatige-Tablets sowie diverse, unterschiedliche Größen- und Seitenverhältnisse. Darauf muss man technisch vorbereitet sein, sowohl mit der richtigen technischen Plattform als auch konzeptionell. Und sich letztlich in Hinblick auf die Rentabilität fragen, ob es sich überhaupt lohnt, alle Formate optimiert zu bedienen.

mobilbranche.de: Das ist letztlich auch eine Geldfrage.

Joachim Bader: Das greift aus meiner Sicht zu kurz. Es ist vielmehr die Frage nach dem Return On Investment. Wenn die Zielgruppe des Unternehmens eine Anwendung stark nutzt, kann sich auch eine hohe Investition lohnen. Das muss im Einzelfall eruiert werden.

mobilbranche.de: Vielen Dank für das Interview!

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